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Ausgabe 27-3/1986

Eine Lovestory für Kinder

Interview mit Brita Wielopolska, Regisseurin des Films "Hodja aus Pjort"

(Interview zum Film HODJA AUS PJORT)

Der Film "Hodja aus Pjort" wurde im Rahmen des Internationalen Kinderfilmfestivals Frankfurt/Main 1985 sowie beim diesjährigen KinderFilmFest /Internationale Filmfestspiele Berlin gezeigt.

KJK: Dänemark hat eine lange Kinderfilmtradition, und die Konditionen, einen Film für diese Zielgruppe zu drehen, sind günstig ...
Brita Wielopolska: "Das ist richtig. Inzwischen werden 25 Prozent des gesamten staatlichen Filmetats für die Produktion von Kinderfilmen bereitgestellt, und das in jedem Jahr. Das Gesamtbudget für Kinderfilme beträgt im Augenblick pro Jahr etwa eine Million Dollar. Damit können in der Regel zwei Filme finanziert werden. Für ein kleines Land wie Dänemark ist das schon eine ganze Menge. Unser Finanzierungsmodell funktioniert im Allgemeinen folgendermaßen: 80 Prozent des Budgets, das für einen Film veranschlagt wird, erhält man von staatlicher Hand, den Rest, also etwa 20 Prozent muss man sich über private Produzenten besorgen. Und dort liegt auch immer die größte Schwierigkeit. Aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die privaten Geldgeber ihre Zurückhaltung ablegen angesichts der Tatsache, dass bereits der Löwenanteil der Gelder von staatlicher Seite her fließt."

Können Sie etwas über Ihre persönlichen Motive sagen, warum Sie gerade diesen Film, "Hodja aus Pjort", gedreht haben?
"Ich wollte mit 'Hodja' eine Lovestory erzählen. Der Film basiert auf einem sehr populären dänischen Kinderbuch von Ole Lund Kirkegaard, der bereits die Vorlage zu 'Gummi Tarzan' geschrieben hat. Als der Produzent mich fragte, ob ich einen Film nach diesem Buch machen wolle, stand für mich fest: Entweder die Hauptfigur wird ein Mädchen – im Buch ist es ein Junge – oder es gibt zwei Helden, ein Mädchen und einen Jungen. Ich wollte der großen Zahl von Filmen, bei denen ein Junge im Mittelpunkt des Geschehens steht und alle Abenteuer zu bestehen hat, nicht noch einen weiteren hinzufügen. Es sollte einfach eine Lovestory werden, in der diesmal ein Mädchen eine tragende und aktive Rolle hat."

Nach meinem Verständnis ist das aber eine sehr traditionelle Mädchenrolle. Sehen Sie das anders?
"Nach einer Aufführung in Dänemark sprach ich mit einer Reihe von Kindern darüber, wie ihr Eindruck von den beiden Hauptpersonen war. Das Ergebnis war für mich ganz interessant: Die Mädchen im Publikum identifizierten sich eindeutig mit Smaragd, der weiblichen Hauptrolle; sie empfanden sie als stark, als jemand, der alles fest in der Hand hat. Die zuschauenden Jungen dagegen meinten dasselbe von HodjaMeine persönliche Meinung dazu ist folgende: Smaragd kommt aus der untersten sozialen Schicht, sie ist arm, muss betteln oder stehlen gehen. In dieser ihrer Situation spiegelt sich für mich in etwa die Position von Frauen in unserer westlichen Gesellschaft im Vergleich zu den Männern. Wir sind ganz unten. Von da will Smaragd weg und von da wollen auch wir als Frauen überhaupt weg. Sie wehrt sich gegen ihre Situation, indem sie den Teppich des netten, sauberen Jungen, der wohlbehütet auf dem Land aufwächst, stiehlt. Sie beschimpft ihn auch ständig auf eine sehr hässliche und aggressive Weise – vielleicht wird das in der deutschen Übersetzung nicht so deutlich. Es ist ein permanentes Aufbegehren und am Ende des Films ist sie es, die wirklich an die Kraft des fliegenden Teppichs glaubt, ihres kleinen Teppichs, der so viel kleiner ist – auch das ist ja wieder ein Symbol für unsere Situation – als der des Jungen. Das deutlich zu machen, war mir wichtig. Die Mädchen in der Aufführung scheinen das auch verstanden zu haben, ohne dass ich pädagogisch werden musste. Das hat mich glücklich gemacht."

Phantasie im weitesten Sinne ist für Sie ein entscheidendes Gestaltungsmoment?
"Unbedingt. Vor allem auch wieder gesehen vor der Situation von Frauen heute: Unsere Phantasie existiert bislang noch zu sehr im Verborgenen. Wenn wir Geschichten erzählen, erzählen wir sie hauptsächlich realistisch. Auch beim Film stehen wir noch am Anfang, aber wir können viel bewegen, wenn wir unsere Phantasie, unsere Vorstellungskraft als Frauen einsetzen. Da liegen unsere Chancen und Möglichkeiten, wir müssen nur noch mehr Selbstbewusstsein und Vertrauen in unsere Fähigkeiten entwickeln."

Warum haben Sie gerade in der Türkei gedreht?
"Über den Produzenten, der mir das Buch angeboten hatte, bestanden Kontakte zum türkischen Kultusministerium, verbunden mit dem Angebot einer finanziellen Beteiligung. Damit war auch klar, dass wir in der Türkei drehen werden. Für mich wiederum ist es ein Abenteuer, fremde Kulturen kennen zu lernen und mich mit ihnen auseinander zu setzen. Und mich interessieren die vielen ausländischen Menschen, die bei uns leben und arbeiten. Die meisten stammen aus der Türkei. Mein Ärger darüber, wie wir sie behandeln, wächst eigentlich ständig. Ich denke, wir vertun eine große Chance, etwas über andere Kulturen zu erfahren, wenn wir sie nicht respektieren. Deswegen wollte ich auch einen dänischen Film machen, in dem aber die Hauptpersonen türkische Kinder sind. Vielleicht werden auf diesem Weg einige Vorurteile abgebaut."

Wäre es da nicht sinnvoller gewesen, ein Sujet zu wählen, das einen direkteren Bezug zur Türkei und der Lebenssituation von Kindern dort hat?
"Das ist sicher richtig. Aber, wie gesagt, es bestand das Angebot, das dänische Buch von Hodja und seinem fliegenden Teppich zu verfilmen und wo kommen fliegende Teppiche vor: im Orient. Für einen Film, wie Sie ihn sich vorstellen, wäre es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, einen dänischen Produzenten zu finden."

Gibt es Hinweise darauf, dass der Film von türkischen Kindern gesehen und angenommen wird?
"Ja, wir haben Erfahrungen aus Dänemark und auch hier aus Berlin. Mehrere türkische Familien sahen den Film während der Filmfestspiele und waren ganz begeistert, weil sie die Gegend wieder erkannten und mir auch in einem anschließenden Gespräch bestätigten, dass die Atmosphäre doch sehr türkisch sei."

Können Sie noch ein paar Worte zu den Kosten Ihres Films sagen?
"Die Kosten beliefen sich auf etwa 1,5 Millionen Dollar, für einen Kinderfilm hoch. Das lag in erster Linie daran, dass wir an Originalschauplätzen in der Türkei gedreht haben und zum anderen an den Special effects. Sie bereiteten uns große Schwierigkeiten, obwohl wir englische Trickspezialisten hinzugezogen hatten. Dadurch betrug unsere Drehzeit allein neun Monate. Insgesamt hatten wir eine Produktionszeit von mehr als zwei Jahren."

Astrid Henning-Jensen könnte man als die große alte Dame des dänischen Films bezeichnen. Wollten Sie durch die Besetzung in Ihrem Film ihre Verdienste würdigen?
"Das sicher auch, aber in erster Linie ist sie seit Jahren eine meiner besten Freundinnen, und sie ist natürlich auch eine exzellente und außergewöhnliche Schauspielerin. Im Verlauf des Films wurde sie immer mehr zu meiner rechten Hand und hat mir durch ihr enormes Wissen über das Filmemachen aus einer Reihe von schier unüberwindlichen Schwierigkeiten geholfen."

Mit Brita Wielopolska sprach Thomas Thiel

 

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