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Ausgabe 45-1/1991

DIE UNENDLICHE GESCHICHTE II – AUF DER SUCHE NACH PHANTASIEN

Produktion: Neverending Story Film GmbH / Cine Vox, Bundesrepublik Deutschland 1989/90 – Regie: George Miller – Drehbuch: Karin Howard, nach Motiven des Romans von Michael Ende – Kamera: Dave Connell – Schnitt: Peter Hollywood, Chris Blundes – Musik: Robert Folk – Songs: Giorgio Moroder – Darsteller: Jonathan Brandis (Bastian), Kenny Morrison (Atreju), Clarissa Burt (Xayide), Alexandra Johnes (Kindliche Kaiserin), Martin Umbach (Nimbly) u. a. – Laufzeit: 90 Minuten – Farbe – FSK: ab 6, ffr. – Verleih: Warner Brothers (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.

Als aufwändigste und gewinnbringendste Produktion der deutschen Filmgeschichte durfte bislang die erste Verfilmung des Buchs 'Die unendliche Geschichte' von 1984 gelten. Daher wurde die bereits seit längerem angekündigte Fortsetzung mit großer Spannung erwartet. Für die Kinobesitzer hat sich das Warten gelohnt. Die Deutsche Presse-Agentur meldete am 6. November 1990: "Mit über 1,3 Millionen Kinobesuchern in den ersten elf Tagen hat der Film 'Die unendliche Geschichte II' das beste Startergebnis dieses Jahres in Deutschland erzielt." "Die unendliche Geschichte II" haben nach Verleihangaben schon jetzt mehr Menschen gesehen, als alle deutschen Filme in diesem Jahr zusammengenommen. Ein fürwahr atemberaubendes Kassen-Ergebnis, das umso mehr überrascht, als gerade ein deutscher Film diesen Rekord verbuchen kann, da "der Zuschaueranteil der deutschen Filme insgesamt 1990 unter die 5-Prozent-Marke gerutscht ist", heißt es in der Meldung weiter. Angesichts der ebenfalls rekordverdächtigen Zahl von 496 Kopien, die nach Angaben der Zeitschrift 'Kinohit' in der vorletzten Novemberwoche die Kinosäle blockierte, dürfte es selbst einem beinharten "Werner" schwer fallen, diesen "Blockbuster" noch zu übertreffen.

Hat sich das Warten auch für die Fans von Michael Ende gelohnt? Zunächst einmal lässt der Titelzusatz "II" auf eine Fortsetzung der ersten Verfilmung schließen. Doch die neue "Unendliche Geschichte" ist kein zweites Glied in einer Serienkette, sondern vielmehr ein schlichtes Remake. Denn der romantisierende Märchenstoff von Endes Bestseller-Buch wurde nicht fortgeschrieben, sondern variiert. Eine Erklärung dafür ist, dass bei der ersten filmischen Adaption von Wolfgang Petersen 13 Kapitel nicht berücksichtigt werden konnten, die jetzt in der Neuauflage des australischen Regisseurs George Miller eingeflossen sind. Seine Version ist gleichwohl auch für diejenigen verständlich, die die erste Verfilmung nicht gesehen haben.

Die Grundsituation ist gleich geblieben. Der schüchterne Junge Bastian Balthasar Bux flüchtet sich nach dem Tod seiner Mutter in die Welt der Bücher und Imagination. In einem Antiquariat entdeckt er ein geheimnisvolles Buch, das ihn beim Lesen in das rätselhafte Land Phantásien entführt. Dieses Phantasie-Reich wird von der engelhaften Kindlichen Kaiserin regiert, ist aber durch die verführerische Herrscherin der Leere Xayide bedroht. Bastian beschließt, Phantásien zu retten, und das Amulett "Aurin" – es erfüllt Wünsche, nimmt aber zugleich die Erinnerungen – ist dabei eine Hilfe. Bastian kämpft nicht allein: Zur Seite stehen ihm der Indianerjunge Atreju, der fliegende Glücksdrache Fuchur, der gemütliche Felsenbeißer und der Vogelmensch Nimbley. Als es schon zu spät scheint und die böse Herrscherin fast alle Wünsche und Erinnerungen in ihrer futuristisch aussehenden Wundermaschine in Glaskugeln verwandelt hat, kann der tapfere Junge das Blatt noch einmal wenden.

Der Buchautor Michael Ende hatte sich nach der ersten Verfilmung entschieden von der "Banalisierung" seines Werkes distanziert. Mit der neuen Adaption zeigte er sich dagegen weitgehend zufrieden: "Der Film hat sehr viele Passagen, die mehr Phantásien enthalten, als das im ersten Teil der Fall war. Und obwohl die Handlung des zweiten Teils sich weiter vom Buch entfernt, kommt das Wesentliche der Geschichte stärker zum Ausdruck. Es geht darum, die Fähigkeit zur Phantasie im Menschen anzuregen. Denn dies wird – davon bin ich überzeugt – in unserem Jahrhundert zu einer Überlebensfrage." Weniger gut gefiel Ende laut Presseheft die Besetzung des Helden. Da hätte er sich gewünscht, "dass man mal einen Bastian nimmt, so wie er im Buche steht, also einen kleinen dicklichen hilflosen Jungen und nicht einen, der eigentlich ein ganz patenter Junge ist und nur zu wenig Selbstvertrauen hat".

Sehr überzeugend klingen diese Äußerungen nicht. Denn die beiden Filme unterscheiden sich vom Ansatz her kaum voneinander. Im Vordergrund steht nach wie vor der Augenschmaus, die aufwändige Inszenierung von pompösen Fantasy-Kulissen und mehr oder weniger kitschigen Kunstfiguren mit Hilfe eines großen Teams renommierter internationaler Effekt-Spezialisten. Der Kern der romantischen Fabel, die Rettung der Welt durch die Phantasie, gerät angesichts dieses Aufwands glanzvoller Äußerlichkeiten ins Hintertreffen. In das Bild einer konsequent umgesetzten Ästhetik des Werbefernsehens passt natürlich auch die Besetzung des kindlichen Helden, der einem Reklamespot für hochglanzpolierte Wohnküchen entsprungen sein könnte. Die Rahmengeschichte zeigt den Jungen ja auch in einer solchen hochmodernen amerikanischen Küche, und diese Rahmengeschichte drängt sich auch immer wieder in die Fantasy-Story, die in regelmäßigen Abständen durch Szenen unterbrochen wird, in denen Bastians Vater, ein energischer Ingenieur, seinen verschwundenen Sohn sucht und beim Lesen später selber dessen Abenteuer miterlebt. Diese Illusionsbrechung wirkt jedoch eher störend, da der Vater ohnehin nicht in die eigentliche Handlung eingreifen kann und das Märchen hier in die Untiefen eines seichten Familiendramas abzudriften droht.

Angesichts des Missverhältnisses von Aufwand und Ergebnis stellt sich der tröstliche Eindruck ein, dass man Phantasie auch mit viel Geld nicht kaufen kann. Selbst ein Hollywood-Konzern wie Warner Bros. nicht, den der deutsche Produzent Dieter Geißler als Koproduzent gewinnen konnte, nachdem der von ihm und Bernd Eichinger hergestellte erste Teil der "Unendlichen Geschichte" angeblich insgesamt über 100 Millionen Dollar eingespielt hat. – Ein Tipp für die Ende-Fans: Wer die erste Fassung im Kino gesehen hat, kann sich die Neuauflage schenken. Ein (Wieder-)Lesen des Buches lohnt allemal mehr.

Reinhard Kleber

Hinweis: Offenbar gerade rechtzeitig zum Kino-Start der "unendlichen Geschichte II" ist ein Buch über Michael Ende erschienen: Peter Boccarius: Michael Ende – Der Anfang der Geschichte, Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, München 1990, 320 S., 39,80 DM

 

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