Produktion: The Icelandic Film Corporation; Island 1998 – Regie und Buch: Ari Kristinsson, nach einer Idee von Hrafn Gunnlaugsson – Kamera: Halldór Gunnarsson – Schnitt: SteingrÃmmur Karlsson – Musik: Valgeir Gudjónsson – Darsteller: Bergthora Aradóttir, Freydis Kristófersdóttir, BryndÃs Saeunn, SigrÃdur Gunnlaugsdóttir – Länge: 94 Min. – Farbe – Vertrieb: Frank A. Thomas, Film- & TV-Projektberatung, Marienstedter Str. 4, 23883 Hollenbeck, Tel. 040-4545 492, Fax 040-4545 501 – Altersempfehlung: ab 8 J.
An ihrem zehnten Geburtstag erfährt Hrefna zufällig, dass ihr Vater nicht in Paris wohnt, wie ihre alleinerziehende Mutter bisher erzählt hat. Vielmehr ist der Vater schon vor Jahren nach Island zurückgekehrt, wo er mit einer anderen Frau in Hrefnas Heimatstadt Reykjavik lebt, sie aber noch kein einziges Mal sehen wollte. Zusammen mit ihrer gewitzten Freundin Yrsa nimmt sie die Suche auf. Sie finden das Haus des Vaters, doch dieser begrüßt sie an der Haustür mit einem Baby auf dem Arm und – schlimmer noch – erkennt Hrefna gar nicht. Die beiden neugierigen Mädchen geben keine Ruhe und steigen bei einem neuen Besuch heimlich in die Wohnung von Hrefnas Vater ein. Als sie von der Familie überrascht werden, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das Baby mitzunehmen, um nicht entdeckt zu werden. Aus dieser unfreiwilligen "Entführung" ergeben sich zahlreiche Verwicklungen, weil Hrefna und Yrsa das kleine Mädchen nur mit großer Mühe in Hrefnas Haus verbergen können und die alarmierte Polizei eine Großfahndung eingeleitet hat. Schließlich entscheiden sich die beiden, das Baby heimlich zurückzubringen.
Der amüsante Kinderkrimi von Ari Kristinsson (Jahrgang 1951), der in seiner Heimat Island seit 1980 als Kameramann, Cutter, Drehbuchautor und Regisseur arbeitet, war der mit Abstand witzigste Wettbewerbsbeitrag des Internationalen Kinder- und Jugendfilmfestivals in Frankfurt am Main 1998, wo er einen "Lucas" der Jury Kinderfilm in der Kategorie ab 6 Jahren sowie den Publikumspreis erhielt.
Der Spielfilm besticht zunächst einmal durch eine spannende Handlung, die mühelos über die gesamten 94 Minuten trägt, und eine differenzierte Figurenzeichnung. Im Vergleich zur gängigen Praxis, Erwachsenenfiguren in Kinderkomödien häufig als Deppen vorzuführen, kommen die 'Großen' hier spürbar besser weg, wenngleich sie natürlich auch bei Kristinsson als Zielscheibe für Kinderstreiche dienen. Allerdings leistet sich der Regisseur im Bemühen um eine konsequente Erzählweise aus der Kinderperspektive bei der Charakterisierung insofern eine vermeidbare dramaturgische Schwäche, als nie nachvollziehbar wird, warum der Vater die Mutter verlassen hat und warum er die Tochter seitdem nie sehen wollte. Zu einer der unterhaltsamsten Kinderkomödien der letzten Jahre wird dieser Film aber vor allem durch die lakonischen Dialoge und ein feinsinniges Gespür für inszenatorische Details. Als etwa eine Nachbarin abends im Auftrag der abwesenden Mutter bei Hrefna vorbeischaut und das Baby im Kinderwagen entdeckt, bekommen die beiden Mädchen einen großen Schreck. Doch die Nachbarin meint nur: "Unglaublich, wie echt die Puppen heute aussehen!" und geht wieder. Für große Heiterkeit sorgten zudem die Zwischenfälle, die ein Baby nun einmal verursacht, und die Lösungsversuche der Mädchen, die hier reichlich Improvisationstalent zeigten. Den komödiantischen Höhepunkt setzte jedoch das "entführte" Baby, das sich durch einen zerbrochenen Leuchtstab in einen grünlich leuchtenden "Geist" verwandelt und einen vorwitzigen Nachbarjungen in die Flucht schlägt. Der Leuchtstoff sei übrigens ungiftig und allenfalls so unangenehm wie Seife, die versehentlich in die Augen geraten sei, erklärte der Regisseur auf eine besorgte Frage einer Zuschauerin.
Ein weiterer Beleg für den trockenen isländischen Humor: Seine beiden Hunde ruft Yrsas Vater, ein ausgeflippter, gutherziger Rockgitarrist, "A-Dur und G-Moll". Dass Kristinsson, der auch das Buch schrieb, gelegentlich mal übers Ziel hinausschießt, etwa wenn er das Fernsehen auf die Schippe nimmt, das Außerirdische für die "Entführung" verantwortlich macht oder gleich ein halbes Dutzend Polizeiautos am Tatort vorfahren lässt, können den erfreulichen Gesamteindruck nicht wesentlich mindern.
Reinhard Kleber
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