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Ausgabe 4-4/1980

WATERSHIP DOWN

UNTEN AM FLUSS

Produktion: Nepenthe Productions, Großbritannien 1978 – Regie und Buch: Martin Rosen, nach dem Roman von Richard Adams – Zeichentrick-Regie: Tony Guy – Musik: Angele Morley, Malcolm Williamson – Länge: 92 Minuten – Farbe – 35mm-Verleih: Filmverlag der Autoren – FSK: ab 6 J., feiertagsfrei – FBW: bw

Dieser Zeichentrickfilm schildert die Geschichte einer Kaninchenfamilie. Die Welt, in der Hazel, der kesse Kaninchenknabe, und Fiver, sein hellseherischer Bruder, mit ihrer Großfamilie und ihren Freunden leben, ist die beste aller Welten. So scheint es den Kaninchen jedenfalls. Nirgendwo, so glauben sie, gibt es grüneres Gras, blauere Bäche und saftigere Blumen als in ihrer Heimat. Dem Zuschauer wird das durch eine herrliche Farbgebung der Zeichentricklandschaft vermittelt.

Doch eines Nachts verlassen die Kaninchen unter Hazels Führung ihre angeblich so heile Welt und ziehen in die Fremde. Fiver, der eine große Gefahr auf die Kaninchenfamilie zukommen spürte, hat zu diesem Exodus aufgerufen. Die Wanderschaft ist eine Reise ins Ungewisse und voller Abenteuer. Überall lauern Gefahren auf sie, was sie eigentlich nicht erschüttern kann, denn seit Urzeiten sind die Nachfahren der ersten Kaninchens von Feinden umgeben. Da gilt es, einem frei herumlaufenden Hund zu entkommen, einen Fluss zu überqueren, den Lockungen den Kaninchens Cocaslip zu widerstehen, das sich mit seinem Stamm in einem sehr gefährlichen "Paradies" niedergelassen hat: sie werden von den Menschen mit Karotten gefüttert, aber geraten dafür auch unweigerlich in die ausgelegten Schlingen. Selbst diese Gefahr ahnt der hellseherische Fiver und es gelingt zu entkommen.

Endlich erreichen sie den Hügel, der ihre neue Heimat sein soll. Dort treffen sie auch Kehaar, die eine wichtige Rolle im weiteren Film spielt. Kehaar ist eine schwarzköpfige Möwe mit einem gebrochenen Flügel und stark mitteleuropäischem Akzent. Die Kaninchen pflegen sie und schließen mit ihr Freundschaft. Als sie wieder fliegen kann, hilft sie ihnen bei weiteren Abenteuern, die sie zu überstehen haben.

Am Ziel angelangt, stellen sie fest, dass sie aussterben müssen, wenn es ihnen nicht gelingt, Kaninchenweibchen zu finden. Bei dieser Suche stoßen sie auf den feindlichen Stamm des berühmten General Woundwort, der seinen Kaninchenstamm mit Diktatur und Unterdrückung als ein grimmiger Tyrann beherrscht. Es gelingt ihnen, einige unzufriedene Kaninchen aus diesem Stamm mit in ihre neue Heimat zu nehmen, was natürlich nicht ohne Kampf, Verfolgung und Spannung abgeht. Mit Hilfe der Möwe Kehaar können sie entkommen, doch General Woundwort gibt nicht auf. Er versucht mit Mitgliedern seines Stammes in die Höhlen von Hazel, Fiver und seinen Freunden und deren neuen weiblichen Artgenossen einzudringen. Hazel und seine Freunde begegnen dieser gewaltigen Übermacht mit List, indem sie einen Hund aus einer nachbarlichen Farm zu ihrem Bau locken, der die Angreifer vertreibt.

Jahre vergehen und der Stamm von Hazel, der inzwischen Anführer des Kaninchenstammes geworden ist, lebt in Frieden und Eintracht. Als endlich das große Kaninchen des Todes den müden Hazel zu sich holt, weiß er, dass aller Kampf und alle Not endlich belohnt werden.

Der Zeichentrickfilm "Watership Down", der nach dem gleichnamigen Roman von Richard Adams von Martin Rosen in Szene gesetzt worden ist – in der Bundesrepublik ist der Roman unter dem Titel "Unten am Fluss" beim Ullstein-Verlag erschienen – ist ein gelungenes Werk seines Genres. Ein Zeichentrickfilm, der durch Natürlichkeit in Farb- und Figurengebung für sich spricht. Die Kaninchen in Martin Rosens Film erscheinen auf den ersten Blick wie ganz gewöhnliche Karnickel, putzige Gesellen, die Gras knabbern und Blätter rupfen. Aber Gott sei Dank rauchen sie weder Pfeife, noch tanzen sie Rock'n' Roll, sie lesen keine Bücher und fahren nicht Auto. Darin unterscheiden sie sich von den bisher gängigen Zeichentrickfiguren aus der Schule der amerikanischen oder japanischen Cartoons. Rosens Kaninchen sind Kaninchen und Menschliches ist ihnen fremd.

Aber obwohl Hazel, Fiver und all die anderen Kaninchenfiguren auf den ersten Blick so recht kaninchenhaft wirken, sind sie dennoch nicht einfach irgendwelche Karnickel. Was sie von ihren Artgenossen unterscheidet, ist – zumindest aus der Sicht des geistigen Vaters Richard Adams – ihr außergewöhnliches Schicksal, dessen Parallelen zu dem Geschick mancher Menschen, Völker und Nationen absichtlich sind, auch wenn die Kaninchen von "Watership Down" nicht "vermenschlicht" werden, sondern in erster Linie Tiere bleiben.

Die Darstellung der Landschaft symbolisiert den Ablauf der Handlung, unterstreicht die Dramatik und die Harmonie zwischen Tier und Umgebung. Zu Beginn erscheint die Natur heiter, fast idyllisch, doch dann liegt plötzlich Gefahr in der Luft und aus der sanften Idylle wird eine bedrohliche, dunkle Kulisse. Das wird allerdings an manchen Stellen durch eine zu starke Symbolik und sehr düstere Musik überbetont. Dennoch tut es dem Film keinen Abbruch, und auch Kinder wird er nicht über die Maßen ängstigen. Spätestens, wenn sie das Kino glücklich verlassen, weil alles gut ausgeht, werden sie diese "überzogene Spannung" vergessen haben. Da dieser Film sowohl für Kinder als auch für Erwachsene sehenswert ist, könnten die entstehenden Spannungen durch den gemeinsamen Besuch von Eltern und Kindern und das anschließende Gespräch über vielleicht nicht verstandene Symbolik abgebaut werden.

In einer Sequenz des Films wird eine seherische Vision des Kaninchens Fiver durch Musik von Art Garfunkel untermalt – er singt seinen Erfolgstitel "Bright Eyes". Dieser Gesang, aber auch die sonstige begleitende Musik passen sich insgesamt sehr gut an die Bilder an – vielleicht liegt es daran, dass bei diesem Film zuerst gezeichnet und danach erst die Musik für den Film komponiert wurde und sich die Zeichner mit ihren Zeichnungen nicht der Musik anpassen mussten.

Ein ungewöhnlicher Zeichentrickfilm, der sich endlich von den üblichen Zeichentrickfilmklischees frei macht und dessen kleine, langohrige Helden, trotz aller menschenähnlichen Erlebnisse, doch Tiere geblieben sind – waschechte Kaninchen sozusagen. Ein Tierfilm in Zeichentrick, der ohne die üblichen Klischees von Tierfilmen auskommt. Ein Kinderfilm, der auch für jeden Erwachsenen sehenswert ist.

Dieter Leitner

 

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