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Ausgabe 92-4/2002

DAS JAHR DER ERSTEN KÃœSSE

Produktion: D&D Film- und Fernsehproduktion / Buena Vista International; Deutschland 2002 – Regie: Kai Wessel – Buch: Sathyan Ramesh – Kamera: Hagen Bogdanski – Schnitt: Tina Freitag – Musik: Gerry Arling, Richard Cameron – Darsteller: Oliver Korritke (Tristan, erwachsen), Max Mauff (Tristan, jung), Diane Siemons-Willems (Kerstin), Luana Bellinghausen (Simone), Thomas Drechsel (Specki), Johanna ter Steege (Tristans Mutter), Michael Godde (Streusel) u.a. – Länge: 98 Min. – Farbe – FSK: o.A. – Verleih: Buena Vista (35mm) – Altersempfehlung: ab 12 J.

Der renommierte Fernsehregisseur Kai Wessel (u.a. "Victor Klemperer", "Hat er Arbeit") ist einer der wenigen deutschen Filmemacher, der sich im Kino regelmäßig des vernachlässigten Kinder- und Jugendfilmgenres annimmt. Nach seiner einfühlsam erzählten Geschichte vom Heranreifen eines elfjährigen Mädchens ("Das Sommeralbum"; KJK 50/1992) und dem spannenden Öko-Kinderkrimi "Die Spur der roten Fässer" (KJK 66/1996) wirft er jetzt einen Blick auf die Pubertätsnöte Jugendlicher. Da auch sein Drehbuchautor, der ehemalige Filmkritiker Sathyan Ramesh, wie Kai Wessel 1968 geboren wurde, lag es wohl nahe, die eigene Jugendzeit in den 80er Jahren zum Thema zu machen.

Wehmütig erinnert sich Tristan, der gerade seine tödlich verunglückte Frau Kerstin zu Grabe getragen hat, an jene Jahre, als alles begann. Er war 15, als ihm seine Eltern eröffneten, dass ihre Ehe gescheitert sei. Während sein Vater ins Ausland geht, soll er mit der Mutter in ein entlegenes Kaff ziehen – und das ausgerechnet jetzt, wo er sich in seine Klassenkameradin Kerstin verliebt hat, die in ihm aber nur einen aus ihrer Clique sieht. Er versucht, bei der "reiferen" Judith zu landen und schreibt sich für die Theater-AG ein, obwohl ihm keine schauspielerischen Talente nachgesagt werden – aber auch Judith hegt Hintergedanken, besucht sie den Kurs doch nur, um ihren Deutschlehrer zu bezirzen. Trotzdem gibt sie Tristan einige Ratschläge mit auf den Lebensweg. Auch die Freunde Tümai und Specki reden ihm ins Gewissen, nicht immer nur den verständnisvollen Freund zu geben. Doch selbst die wildesten Partys bringen nicht den gewünschten Erfolg. Als Tristan erfährt, dass seine Klassenkameradin Simone von ihrem Vater misshandelt wird, stellt er diesen nach der Premiere ihres Theaterstücks zur Rede. Dafür bekommt er zwar eins auf die Nase, erreicht aber, dass sich Simones Mutter endlich schützend vor ihre Tochter stellt. Auch in Kerstins Achtung steigt Tristan gewaltig; umso trauriger ist er, als sie nicht zu seiner Verabschiedung erscheint.
Schon der Titel klingt poetisch. Von pubertären US-Vorbildern wie "American Pie" oder deutschen Teenie-Klamotten à la "Harte Jungs" ist "Das Jahr der ersten Küsse" weit entfernt. Über Wessels Film liegt eher der Charme französischer Initationsgeschichten. Nicht von ungefähr erinnern Max Mauff wie sein erwachsenes Pendant Oliver Korritke an den jungenhaft wirkenden Jean-Pierre Léaud, der es in Truffauts Antoine-Doinel-Filmen stets mit reiferen Frauen versuchte. Auch hier wirkt die Debütantin Diane Simons-Willems eigentlich eine Nummer zu groß für den verhuschten Tristan, so dass es schon einiger Fantasie bedarf, sie sich als künftiges Ehepaar vorzustellen. Doch das einfühlsam geführte Ensemble wiegt dieses Manko mit authentischen Darstellungen immer wieder auf.

Diese Authentizität setzt sich auch im Drehbuch fort, das im Einklang mit der liebevollen Ausstattung die Jugendzeit der 80er Jahre auferstehen lässt, ohne sie um bloßer Gags willen zu verraten. Szenen wie Tristans exzessive Onanie-Manie oder jenes Pfänderspiel, das statt der erhofften nackten Mädchen die Jungs im Adamskostüm erscheinen lässt, sind fern jeden voyeuristischen Blickwinkels inszeniert. Es gibt keinen Augenblick der Peinlichkeit in dieser "Coming-of-Age"-Geschichte, die dank präzis besetzter Charaktere auch die Nebenrollen der Erwachsenen nicht zum Klischee verkommen lässt; großartig vor allem die Niederländerin Johanna ter Steege als Tristans Mutter, die seine Pubertätsnöte mit humorvollem Verständnis begleitet.

"Das Jahr der ersten Küsse" ist ein wehmütig-nostalgischer Rückblick auf die Jugendzeit der 80er Jahre, der durch ein genaues Drehbuch, authentische Darsteller und eine einfühlsame Inszenierung überzeugt, während der Film in der optischen Gestaltung eher selten Kinoqualität erreicht.

Rolf-Ruediger Hamacher

 

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