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Ausgabe 73-1/1998

DIE FARBE DER WOLKEN

EL COLOR DE LAS NUBES

Produktion: Urbana Films; Spanien 1997 – Regie: Mario Camus – Buch: Mario Camus, Miguel Rubio – Kamera: Jaume Peracaula – Schnitt: Jose Maria Birrun – Musik: Sebastian Marine – Darsteller: Pedro Barrejon (Bartolomé), Adis Suljic (Mirsad), Julia Gutierrez Caba (Lola), Ramón Langa (Mateo), José Maria Domenech (Colo), Ana Duato (Clementina), Antonio Valero (Valerio) – Länge: 115 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Sogepaq – Altersempfehlung: ab 14 J.

Mario Camus, Jahrgang 1935, gehört zu den großen charismatischen Regisseuren Spaniens. Er verbindet in seinen Filmen nicht selten Wahrheiten des täglichen Lebens, spanische Realitäten, mit Poesie, die in der iberischen Kultur immer auch mit Surrealismus zu tun hat. Dennoch ist Camus, anders als Bunuel, eher ein Chronist realistischer Wirklichkeiten, ein Porträtist von Menschen mit all ihren Schwächen und charakteristischen Pointen.

In seinem neuesten, dem 25. Spielfilm seiner über 30-jährigen Regisseurskarriere, erzählt er eine sehr komplexe Familien-, Liebes- und Abenteuergeschichte aus der heutigen Zeit, die an einen modernen Mark Twain erinnert. Denn leitmotivisch zieht sich die durch sonderbare Umstände entstandene wunderbare Freundschaft zweier Jungen durch den immer wieder poetischen, aber auch schlitzohrig witzigen Film. Wie schon in seinem Meisterwerk "Der Bienenkorb" (1982) reiht Camus auch hier viele Facetten erzählerisch aneinander, flicht sie ein, auch zusammen, um sie später wieder wie im Gedankenschweifen loszulassen. Mario Camus versucht, auf diese Weise der Realität näher zu kommen und animiert uns Zuschauer zur gleichen Neugier. Er erzählt von Einzelschicksalen, mit denen wir uns, wenn auch nicht immer ganz, so doch partiell, identifizieren können.

Der elfjährige Bartolomé leidet unter der Disharmonie und Trennung seiner Eltern, fühlt sich unerwünscht, störend, überflüssig. Er sucht sich eine neue Identität und kommt per Zufall auf eine pfiffige Idee. Ein Bus mit bosnischen Kindern kommt an, die zu ihren Pflegeeltern aufgerufen werden. Bartolomé mischt sich unter die Buben – und bekommt auf diese Weise neue "Eltern" und eine neue Identität. Er gibt sich den Anschein totaler Verstörung und Verschüchterung, indem er kein einziges Wort spricht – so kann er leicht als bosnischer Junge durchgehen. Und es kommt noch besser: Der Junge, dessen Namen Bartolomé pro forma angenommen hat, taucht ebenfalls auf und beide werden dicke Freunde. Mirsad ist mit den Schrecken des Krieges, mit Gewalt und Hass aufgewachsen. Er steht der Welt der Erwachsenen sehr viel unsentimentaler gegenüber als Bartolomé. Beide ergänzen sich mehr und mehr im Verlauf der Handlung und hecken die findigsten Taten aus.

Denn es geht nicht gerade einfach zu in dem kantabrischen Dorf, wo Familienbande seltsame Blüten treiben. Lola, eine Frau in mittleren Jahren, lebt in einem großen alten Haus, das ihr der Mann, der sie die letzten Jahre seines Lebens geliebt hat, hinterließ. Aber leider erhebt der Sohn und Erbe des Mannes, Mateo, Anspruch auf das Haus. Er hat außerdem eine langjährige ausgeprägte Aversion gegen diese Frau, die die letzte Lebensgefährtin seines verwitweten Vaters war. Lola ist eine Person mit einer großen Seele, einer großen Liebe zu Freiheit und Individualismus. Zu ihren Freunden zählt der anarchische Fischer Colo, der eines Tages drei sonderbare weiße Päckchen im Meer schwimmend findet. Mark Twain hätte heute auch sicher über Drogenschmuggel geschrieben, Abenteuer sind überall. Und ebenso Liebesgeschichten – hier zwischen Lolas Nichte Clementina und ihrem Anwalt Valerio.

Mario Camus erzählt mit leichter Hand und ruhigem, fast altmodisch erscheinendem Rhythmus und liebevoll fabulierender Sorgfalt von Menschen, die das Unerreichbare wollen – und es auf wunderbare Weise auch schaffen. Und sie sind sich dieses Glücks bewusst – darin liegt das Außerordentliche dieses Films, der von Menschen handelt und nicht von Spezialeffekten. "Die Farbe der Wolken" – der Titel entstammt einem Zitat Emily Dickinsons – ist, in bester Camus-Tradition, eine liebevolle, poetische und politisch wache Comédie Humaine.

Frauke Hanck

 

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