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Ausgabe 6-2/1981

DER ROTE STRUMPF

Produktion: Aspekt Telefilm Produktion GmbH, in Zusammenarbeit mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen, 1980 – Drehbuch: Elfie Donnelly, nach ihrem gleichnamigen Kinderbuch – Regie: Wolfgang Tumler – Kamera: Petrus Schloemp – Redaktion: Martin Büttner – Produktionsleitung: Christine Carben-Stotz – Produzent: Markus Trebitsch – Darsteller: Inge Meysel (Maria Panacek), Julie Tumler (Mari Wagner), Ulrike Bliefert (Mutter Wagner), Peter Bauer (Vater Wagner), Inge Wolffberg (Oma), Elfriede Irrall (Tochter Panacek), Gerd Schmidt (Schwiegersohn), Ingrid Kaehler (Ärztin) – Länge: 92 Min. – Verleih: atlas film + av, Duisburg (35 mm und 16 mm)

"Ich wollte einen Film machen, der nicht nur für die Gruppe der Kinder oder nur für die Gruppe der Erwachsenen interessant ist. sondern einen Familienfilm in den Großeltern. Eltern und Kinder gemeinsam gehen können", sagt Regisseur Wolfgang Tumler über seinen ersten Kinofilm "Der rote Strumpf", der beim Kinderfilmfest der Berliner Filmfestspiele 1981 uraufgeführt wurde. Von der Präsentation während der Filmfestspiele erhoffte sich Wolfgang Tumler, der zuvor schon bei vielen Verleihern angeklopft hatte und jedes Mal Absagen bekam, Verleihfirmen für seinen Film interessieren zu können – die Rechnung ging auf. atlas film verleiht den "roten Strumpf". – Auch das Publikum reagierte mit Begeisterung. Wegen des großen Interesses mussten die Vorführungen gleich mehrere Male wiederholt werden.

Das elfjährige Schulmädchen Mari Wagner sitzt auf einer Parkbank und beobachtet eine ältere Frau, die zwei verschiedenfarbene Strümpfe trägt: Mari möchte wissen, warum sie einen roten und einen schwarzen Strumpf trägt. Sie beginnt ein Gespräch und erfährt, dass die ältere Frau Maria Panacek heißt und am linken Fuß den roten Strumpf trägt, weil ihr linkes Bein immer kälter ist und Rot mehr wärmt als andere Farben. Als Mari zu Hause ihre Eltern fragt, ob denn rote Strümpfe wirklich wärmer sind, wollen sie wissen, wer solchen Unsinn erzählte. Mari berichtet von ihrer Begegnung mit der Frau Panacek, die in einer psychiatrischen Klinik lebt, und im Lebensmittelgeschäft eine Tafel Schokolade mitnehmen darf, ohne zu bezahlen. Maria Eltern sind entsetzt und verbieten ihrer Tochter den Umgang mit der "verrückten" Frau Panacek.

Doch am nächsten Tag trifft Mari ihre neue Freundin wieder, denn sie verspürt überhaupt keine Lust, nach Hause zu gehen. Dort kommt am Freitag immer die Oma zu Besuch, und dann gibt es Fisch zu essen – und Fisch mag Mari überhaupt nicht. Auch Frau Panacek mag keinen Fisch, und sie weigert sich, ins Krankenheim zurückzukehren, weil es dort auch Fisch gibt und außerdem hat sie Angst, dass ihr Schwiegersohn, der sie in die psychiatrische Klinik gesteckt hat, vergiftet.

Mari kann die Angst von Frau Panacek gut verstehen und verteidigt sie gegenüber den Spielkameraden und den "normalen" Leuten, die Frau Panacek immer gleich als "verrückt" bezeichnen. Als Frau Panacek wieder panische Angst hat und nicht in das Heim zurück will, nimmt Mari sie einfach mit nach Hause und versteckt sie in der oberen Etage ihres Hochbetts. Frau Panacek erzählt von ihrer Kindheit, von ihrem Fischgeschäft und von ihrem verstorbenen Mann. Am nächsten Morgen entdecken Marie Eltern, dass Frau Panacek zu Gast ist: Sie reagieren überrascht und wissen nicht so recht, wie sie mit der "eigenartigen" Frau umgehen sollen.

Fest steht nur, dass Frau Panacek wieder ins Heim zurück muss. Mari darf noch einen Tag mit ihr verbringen – sie besuchen Maris Vater in einem Fernsehstudio, gehen in den Zoo und essen abends gemeinsam mit der Oma und den Eltern Spaghetti. Frau Panacek muss zwar in die offene Abteilung der psychiatrischen Anstalt zurück, aber Mari und ihre Eltern werden sie besuchen und zu ihren Ausflügen mitnehmen.

Für Regisseur Wolfgang Tumler (Jahrgang 1947) ist "Der rote Strumpf", der mit einem Etat von etwa 1,5 Millionen Mark hergestellt wurde, der erste abendfüllende Spielfilm. Bisher hatte er hauptsächlich fürs Fernsehen gearbeitet. Seiner Meinung nach "gibt es etwas Gemeinsames zwischen Kindern und alten Menschen: sie stehen außerhalb des Verwertungsprozesses und sind noch nicht bzw. nicht mehr in den Arbeitsprozess einbezogen. Aus diesem Grunde werden beide Gruppen oft ein wenig unterbewertet. Unterschätzt wird dabei meines Erachtens, dass beide Gruppen der mittleren Generation, den 30- bis 50-Jährigen, eine Menge geben könnten und auf den Dialog angewiesen sind."

"Der rote Strumpf" bietet eine Geschichte, die hervorragend unterhält und gleichzeitig Probleme aufwirft, ohne in aufdringliche Belehrung zu verfallen. Besonders nachdenkenswert führt der Film unsere Schwierigkeiten im Umgang mit psychisch Kranken vor. Die Hauptfigur Mari ist ein Mädchen, mit dem sich die Kinder leicht identifizieren können: Ihr Verhalten ist nachvollziehbarer und vorurteilsfreier als das der Erwachsenen. – In manchen Sequenzen wird Phantastisches vorgeführt: So verwandelt sich durch Augenzwinkern ein Kiosk, der mit Sex-Zeitschriften bestückt ist, in einen Kiosk voller Kinderzeitschriften.

Wolfgang Tumler hat allerdings manche Möglichkeiten, Spannung zu erzeugen, leider verschenkt: Die zunächst vorhandene Spannung, ob Maris Eltern wohl die im Kinderzimmer versteckte Frau Panacek entdecken, wird schnell abgebaut, denn Mari schließt ihr Zimmer ab. Gerade die darauf folgende – etwas lang geratene – Dialogpassage, in der Frau Panacek aus der Vergangenheit erzählt, hätte durch die mögliche Spannung, dass die Eltern dazwischen platzen, enorm gewonnen.

Zwei besonders komische Szenen lösten bei den zuschauenden Kindern große Heiterkeit aus: Mari und Frau Panacek stöbern im Fundus des Fernsehsenders herum und verkleiden sich; und beim gemeinsamen Spaghetti-Essen ist der Verstoß gegen die "guten Tischsitten" -Frau Panacek isst die Spaghetti mit den Händen und alle anderen machen es nach, nur die Oma reagiert verstört – willkommener Anlass für großes Gelächter.

Julie Tumler, die Tochter des Regisseurs, spielt die Mari mit kindlich-frischer Lebendigkeit und Inge Meysel, die so gern als "Fernsehmutter der Nation" titulierte Schauspielerin, liefert den Beweis, dass sie mehr kann als ihr dem gängigen Rollenklischee gemäß "normalerweise" abverlangt wird.

Im geringen Angebot neuer deutscher Kinderfilme ist "Der rote Strumpf" eine erfreuliche Bereicherung, dem man entsprechend der Konzipierung als "Familienfilm" nur viele junge und alte Zuschauer wünschen kann.

Manfred Hobsch

 

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