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Ausgabe 44-4/1990

DANCIN' THRU THE DARK

Produktion: BBC Film / Formost Film Productions, Großbritannien 1990 – Regie: Mike Ockrent – Drehbuch: Will Russell – Kamera: Philip Bonham-Carter – Schnitt: John Stothart – Musik: Will Russell – Darsteller: Con O'Neill (Peter), Claire Hackett (Linda), Peter Beckett (Chris), Conrad Nelson (Dave) u. a. – Laufzeit: 95 Min. – Farbe – Verleih: Senator Film (35mm)

Eine schwarze Limousine fährt durch ein ziemlich heruntergekommenes Viertel. Liverpool zeigt sich nicht von seinen besten Seiten, sofern es die überhaupt noch hat. In der Limousine sitzen Mitglieder einer aufsteigenden Londoner Band, die auch schon mal einen Song in den Charts platziert hat. Niemand kann ihnen sagen, wo der Club zu finden ist, in dem sie abends auftreten sollen. Einer von ihnen, Peter, kommt aus Liverpool, hat die Stadt aber schon vor Jahren verlassen, weil sie keine Entwicklungschancen bietet. Nun kehrt er mit gemischten Gefühlen in seine einstige Heimat zurück. Nichts hat sich verändert. Die Menschen sträuben sich gegen etwas Neues, wittern bei Fremden sofort Gefahr, setzen sich fast reflexartig zur Wehr.

Während die Band ihre Aufbauarbeiten und Soundchecks beginnt, startet bei zwei anderen Gruppen der "Polterabend", denn Linda und Dave wollen heiraten. Der letzte Abend wird in der jeweiligen Männer- bzw. Mädchenclique verbracht. Die Mädels wollen fein herausstaffiert beim Italiener essen und dann die Disco unsicher machen, und die jungen Männer saufen sich zu und landen ebenfalls in der Disco, in der die Band aus London auftritt. Schwierigkeiten sind vorprogrammiert – Linda trifft dort ihre alte Jugendliebe Peter wieder, der den Absprung schaffte. Während der zukünftige Gatte seinen Rausch ausschläft, kommt es zur Begegnung zwischen Linda und Peter. Er erzählt ihr von seinem Leben, seinen Träumen, fragt sie, warum sie nicht mit ihm weggegangen sei und bittet sie, nach dem Konzert gemeinsam mit ihm und seiner Band Liverpool zu verlassen. Linda gerät in einen Konflikt: Soll sie eine genormte Zukunft gegen eine ungewisse eintauschen? Und auch ihre Freundinnen mischen sich ein, wollen sie auf den rechten Weg zum Standesamt zurückbringen. Was ihnen nicht so ganz gelingt, schafft der Anführer von Daves Clique. Nicht gerade zimperlich macht er Peter klar, dass er ihm die Knochen brechen wird, falls er sich weiter um Linda bemüht und nicht sofort nach dem Konzert verschwindet. Linda bedroht er ebenfalls, sollte sie es wagen, seinen Kumpel zu enttäuschen. Und dennoch – plötzlich erkennt Linda, dass sie weg will, sich keinen Regeln mehr unterwerfen, sondern ihre eigenen Wünsche realisieren, ihr eigenes Leben leben will. In letzter Minute flüchtet sie zur Band und fährt davon.

Autor und Drehbuch-Autor der Geschichte ist Will Russell, der auch schon das Drehbuch zu "Educating Rita" und "Shirley Valentine" schrieb. Als Vorlage diente das Stück "Stags and Hens" (Hengste und Hennen), das Russell fürs Fernsehen konzipierte und später für die Bühne umschrieb. Obwohl der größte Teil von "Dancin’ Thru the Dark" in einer Disco spielt, ist dies kein Disco-Film, sondern der halb ironische, halb traurige Blick auf eine Jugend ohne Chance, die sich an Strukturen festhält, da es keine Perspektive für sie gibt. Nur der Freundeskreis bietet so etwas wie Schutz vor der als bedrohlich empfundenen Außenwelt. Dieser Schutz wird aber mit Anpassung bezahlt, mit Verzicht auf Individualität. So wird Peter, der "es" geschafft hat, mit Bewunderung behandelt, die aber schnell in Eifersucht umschlägt, da sein Erfolg den Misserfolg der anderen offenbart. Am Anfang fragen ihn Kay, Billy und Robbie nach einem Autogramm, was Peter nur widerwillig gibt, da er ihre Unsicherheit spürt.

Eddie, der Wortführer, lässt dann seine Kumpels die eigenen Namen groß an die Toilettenwand schreiben, um zu zeigen, dass sie keine Autogramme brauchen, selber "Typen" sind. Aber die Welt der Liverpooler Jugendlichen ist begrenzt: Saufen, Disco, Frauen abstauben, Männer aufreißen, alles nur für einen Moment, denn wer weiß, was morgen ist. Und immer die Angst, nicht anerkannt zu werden: Bei den männlichen Jugendlichen gilt es Alkohol zu konsumieren und eine Frau ins Bett zu ziehen, auch wenn Ängste vorhanden sind. Die Frauen machen sich nur für das andere Geschlecht zurecht, messen ihren Stellenwert am Erfolg beim Mann. Der Begriff Emanzipation wirkt hier so exotisch wie ein Abendkleid beim Bergwandern. Die Zeit scheint seit den 50er-Jahren stillzustehen.

Dennoch artikulieren sich Gefühle und Sehnsüchte, die aber schnell unterdrückt werden, um nicht den Alltag reflektieren zu müssen. Die Flucht vor der Realität ist die einzige Chance, zu überleben. Bezeichnend ist wohl die letzte Szene: Linda hat es geschafft, sitzt im Wagen der Band, auf ihrem Gesicht spiegelt sich Erleichterung, Freude, aber auch Angst vor dem Unbekannten. Draußen. droht die Clique mit den Fäusten, trommelt auf den davonfahrenden Wagen, bleibt zurück.

Da "Dancin’ Thru the Dark" die Situation einer Generation sensibel aufgreift, pointierte Dialoge bietet, aber nicht mit Moralvorstellungen langweilt, dazu mit Disco-Musik unterhält, kommt der Film bei Jugendlichen gut an. Kein Teenie-Film oder Dutzendware, sondern ein Film, der ernsthafte und unterhaltende Momente mischt, auf den Punkt kommt: Verantwortung für sich selbst übernehmen, nicht fremd-, sondern selbstbestimmt leben.

Margret Köhler

 

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