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Ausgabe 82-2/2000

DER BÄR IST LOS

Produktion: Perathon Film / Senator Film / Studio Sirotek Prag; Bundesrepublik Deutschland / Tschechische Republik 1999 – Regie: Dana Vávrová – Buch: Christoph Stark, Jochen Bitzer – Kamera: Peter von Haller – Schnitt: Norbert Herzner – Musik: Petr Hapka – Darsteller: Janina Vilsmaier (Julia), Max Riemelt (Tom), Frantisek Pechácek (Jirka), Teresa Vilsmaier (Anna), Josefina Vilsmaier (Alexandra) – Länge: 95 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Senator – Alterseignung: ab 6 J.

Julia ist alles andere als begeistert davon, dass ihr Vater sie zu ihrer Mutter in den Böhmerwald abschiebt, wäre sie doch viel lieber mit ihm ins exotisch-ferne China gefahren als alleine auf dem spießigen Land zu versauern. Denn für sie als echte Berliner Göre zählt landschaftliche Schönheit nun wirklich nicht viel. Noch bevor sie ihr Ziel in dem kleinen tschechischen Städtchen erreichen, werden sie Zeuge des Unfalls eines kleinen Wanderzirkus, das diesen zwingt, ebenfalls im Ort Station zu machen. Bei ihrer Mutter angekommen, muss Julia feststellen, dass ihr gewohntes Zimmer nun von einem Jäger (Heinrich Schafmeister in einer Paraderolle) aus dem Westen belegt ist und sie in der Kammer schlafen soll; etwas, das ihrer Laune nicht gerade förderlich ist. Und auch sonst hat Julia das (nicht unberechtigte Gefühl), dass dieser Jäger ihrer Mutter momentan wichtiger ist als die eigene Tochter. Dafür gibt es gute Gründe, denn wenn der Jäger anständiges Wild findet, will er aus Mutters Hotel ein Jagdhotel machen, was nicht nur ihr, sondern auch dem Ort dringend benötigte Einnahmen aus dem Tourismus verschaffen würde.

Doch mit dem Wild ist's im Böhmerwald nicht so weit her. Das soll sich bald ändern. Denn weil ja sonst nix los ist in dem öden Kaff, geht Julia den kleinen Zirkus anschauen, der zwischenzeitlich ebenfalls im Dorf angekommen ist. Dort trifft sie auf Tom, den Sohn des cholerischen Direktors (Armin Rohde in einer hübschen Nebenrolle), der schon beim Unfall ein Auge auf sie geworfen hatte. Als Tom Julia imponieren will, nutzt das der zirkuseigene Bär zu einem erfolgreichen Fluchtversuch. Von nun an geht's rund: Der Jäger sichtet den Bären und ist natürlich ganz wild auf diese unerwartete Trophäe. Die Dorfbewohner wittern ihre Chance auf das große Geschäft mit dem Tourismus. Die Zirkusleute wollen ihren Bären unbedingt zurück und zwar lebend und die Kinder von Zirkus und Dorf tun sich zusammen und hauen gemeinsam ab, um den Bären vor dem finsteren Jäger zu schützen. Was wiederum die Erwachsenen auf den Plan bringt, die sich voller Sorge auf die Suche nach den verschwundenen Kindern machen.

Sommer im Böhmerwald, Kinder, Tiere und die eine oder andere kleine und auch große Liebe sind die Ingredienzen dieses Films für alle ab sechs, bei dem sich die frühere Kinderdarstellerin Dana Vávrová von der Art Filmen inspirieren lassen wollte, in denen sie selbst als Kind mitgespielt hatte. Doch das Ergebnis ist leider unbefriedigend. Zwar findet der Kenner so manches Motiv klassischer Kinderfilme der früheren CSSR wieder und oft kann man direkt den Film benennen, aus dem es stammt; doch gelingt es der Regisseurin nicht im Ansatz, den Zauber dieser Produktionen lebendig werden zu lassen. Stattdessen gibt es für jeden etwas: für die ganz Kleinen putzige Tiere und ein wenig Slapstick, für die Kids eine nette kleine Love-Story mit ein paar Eifersuchtsgeplänkeln und für die Großen die wirklich hübsche Liebesgeschichte zwischen der stummen Briefträgerin (Dana Vávrová) und dem hünenhaften Zirkusmenschen. Hinzu kommen ein paar einfallsreiche Running gags, deren besten sich Frau Vávrová auf den eigenen Leib geschrieben hat: Die Briefträgerin ist nicht nur stumm, sie kann auch nicht Rad fahren, was in ihrem Job natürlich nicht gerade vorteilhaft ist, aber in dem Dorf offenbar Einstellungsvoraussetzung zu sein scheint. Denn als sie am Ende mit dem Zirkus die Stadt verlässt, sehen wir ihren Nachfolger, der vor jeder Kurve anhalten muss, um das Rad in die richtige Richtung zu drehen. Doch derlei Einfälle sind Mangelware. Über weite Strecken herrschen Klischee und betuliche Langeweile.

Zudem werden die gar netten Töchter der Familie Vilsmaier zu oft ins Bild gerückt, so als könnten Mutter als Regisseurin und Vater Joseph als ausführender Produzent sich vor lauter Begeisterung über das unbestreitbare Talent ihrer Kinder gar nicht mehr einkriegen. Doch spätestens, wenn der Bär zum Motor der Handlung wird, offenbart sich die Dürftigkeit derselben: Weil den Beteiligten außer Altbekanntem wie "Bär plündert Laden" oder "harmloser Bär 'jagt' unwissende Menschen" kaum was eingefallen ist, werden diese eigentlich ganz witzigen Momente so ausgedehnt, dass sich auch der geduldigste Zuschauer langweilen muss. Und so bleibt am Ende ein gerade eben erträglicher Film für Leute nicht über acht Jahren – in dem die Kleinen schon vom Sommer träumen können, den man aber nicht unbedingt gesehen haben muss. Da nutzt es auch nichts, dass hier – selten genug – gleich ein paar starke Mädchen in tragenden Rollen zu sehen sind. Wobei die Beteiligten offenbar viel Spaß bei der Arbeit hatten, der sich aber kaum aufs Publikum überträgt; zumal der Film auch visuell bis auf ein paar gelungene Überblendungen wenig zu bieten hat.

Lutz Gräfe

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 82-2/2000 - Interview - Kinder sind die wahren Helden

 

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