(Interview zum Film DER BALL)
Der Film "Der Ball" wurde unter der Regie von Dany Deprez als belgisch-niederländisch-deutsche Koproduktion an 40 Tagen in der Nähe von Brüssel gedreht. Die Postproduktion fand dagegen in Babelsberg statt. Der Film lief zur Eröffnung des Wettbewerbsprogramms des Kinderfests der Berlinale 1999. Der Kölner Verleih TiMe bringt ihn im September in die deutschen Kinos. Mit dem belgischen Produzenten Jean-Claude van Rijckeghem und dem deutschen Koproduzenten Rudi Teichmann sprach Reinhard Kleber im Februar in Berlin.
KJK: Wie hoch war das Budget?
Rudi Teichmann: "Das Budget lag bei etwa fünf Millionen DM. Der deutsche Anteil beträgt knapp 30 Prozent."
Wurde der Film in Deutschland gefördert?
Teichmann: "Ja, vom Filmfonds Berlin-Brandenburg. Ein größerer Koproduktionsanteil auf der deutschen Seite wurde von der Kölner TiMe beigesteuert, ein kleinerer von unserer Firma, der B & T Film in Berlin."
Warum fand die Postproduktion in Deutschland statt?
Teichmann: "Aus zwei Gründen. Wir haben zusammen, mit den Kollegen in Belgien und den Niederlanden, nach einer Computeranimationsfirma gesucht, die die hohen Anforderungen des Projekts erfüllen konnte, und uns in Belgien, Frankreich und Großbritannien frühzeitig nach einem Unternehmen umgesehen, das zum einen über das nötige kreative Potential verfügt und zum anderen im Rahmen des vorgegebenen Budgets hätten arbeiten können. Das ist aber nie zur Realisierung gekommen. Ein Zündfunke entstand durch die Firma Core, die heute Effectory heißt, mit der wir schon in der Vorbereitungsphase eine Zusammenarbeit aufgebaut hatten, die schließlich fünf Monate vor Drehbeginn fixiert wurde. Der zweite Grund war, dass wir über die Förderung in Berlin-Brandenburg einen Weg finden mussten, der homogen war. Hier haben wir dann das richtige Paket geschnürt."
Die Effekte waren ja recht umfangreich – was haben sie denn gekostet?
Van Rijckeghem: "Es war nicht viel weniger als eine Million DM."
Wie haben Sie die junge Hauptdarstellerin gefunden?
Van Rijckeghem: "Wir sind nicht zu Tageszeitungen gegangen, um Journalisten zu fragen, ob sie Artikel darüber schreiben können, dass wir eine kindliche Darstellerin suchen. Wir machten stattdessen viele Tests in Schulen. Wir sind mit der Kamera in die Klassen gegangen und fragten talentierte Schüler, ob sie nach vorne kommen und uns etwas vorspielen möchten. Auf diese Weise haben wir mehr als tausend Kinder gesehen und so auch relativ schnell Sophia gefunden. Allerdings hatte sie schon vorher Bühnenerfahrung. Sie hat in einer Musical-Version von 'The Sound of Music' mitgespielt."
Im Film wirkt der Ball äußerlich ja ziemlich unattraktiv. Warum haben sie ein so unscheinbares Objekt zum Filmhelden erwählt?
Van Rijckeghem: "Wir wollten keinen Disney-Film mit einem Ball mit Augen und Ohren und ähnlichen Dingen drehen. Wir haben uns für einen realistischen Ansatz entschieden. Wir suchten nach einem Objekt, das einem Zirkusartisten gehört. Und der ist mit diesem alten, magischen Ball schon 15 Jahre aufgetreten. Wir wollten also den Ball so realistisch wie möglich haben. Zugleich sollte er jedoch seine Gefühle in seinen Bewegungen und in dem ausdrücken, was er an Lauten von sich gibt."
Insgesamt gab es 20 Modelle des Balls. Warum so viele?
Van Rijckeghem: "Wir hatten schon deshalb mehrere Bälle, weil sie Unterschiedliches ausführen mussten. So gab es einen Ball, der unter Wasser Blasen abgeben sollte. Ein anderer musste Dampf versprühen. Alle Bälle hatten verschiedene Funktionen. Zudem hielten wir einige Bälle in Reserve. Wir mussten ja zum Beispiel einen Ball durch ein Fenster schießen. Diese Szene mussten wir mehrmals drehen, weil die ursprüngliche Glasscheibe zu dick war und daher nicht zerbrach oder aber nicht sofort in die Brüche ging. Als wir den Ball zum ersten Mal durch das Fenster schießen wollten, sprang er sogar zurück und beschädigte das Vorderteil der Kamera. Für die Produktion war das eine unangenehme Überraschung. Wir haben das 'Die Rache des Balls' genannt."
Sie haben ja das Drehbuch geschrieben – war es auch ihre Idee?
Van Rijckeghem: "Es war Danny's Idee. Vor ungefähr acht Jahren wollte er mal einen Werbefilm für ein Sportzentrum entwerfen und kam dabei auf die Idee, einem springenden, lebendigen Ball zu folgen. Daraufhin sagte ich ihm: Warum bauen wir nicht eine Story um einen Ball, der wirklich lebt? Und so kam es dann."
Ist "Der Ball" der erste Film, den Sie produziert haben?
Van Rijckeghem: "Ja, aber ich hatte schon einen Kurzfilm mit dem Titel 'October Nacht' gedreht. Es geht darin um die Phantasie eines Kindes, das auf dem Dach eines Wolkenkratzers ein Boot baut."
Der Film hat ja etliche traumhafte, visionäre Szenen. Verstehen Sie ihn als Fantasy Film?
Van Rijckeghem: "Ja, aber es hängt von einer genauen Definition ab. Mein Gedanke war: Wenn man heute Kindern ein Märchen erzählen will, muss man die wirkliche Welt zeigen, die Welt, in der die Kinder leben. Wir fanden es interessanter, mit realistischen Schauplätzen zu arbeiten. Zum Beispiel eine Stadt zu zeigen, in der zu leben nicht gerade Vergnügen bereitet. Zugleich gab es aber diesen Gegenstand der Phantasie, der die Kinder zum Träumen bringt und ihr Leben erträglicher macht."
Auf dem Spielplatz der Kinder herrscht eine Art postapokalyptischer Atmosphäre. Warum haben Sie ihn so weit aus der Realität gerückt?
Van Rijckeghem: "Es hat uns gereizt, auf dem Spielplatz den ganzen Abfall der Gesellschaft aufzuhäufen, all das, was die Leute eben nicht mehr brauchen. Wir haben damit zum einen auf die Verantwortung der Menschen hingewiesen, die nicht einfach alles irgendwohin werfen sollten. Zum anderen stehen da etliche Fässer, die auf die benachbarte Fabrik verweisen. Der Film ist aber nicht als ökologisches Pamphlet angelegt. Im Übrigen haben die Kinder es genossen, in diesem Gerümpel zu spielen. Das ist in gewisser Weise ein Teufelskreis: Sie spielen nun mal gerne in alten Wracks. Wenn es ein gewöhnlicher Park gewesen wäre, hätte es auch nicht so viel Spaß gemacht. Außerdem sind die Kinder wie wir alle Teil der Gesellschaft. Man kann das zwar kritisieren, aber im Grunde nicht ändern."
Die Schlusssequenz, in der die Kinder solidarisch für den Erhalt des Spielplatzes eintreten, erinnert mich an das Ende von "Der Club der toten Dichter". Hat Sie der Film von Peter Weir inspiriert?
Van Rijckeghem: "Das ist insofern richtig, als es sich um die klassische Hollywood-Szene handelt, in der der Held, der aus dem Nichts kommt, sich endlich durchringt. Ich mag solche klassischen Hollywood-Szenen. Wichtig war mir vor allem, dass sie nicht über den Dialog läuft. Wenn man viel Dialog einsetzt, funktioniert es nicht. Wir versuchten daher, die Szene so visuell wie möglich zu halten."
Interview: Reinhard Kleber
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