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Ausgabe 43-3/1990

SHALOM GENERAL

Produktion: Thalia-Film Wien für ORF, Österreich 1989 – Regie und Drehbuch: Andreas Gruber – Kamera: Hermann Dunzendorfer – Schnitt: Michael Spalt – Ton: Uwe Kohrs – Darsteller: Dieter Naumann (General Kulat), Rainer Egger (Roman), Andrea Wolf (Grete), Suzanne Geyer, Mitzi Bodendorfer, Heidi Baratta u. a. -Laufzeit: 100 Min. – Farbe – Verleih: Europolis (35mm); Matthias-Film (16mm) – Altersempfehlung: ab 14 J.

"Shalom General" von Andreas Gruber, Max-Ophüls-Preisträger des Jahres 1990, zeigt das Aufeinandertreffen eines Zivildienstleistenden mit einem seit gut vier Jahrzehnten auf einen Rollstuhl angewiesenen Wehrmachtsoffizier und Militaristen. Ihre spontane gegenseitige Ablehnung weicht einer zögernden Annäherung bis hin zur gegenseitigen Anerkennung: "Das Leben, die Liebe, das Leid – eine ernste Geschichte mit schwarzem Humor bis zur Halskrause. Ein Krieg der Knöpfe, in dem kurz vor dem Tod die Toleranz siegt." (Auszug aus der Begründung zur Verleihung des Max-Ophüls-Preises)

Wenig überzeugt von dem Sinn und der Notwendigkeit seiner Arbeit tritt Roman, ein typischer Exponent der "Turnschuh-Generation", seinen Dienst in einem Wiener Altersheim an. Überheblich lehnt er zunächst einen Job in der Küche ab. Dafür wird er der Pflegestation zugeteilt, wo Roman erstmals in seinem Leben mit Krankheit, Siechtum und Tod konfrontiert wird. Er fühlt sich der Aufgabe, die alten und gebrechlichen Menschen zu pflegen, anfangs nicht gewachsen und versucht vergeblich, in einen anderen Bereich versetzt zu werden. Frustriert und erschöpft von den psychischen und physischen Anforderungen – den alltäglichen Handreichungen, den "Macken" und Nörgeleien einzelner Patienten und der seelenlosen Geschäftigkeit des "Versorgungs"-Apparates – sucht er Zuflucht in eine Beziehung mit der Pflegerin Grete. Obwohl diese Verbindung immer wieder von der Routine des Dienstplans getrübt wird, können Roman und Grete "ausbrechen", sich ablenken und entspannen.

Besonders trifft es Roman, wie mit dem Sterben der Alten umgegangen und ihr Tod "verwaltet" wird. Im Laufe der Zeit erkennt er, dass angesichts dieser Endgültigkeit die letzten Wochen und Tage eines Menschen immer wichtiger werden. Er ändert seine Einstellung und sein Verhalten gegenüber den Betroffenen, er stellt sich den Herausforderungen und respektiert die Würde ihres Alters, indem er sich individuell auf sie einstellt und sich bemüht, Gleichgültigkeit und Gleichförmigkeit aufzubrechen.

Im Mittelpunkt des Films steht die Begegnung des sich "locker" gebenden Roman mit dem auf Ordnung, Disziplin und Drill bedachten ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Kulat – "General" genannt –, der bis zum Hals gelähmt und seit Kriegsende auf den Rollstuhl angewiesen ist. Der hoch dekorierte Soldat hat innerlich den kriegslosen Zustand noch nicht akzeptiert: überall existieren Feinde, denen man sich nur durch größte Aufmerksamkeit und Selbstdisziplin erwehren kann. Zwischen Roman und dem General entwickelt sich ein täglicher "Kleinkrieg", den jeder mit seinen "Waffen" führt: der General, indem er mit scharfem Kommandoton auf Sauberkeit, Pünktlichkeit und Ordnung beharrt, und Roman, der mit jugendlicher Unbekümmertheit provoziert. Der eine besteht auf Einhaltung und Erfüllung der Vorschriften, der andere sucht sie zu umgehen. Um den General zu ärgern, hängt Roman in dessen Zimmer ein pazifistisches Plakat auf. Erst mit der Zeit lassen Eifer und Lust an der Konfrontation nach, beide nähern sich einander an. Der "Militarist" und der "Drückeberger" lernen zuzuhören und sich gegenseitig zu respektieren. Der General, der nur "Todfeinde" kannte, findet in Roman einen Verbündeten für das Leben; Roman baut Vorurteile ab und entwickelt mehr Eigenverantwortung und Selbstdisziplin.

Andreas Gruber, Jahrgang 1954, der nach dem Filmstudium eine Ausbildung als Sozialarbeiter absolvierte, hat mit "Shalom General" einen authentischen, fast dokumentarisch wirkenden Film über den Erhalt von Menschenwürde und die Überwindung von Berührungsängsten gemacht. In seinem Film, in dem die schockierenden und "unbequemen" Szenen wie selbstverständlich neben den spannenden, dramatischen und humorvollen stehen, hat er auch die intimen Szenen des Sterbens nicht sentimental verkleidet, sondern realistisch und ungeschönt gestaltet. "Shalom General" ist ein Plädoyer dafür, dass alte und kranke Menschen von ihren Familien nicht abgeschoben werden. Er wendet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, sich dieser letztlich unvermeidbaren Auseinandersetzung rechtzeitig zu stellen. Mit Roman hat der Film einen sympathischen und überzeugenden Protagonisten, den Jugendliche als Identifikationsfigur akzeptieren – und nur so lassen sich Betroffenheit und Reflektion über die eigene Lebenswirklichkeit erzielen.

Horst Schäfer

 

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