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Ausgabe 92-4/2002

KINDER DES ÖLS

BACHEHAYE NAFT

Produktion: KANOON (Institute for the Intellectual Development of Children and Young Adults); Iran 2001 – Regie: Ebrahim Forouzesh – Buch: Ali Saheli – Kamera: Behzad Ali¬Abadian – Schnitt: Bahram Dehghani – Musik: Behnam Soboudi – Darsteller: Milad Rezaei, Azar Khosravi, Milad Shadi, Nasrin Boustan u.a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Weltvertrieb: International Affairs of KANOON, P. O. Box 14145/136, Tehran, Iran, Tel. 0098-21-8967392, Fax 0098-21-8821121, e-mail: intl_affairs@jamejam.net – Altersempfehlung: ab 12 J.

Karges Land, kaum Vegetation, im Hintergrund Berge – mit wenigen Totalen und Schwenks beschreibt die Kamera zu Beginn des Films den geografischen Standort im Süden des Iran. Ein armseliges kleines Dorf mit Hütten aus Stein und Lehm kommt ins Blickfeld. In starkem Kontrast zu dieser archaischen Topografie stehen geständerte Metallröhren, die das Dorf durchziehen und es von allen Seiten umklammern. Ein Junge läuft barfuß auf einer dieser Röhren und das rhythmische Geräusch seiner Schritte beherrscht minutenlang die Szene. Die Röhren gehören einer Ölfördergesellschaft, die das Leben im Dorf radikal verändert hat.

In diesem trostlosen Ambiente lebt Ismael, ein zehnjähriger Junge, mit seiner Familie in Armut. Ismaels Vater ist im fernen Kuwait, um Geld zu verdienen. Von ihm gibt es seit längerem kein Lebenszeichen. Ismaels Mutter sorgt für den Lebensunterhalt der Familie. Mit anderen Frauen des Dorfes schöpft sie das aus den Röhren ausgetretene Öl in Kanister, um es als Brennmaterial zu verkaufen. Aber der Ertrag ist gering. Ismael versucht nach Kräften, der Mutter zu helfen. Er fährt per Anhalter zu seinem Onkel an der nahen Küste, um ihn um Unterstützung zu bitten – vergeblich. Auch der Diebstahl von Blumen aus den Gärten der ausländischen Ölarbeiter bringt ihm nur wenig Gewinn, ebenso wie der Raub des an einen Nachbarn verpfändeten Maultiers. In seiner Verzweiflung plant Ismael schließlich einen letzten Versuch an Geld zu kommen: Er wettet mit seinen Freunden, die hoch über einen Talausschnitt laufende geländerlose Röhrenbrücke zu Fuß zu überqueren. Ein gefährliches Unterfangen, bei dem bereits andere verunglückt sind. Die Freunde sammeln Geld für die Wette, raten ihm aber gleichzeitig von seinem Vorhaben ab. Ismael lässt sich nicht beirren und in einer langen, spannenden Sequenz beschreibt der Film, wie Ismael das Wagnis unternimmt und schließlich siegt. Doch die letzte Einstellung ist kein Happy End: Ismaels Familie verlässt das Dorf in eine ungewisse Zukunft.

Kinderfilme aus dem Iran erfreuen sich bei uns seit Jahren einer besonderen Beachtung und Wertschätzung. Sie zeichnen sich durch gute Drehbücher, sorgfältige Regie, beeindruckende Darsteller (oft Laien) und durch großen Ernst in der Umsetzung ihrer Geschichten aus. Humor oder gar Komik kommen als entlastende Momente sehr selten vor. Die staatlich oder zumindest halbstaatlich gelenkte Kinderfilmproduktion braucht keine Rücksicht zu nehmen auf modische Trends oder kommerzielle Einspielergebnisse. Die Kinderfilme werden ausschließlich für das heimische Publikum produziert und haben alle eine im positiven Sinne konsequent erzieherische Zielsetzung. Die "Helden" dieser Filme sind Kinder in schwierigen oder – wie in diesem Film – extrem bedrohlichen Situationen, deren Bewältigung minutiös beschrieben wird. Hervorzuheben ist, dass eine penetrant politische oder religiöse Indoktrination vermieden wird. Immer haben die Helden eine Vorbildfunktion, die aber nicht zeigefingerhaft oktroyiert wird, sondern sich aus der Filmhandlung folgerichtig ergibt.

Im Film "Kinder des Öls" ist der Junge Ismael so ein positiver Held, dessen Wunsch es ist, seiner in Not geratenen Familie zu helfen. Er nimmt dabei Diebstahl in Kauf, weil er sich nicht anders zu helfen weiß (allerdings entschuldigt er sich dafür in einem Gebet; er weiß also, dass er Unrecht tut). Er setzt sogar, als nichts anderes mehr hilft, sein Leben aufs Spiel. Jede Schönfärberei gesellschaftlicher Missstände wird in den iranischen Kinderfilmen vermieden. So wird zum Beispiel in diesem Film unausgesprochen, aber unübersehbar Kritik an der Ausbeutung natürlicher Ressourcen (Öl) auf Kosten der einheimischen Bevölkerung geübt.

Es ist sicher abzusehen, dass iranische Kinderfilme wegen ihrer Sonderstellung bei uns kaum kommerzielle Erfolge erwarten lassen (wie etwa Kinderfilme aus Skandinavien). Umso mehr ist anzuerkennen, dass internationale Festivals sie in ihr Wettbewerbsprogramm nehmen, wo sie auch Preise gewinnen. Und es ist zu wünschen, dass sich nichtgewerbliche Verleiher bereit finden, sie für die politische und kulturelle Jugendbildung anzubieten.

Bernd Lindner

 

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