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Ausgabe 33-1/1988

VORSPIEL

Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme, Gruppe 'Roter Kreis', DDR 1987 -Regie: Peter Kahane – Szenarium: Thomas Knauf, Peter Kahane – Dramaturgie: Christel Gräf – Kamera: Andreas Köfer – Schnitt: Ilse Peters – Ton: Hans-Henning Thölert – Musik: Tamás Kahane, Karl-Ernst Sasse – Darsteller: Hendrik Duryn (Tom), Susanne Hoß (Corinna), Antje Straßburger (Floh), Hermann Beyer (Dr. Lange) u. a. – Laufzeit: 96 Min. – Farbe

"Das war wieder einmal ein super Film: spritzig, treffend, ehrlich und nicht langatmig. Auch dass es bei einigen Szenen Zwischenapplaus gab, fand ich gut, werde wohl meine Eltern mal hinschicken." So urteilte Lehrling Maik Büchtemann, 18 Jahre, aus Ostberlin über die neueste DEFA-Produktion, die also offensichtlich ihr Zielpublikum, wie es so schön heißt, erreicht hat. 14- bis 26-Jährige stellen fast 80 Prozent der Kinobesucher in der DDR. Deshalb bemüht man sich in Babelsberg, diese Altersgruppe besonders anzusprechen, und die jüngste Generation dort tätiger Filmemacher, die freilich auch schon Mitte Dreißig ist, weiß da immer noch am besten, was bei Jugendlichen ankommt.

Regisseur Peter Kahane erreichte mit seinem ersten langen Kinospielfilm "Ete und Ali" vor zwei Jahren über eine halbe Million Zuschauer. Tatsächlich erwies sich der Babelsberger Filmhochschulabsolvent mit dieser Komödie als eines der viel versprechendsten Nachwuchstalente. Was sie – bei manch inhaltlichen Schwächen – an formaler Begabung verriet, findet sich in Kahanes jüngster Arbeit "Vorspiel" bestätigt und vervollkommnet.

Wieder führt der Regisseur junge Leute in der DDR-Provinz vor. Genau ist das Milieu einer etwas vergammelten Kleinstadt an der Elbe eingefangen. (Drehort war Schönebeck.) Eine jugendliche Motorradclique lungert herum und weiß nichts Rechtes mit sich anzufangen. Da werden Mädchen angemacht, und man liegt auf der Lauer, die Folgen des nie ausgebesserten Schlaglochs im holprigen Kopfsteinpflaster auf vorbeikommende Autos zu beobachten. Vor der Tür des Kulturhauses hält ein Zerberus die wenig kulturvoll gekleideten jungen Leute fern, aber die finden doch auf Schleichwegen Zugang zum Provinzvergnügen eines Tanzturniers, um dabei ein bisschen Rabatz zu machen.

"Es ist mir hier alles zu miefig und verlogen", mit dieser Begründung hat früher mal ein Neunzehnjähriger das Nest verlassen. Jetzt kommt er als neuer Museumsdirektor dorthin zurück: mit einer Tochter, die als Großstadtattraktion sofort zum Schwarm aller Twens wird. Für Tom ist Corinna die Frau, die er immer gesucht hat. Als der schüchterne Jüngling erfährt, dass die Angebetete Schauspielerin werden möchte, gibt er vor, selbst schon immer von nichts anderem geträumt zu haben, als auf der Bühne zu stehen. Der Trick verfängt, und als Tom eine der drei von seinem Automechanikerfreund empfohlenen Varianten, eine Frau zu gewinnen, ausprobiert, gelangt er tatsächlich ans Ziel seiner Wünsche.

Aber statt eines Happy Ends gibt es einen hübsch vertrackten Schluss. Schließlich macht doch noch der Frauen erfahrene Automechaniker bei Corinna das Rennen, und statt ihrer fährt nur Tom zur Schauspielprüfung. Die das Auswahlgremium überzeugende Liebesszene aus dem "Käthchen von Heilbronn" spielt er mit Floh, seiner schon lange um ihn bemühten Jugendfreundin, für die er bisher nie ein Auge hatte und die nun ihn abblitzen lässt, als er ihr zuletzt noch eine Liebeserklärung ohne Kleist macht.

Peter Kahane geht es mit seinem Film aber noch um ein bisschen mehr als nur erste Liebe und erste Enttäuschung. Corinnas Vater drückt es so aus: "Um alles muss man kämpfen, nicht nur um Frauen, auch um Stores, um H-Milch, um eine Zylinderkopfdichtung, um einen Baum, um einen Chef – oder gegen ihn ... ein Leben lang."

Das "Vorspiel", das der Filmtitel meint, ist nicht nur das Vorspiel fürs Theater, es ist auch ein Vorspiel zum Leben, und dass es ganz spielerisch vorgeführt wird, macht die besondere Qualität des Films aus. Kahane erzählt seine Geschichte oft nur in Bildern und Tönen, ohne Sprache, zart und sinnlich, belässt vieles in Andeutungen, setzt genau intelligente ironische Pointen, bringt einem zum Lachen und Weinen. Den Cineasten merkt man am Zitieren alter DEFA-Filme und daran, dass verschiedene Szenen in einem Kino spielen mit dem an DDR-Vergangenheit erinnernden schönen Namen "Aktivist". Zu seiner jüdischen Herkunft bekennt sich der Regisseur, wenn er die Kamera einmal ganz kurz an einer alten Synagogenmauer mit zwei Davidsternen entlang fahren lässt. Mit lauter neuen jungen Gesichtern auf der Leinwand fand er eine ideale Besetzung. "Vorspiel": einer der gelungensten DEFA-Filme seit langem. Man sollte ihn bei uns bald nachspielen.

Heinz Kersten

 

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