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Ausgabe 79-3/1999

DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED

DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED

Produktion: Comenius-Film Berlin; Deutschland 1923-1926 – Regie und Drehbuch, Silhouetten und Animation: Lotte Reiniger – Mitarbeit: Carl Koch, Walther Ruttmann, Berthold Bartosch, Alexander Kardan, Walter Türck – Musik: Wolfgang Zeller (Originalkomposition für Orchester); neue Musikfassung Freddie Phillips (Tonspur) – Länge: 66 Minuten – Farbe und s/w – deutsche Zwischentitel – Altersempfehlung: ab 8 J.

Der erste lange Trickfilm der Filmgeschichte! Silhouettenfilm nach Motiven der orientalischen Märchenerzählung "Tausendundeine Nacht":

Am Tage, als in der Stadt des großen Kalifen dessen Geburtstag gefeiert wird, erscheint der mächtige Zauberer und stellt sein Wunderwerk vor: ein Pferd, das durch die Lüfte fliegen kann. Der Kalif kann es haben, aber als Gegengabe soll er seine bezaubernde Tochter Dinarsade dem hässlichen Zauberer zur Frau geben. Diese Forderung erzürnt Dinarsades Bruder Achmed, doch der Zauberer versteht es, den Prinzen auf das magische Pferd zu locken. So beginnt Achmeds abenteuerliche Reise. Er landet auf der Insel Wakwak. Hier lebt die schöne Herrscherin Pari Banu, in die sich der Prinz verliebt. Der Zauberer, der im Kerker des Kalifen in Ketten gelegt wurde, sinnt inzwischen auf Rache und schon bald gelingt es ihm ein zweites Mal, dem ahnungslosen Prinzen übel mitzuspielen. Er raubt Pari Banu und bietet sie dem Kaiser von China als Sklavin an. Sie weist alle Annäherungsversuche zurück und zieht damit den kaiserlichen Zorn auf sich. Zur Strafe soll sie mit dem Diener des Kaisers verheiratet werden. Der nimmermüde Zauberer hingegen hat den Prinzen Achmed in eine öde Vulkangegend verschleppt und an einen gewaltigen Felsen geschmiedet, in dessen Innern jedoch die mächtige Feindin des Zauberers – die gute Hexe vom Flammenberg – haust. Sie eilt mit Achmed zum Hof des Kaisers, wo er seine geliebte Pari Banu vor der drohenden Hochzeit retten kann.

Bald taucht neues Unglück auf: Die Dämonen von der Zauberinsel fordern ihre geraubte Herrin zurück und abermals wird Pari Banu entführt. Die Tore von Wakwak schließen sich und werden sich nur demjenigen öffnen, der die Wunderlampe Aladins besitzt. Auf wundersame Weise trifft Prinz Achmed vor den Toren auf Aladin und befreit ihn aus den Klauen eines krakenartigen Ungeheuers. Er erfährt, wie Aladin in den Besitz der wundertätigen Lampe gekommen ist, dass daraufhin Dinarsade, Achmeds Schwester, seine Frau wurde und dass der böse Zauberer sich rächte und alles verschwinden ließ. Mitten in der Erzählung stürzt die gute Hexe herbei mit der Nachricht, dass Pari Banu von den erzürnten Dämonen gepeinigt werde, weil sie ihrem Geliebten, dem Prinzen Achmed, folgte. Achmed und Aladin sind verzweifelt, denn ohne die Kraft der Wunderlampe, die sich mittlerweile in der Hand des Zauberers befindet, können sie nicht nach Wakwak gelangen. Nun kommt es zum alles entscheidenden Kampf zwischen der Hexe und dem Zauberer. Am Ende hat die gute Hexe den bösen Zauberer besiegt und mit der Wunderlampe dringen Achmed, Aladin und die Hexe in Wakwak ein. In einem wilden Dämonenkampf wird Pari Banu befreit und am Ende kann der trauernde Kalif seine Kinder überglücklich wieder in die Arme schließen.

"Die Abenteuer des Prinzen Achmed" entstand in dreijähriger Arbeit von 1923 bis 1926 in einem kleinen Studio der Comenius-Film in Potsdam (in der Nähe von Cäcilienhof). Lotte Reiniger, die durch Paul Wegener zum Film gekommen war und neben ihrer Fähigkeit für die Anfertigung von Scherenschnitten auch einen ausgeprägten Sinn für Körpersprache und Bewegung der Figuren hatte, entwarf das Storyboard, schnitt die Figuren und Hintergründe und erweckte sie am Tricktisch zum Leben, assistiert von Alexander Kardan und Walter Türck. Carl Koch hatte die Aufnahmeleitung und Kontrolle der Technik, Walther Ruttmann und Berthold Bartosch experimentierten mit filmischen Gestaltungsmöglichkeiten. Bedenkt man, dass für eine Sekunde 24 Einzelaufnahmen nötig sind, so kann man ermessen, welche Leistung hinter dem ersten langen Animationsfilm der Filmgeschichte steht: Im ganzen wurden ca. 250.000 Einzelbilder von der über dem Tricktisch befestigen Standkamera aufgenommen, von denen ca. 100.000 in dem Film schließlich verwendet wurden.

Der Film hat nichts von seiner Faszination verloren, obwohl sich die Technik des Animationsfilms innerhalb von sieben Jahrzehnten seit Entstehung des "Achmed" weiterentwickelt hat und immer perfekter wurde. Dennoch staunen auch junge Zuschauer noch über den eindrucksvollen Zweikampf, in dessen Verlauf sich die Hexe und der Zauberer in immer neue Gestalten verwandeln und schließlich nur noch als grelle Lichteffekte über die Leinwand huschen oder über den Kampf mit den Dämonen, bei dem Unmengen großer und kleiner Ungeheuer das Bild bevölkern. Die Erfahrungen zeigen, dass der Film mit einer entsprechenden inhaltlichen Einführung und Erklärungen zur Technik für ein Kinderkinoprogramm (ab 8 Jahren) gut geeignet ist.

Der Film hat eine wechselvolle Geschichte. Das Negativ selbst ging im Zweiten Weltkrieg verloren bzw. wurde zerstört. Der Londoner Filmproduzent Louis Hagen / Primrose Productions – dessen Vater in den 20er-Jahren die Comenius-Film Berlin zur Herstellung des "Prinzen Achmed" gegründet hatte – ließ 1954 von dem damals einzigen erhaltenen Filmpositiv ein neues Negativ (16mm) herstellen. Da die Originalkomposition der (zur Uraufführung live gespielten) Musik von Wolfgang Zeller für großes Orchester nur in Form von Notenmaterial existierte, das aber seinerzeit ebenfalls verschollen war, wurde auch eine neue Musik für den Film aufgenommen. Der englische Komponist und Musiker Freddie Phillips komponierte eine der filigranen Art des Films adäquate Musik für ein kleines Ensemble, die nun auf der 16mm-Kopie als Tonspur existiert. Außerdem wurde der Film bzw. das Ausgangsmaterial nach Angaben von Lotte Reiniger koloriert und die ebenfalls nicht mehr vorhandenen deutschen Zwischentitel durch englische ersetzt.

Das Deutsche Filmmuseum Frankfurt, dessen Direktor Walter Schobert wesentlich zur Wiederentdeckung von Lotte Reiniger Ende der 60er-Jahre beigetragen hatte, übernahm 1989 mit Unterstützung von Primrose Productions die Restaurierung des Films. Ausgangsmaterial bildete dabei die wiederhergestellte Kopie von 1954. Für die neue 16mm-Kopie wurden die verschollenen deutschen Zwischentitel in zeitgenössischer Schrift rekonstruiert und eine überarbeitete Farbversion nach den erhaltenen Anweisungen von Lotte Reiniger angefertigt. Auf der Tonspur erklingt weiterhin die Freddie-Phillips-Musik. Die Kopie im 16mm-Format ist u. a. im Verleih der BJF-Clubfilmothek und diversen Landesbildstelle bzw. Medienzentralen. In Österreich liegt der 16mm-Verleih beim Filmladen Wien und in der Schweiz bei Zoom.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Lotte Reiniger wurde 1999 eine 35mm-Kopie hergestellt. In Zusammenarbeit vom Deutschen Filmmuseum Frankfurt und ZDF / Arte und gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst wurde noch einmal erfolgreich recherchiert. Die neue 35mm-Kopie unterscheidet sich in der Farbgebung (aufgrund der Angaben der bei den Recherchen aufgefundenen Nitrokopie) und bei einigen Zwischentiteln (u. a. wurden zwei Zwischentitel nach der ebenfalls jetzt aufgetauchten Berliner Zensurkarte vom 15.1.1926 ergänzt und Kapitelüberschriften den fünf Akten vorangestellt). Während allerdings die TV-Ausstrahlung mit der im Studio eingespielten Originalmusik von Wolfgang Zeller möglich war, ist die jetzt vorliegende 35mm-Kopie stumm. Will man sie so nicht vorführen, muss live eine Musik dazu gespielt werden. Die Möglichkeiten dazu reichen von der adaptierten Originalmusik für zwei Klaviere über improvisierte Musik bis hin zur Orchestermusik in verschiedenen Fassungen. Eine 35mm-Leihkopie ist beim Deutschen Filmmuseum Frankfurt verfügbar.

Christel Strobel

P.S.: Inzwischen ist der Film "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" in der Lotte-Reiniger-Edition auf DVD (absolut Medien) verfügbar.

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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