Produktion: American Filmworks / Lucky Dog, USA 1992 – Regie: Marshall Herskovitz – Buch: Steven Zaillian, nach einem Roman von Dan McCall – Kamera: Fred Murphy – Schnitt: Steven Rosenblum – Musik: James Horner – Darsteller: Danny de Vito (John Leary), Robert J. Steinmiller jr. (Jack), Miko Hughes (Dylan) u. a. – Länge: 97 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Twentieth Century Fox (35mm)
John Irving ließ seinerzeit seinen überängstlichen Garp, der das Leben seiner Kinder ständig durch Gefahren von außen bedroht sah, den Tod seines fünfjährigen Sohnes selbst verursachen. "Monster gibt es tatsächlich, aber sie existieren nur in uns selbst" ist die Quintessenz, die auch der dreizehnjährige Jack Leary in Marshall Herskovitz' Film aus dem Jahr zieht, das auf den Tod seiner Mutter folgt.
Zusätzlich zu seinen ganz normalen Teenagerproblemen muss Jack noch einen Großteil der Verantwortung für seinen dreijährigen Bruder Dylan tragen. Niemand spricht über den Tod der Mutter, die eines Nachts im Streit das Haus verlassen hat und im Auto verunglückt ist. Dennoch ist nicht zu übersehen, wie Jacks Vater seine Schuldgefühle mit Alkohol betäubt oder sich in seinem skurrilen Job verliert: John Leary gestaltet das Rahmenprogramm der nächtlichen Horror-Features der Fernsehstation von Oakland. Als Norman Strick, der fanatische Nazi von nebenan, nach einer Nachbarschaftsquerele Dylan entführt, lösen sich die Knoten aus Schuld und Hilflosigkeit, muss niemand mehr konstruierte Schrecken vorschieben, wird die Studiokulisse, in der John Nacht für Nacht mit dem Schauder spielt, zur Plattform für seinen unmaskierten Hilferuf.
In Cinemascope sind die fünfzig Meter Straße gefilmt, auf denen sich ein Großteil des Films abspielt – nur ein paar Häuser und Gärten nehmen das ganze Blickfeld des Zuschauers ein, die ganze, kleine, komplexe Welt des Jack Leary und seiner gar nicht heilen Familie. Und Regisseur Marshall Herskovitz füllt sein Format oft mit seinen herausragenden Darstellern. Da ist allen voran Robert J. Steinmiller jr. in der Titelrolle des Films ("Jack the Bear"), gefolgt von Danny de Vito, dessen Spiel anzusehen ist, wie er diese Vaterrolle geliebt haben muss, und einem weiteren bemerkenswerten Kindergesicht, Miko Hughes als Dylan.
Nur bei der Inszenierung des ambitionierten Projektes konnte Herskovitz sich nicht entschließen, es bei seiner sensiblen, oft auch ohne Worte intensiven Erzählweise zu belassen, die durch die Popsongs und Gospels des Soundtracks unterstützt wird. So stört vor allem der thrillerhafte Schluss, an dem der Psychopath Norman, der völlig eindimensional bleibt, zurückkehrt, um endgültig Rache zu nehmen. Für sich gesehen ist diese Szene ein stilsicher gemachtes Kabinettstückchen, aber sie bringt überflüssigerweise eine spekulative Note in einen wunderbaren, wenn auch längst nicht perfekten Film über die andere Seite der Familienidylle, über Verantwortung, Schuld, Verlust und schließlich zumindest das Ende der Sprachlosigkeit.
Bärbel Schnell
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