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Ausgabe 48-4/1991

KARIM UND SALA

A KARIM NA SALA

Produktion: Arcadia Films / Les Films du Crepuscule / France Regions 3 (FR3) / ZDF; Burkina Faso / Frankreich / BRD 1991 – Regie und Buch: Idrissa Ouedraogo – Kamera: Pierre-Laurent Chenieux, Dominique Perrier – Schnitt: Pascale Chavance, Sylvie Adnin – Musik: Younoussa Sanfo, Jacob Soubeiga, Luis Rigou, Minimo Garay, Fabricio Fenoglietto – Darsteller: Noufou Ouedraogo (Karim), Roukietou Barry (Sala), Sibido Ouedraogo (Aisha), Hippolyte Wangrawa (Issa) u. a. – Laufzeit: 90 Min.(Kino), 124 Min.(TV-Serie) – Farbe – Weltvertrieb: Arcadia Films, 20 Bd des Filles du Calvaire, F-75011 Paris – Altersempfehlung: ab 8 J.

Anfang 1990 sorgte ein afrikanischer Film zumindest in den Programmkinos für einen Achtungserfolg. Es war der zweite lange Spielfilm, "Yaaba", des schwarzafrikanischen Filmemachers Idrissa Ouedraogo aus dem westafrikanischen Burkina Faso (Kolonialname: Obervolta). Damals erzählte er von der Freundschaft des Jungen Bila und seiner Cousine Nopoko zu der alten Sana, die von allen nur Großmutter (auf Moré: Yaaba) genannt wird. Nun hat Ouedraogo seinen "Entwicklungsroman" à la africain mit dem neuen Film fortgesetzt. Mit den inzwischen zwölfjährigen Hauptdarstellern aus "Yaaba" beschreibt er die Liebe zwischen den beiden Jugendlichen und zugleich die Zerrissenheit des Kontinents zwischen Tradition und Moderne.

Seit sein Vater vor zwei Jahren bei einer Jagd verschwand, lebt Karim mit seiner Mutter bei seinem wenig freundlichen Onkel. Indem er für die Mutter regelmäßig auf dem Markt verkauft, trägt auch Karim zum Lebensunterhalt der Familie bei. Eines Tages wird er bestohlen, traut sich nicht nach Hause, gerät an falsche Freunde und ins Gefängnis. Die gleichaltrige Sala, der er auf dem Weg zum Markt begegnete, besucht ihn und sorgt mit Hilfe der Beziehungen ihres Vaters für seine Entlassung. Das ist aber erst der Anfang dieses recht ereignisreichen, dennoch eher ruhig erzählten neuen Beispiels für die Lebendigkeit dieser hierzulande unbekannten Kinematographie.

Ouedraogo hatte auch schon in seinen bisherigen Filmen eine Vorliebe für starke Kinderfiguren. Ganz abgesehen davon, dass es kaum möglich ist, eine afrikanische Geschichte ohne Kinder zu erzählen; immerhin machen Kinder und Jugendliche – wie in vielen Ländern der Dritten Welt – zuweilen über 50 Prozent der Bevölkerung aus. So waren es in "Yaaba" gleich zwei Kinder, die sich gemeinsam mit der alten Sana gegen die traditionalistischen Männer durchsetzten. "Karim und Sala" ist Ouedraogos erster Spielfilm, der sich direkt an ein Kinderpublikum ab etwa 8 Jahren wendet.

In ruhigen Bildern und langen Totalen erzählt er hier den Kindern der Welt vom Leben auf dem Land und in der Stadt, und vom allgegenwärtigen Widerspruch zwischen Tradition und Moderne. Dabei ist er kein glühender Verfechter traditioneller Lebensweisen; er sieht durchaus auch die negativen Seiten und weiß, dass der Weg in die Moderne auch für Afrika unverzichtbar ist. Er versucht "nur" zu erreichen, dass auf diesem Weg nicht die eigene Identität und Würde verloren gehen. So ist auch sein Blick auf die Stadt recht zwiespältig: Karims erste Stadterlebnisse führen ihn immerhin ins Gefängnis. Dennoch wird er am Schluss – vor die Wahl zwischen Stadt (Schule) und Land (Mutter) gestellt – seine Chance in der Stadt suchen (müssen).

Vergleicht man die Filme Ouedraogos mit denen seiner afrikanischen Kollegen, so fällt auf, dass in ihnen – für afrikanische Verhältnisse – recht wenig gesprochen wird. Der Filmemacher verfolgt damit vor allem das Anliegen universeller Verständlichkeit (in Afrika werden in manchen Ländern über 50 Dialekte und Sprachen gesprochen). Der – in der europäischen Kinofassung – mit Jazzmusik von Miriam Makeba unterlegte Film vermag jedoch leider nicht immer zu überzeugen. So mancher Sequenz merkt man an, dass sie eigentlich noch länger hätte dauern sollen, und einige Schnitte sind sehr abrupt.

Auch wenn der Film nicht die Geschlossenheit von "Yaaba" erreicht, ist er immer noch besser als Hollywoods Gehirnpopcorn, aber auch viele europäische Produktionen. Was vor dem Hintergrund der immensen technischen, logistischen und finanziellen Probleme, mit denen sich afrikanische Filmemacher konfrontiert sehen, ja schon ein Wunder für sich ist. Ouedraogo hat versucht, der Übermacht des US-amerikanischen und indischen Kinos Paroli zu bieten und sich auch auf – durchaus eigenständige und nicht aufgesetzt wirkende – "Konzessionen" an Sehgewohnheiten eingelassen.

Lutz Gräfe

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 48-4/1991 - Interview - Der Blick aus dem Inneren einer anderen Kultur

 

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