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Ausgabe 90-2/2002

HEARTS IN ATLANTIS

Produktion: Castle Rock Entertainment; USA 2001 – Regie: Scott Hicks – Drehbuch: William Godman, nach Geschichten aus Stephen Kings "Atlantis" – Kamera: Piotr Sobocinski – Schnitt: Pip Karmel – Musik: Miyhael Danna – Darsteller: Anthony Hopkins (Ted Brautigan), Anton Yelchin (Bobby Garfield), Hope Davis (Liz Garfield), Mika Boreem (Carol Gerber) – Länge: 101 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Warner Brothers (35mm) – Altersempfehlung: ab 14 J.

So mancher wird sich vielleicht noch an die stimmungsvolle "coming of age"-Geschichte "Stand By Me – Geheimnis eines Sommers" von Rob Reiner erinnern, die 1987 in die deutschen Kinos kam. Diese ungewöhnliche Stephen King-Verfilmung spielte Ende der 50er-Jahre und erzählte von vier zwölfjährigen Jungs, die in den Wäldern Oregons nach einer Leiche suchen. Zwar geht es diesmal nicht um eine Leiche und dennoch hat Scott Hicks' Film ähnliche Stärken wie seinerzeit Reiners kleines Meisterwerk.

Als der Fotograf Bobby Garfield vom Tod eines Freundes aus alten Kindertagen erfährt, kehrt er zu dessen Begräbnis in seine alte Heimat zurück und erinnert sich an den Sommer 1960, als er elf Jahre alt war: Er lebt mit seiner Mutter in einem Haus in einer typisch amerikanischen Kleinstadt. Von seinem Vater weiß er nichts und seine Mutter will ihm auch nichts darüber erzählen, wie sie überhaupt mehr mit sich selbst als mit ihrem Sohn beschäftigt ist. Dieser muss an seinem 11. Geburtstag eine herbe Enttäuschung erleben. Statt des begehrten Fahrrades schenkt ihm seine Mutter nur einen Ausweis für die Stadtbücherei. Doch bald schon soll sich alles ändern, denn die Wohnung über den Garfields bekommt einen neuen Mieter: Ted Brautigan, ein freundlicher, aber seltsamer Mann, der alsbald schon zu Bobbys väterlichem Freund wird. Brautigan hört Bobby zu und gibt ihm auch Arbeit und damit die Möglichkeit, selbst Geld für das geliebte Fahrrad anzusparen. Zunächst soll er ihm nur aus der Zeitung vorlesen, bald aber schon soll er Brautigan warnen. Denn dieser fühlt sich von geheimnisvollen Mächten verfolgt und scheint auch über unheimliche Fähigkeiten zu verfügen. Mehr als einmal scheint er tatsächlich die Gedanken und Wünsche derer zu kennen, die ihn umgeben und er kann kommende Gefahren vorausahnen.

Auch wenn Bobbys Mutter die Nähe zwischen dem geheimnisvollen Fremden und ihrem Sohn etwas unheimlich wird, kann sie die wachsende Freundschaft zwischen den beiden nicht verhindern. Außerdem kommt Ted ihr ganz gelegen, kann sie dadurch auch mal ein Wochenende mit ihrem Chef auf eine Tagung fahren und vielleicht auch beruflich aufsteigen. Doch der will nur Sex von ihr und vergewaltigt sie in ihrem Hotelzimmer. Als kurze Zeit später Carol von einem der älteren Jungs im Wald überfallen wird und Ted sie versorgen will, kommt sie dazu, missversteht die Situation und weist ihn aus dem Haus. Und wenn am Ende Bobby Zeuge wird, wie Ted tatsächlich von Männern in schwarzen Autos (FBI?) entführt wird, dann bekommt die Geschichte den Touch eines Mystery-Thrillers. Wer weiß: Vielleicht war Ted ja wirklich ein Telepath in Diensten der Regierung und entkam aus irgendeiner geheimen Forschungsstätte. Zurück in der Gegenwart begegnet Bobby Carols fast erwachsener Tochter und muss erfahren, dass auch seine erste Liebe inzwischen gestorben ist.

Der Regisseur Scott Hicks ist Freunden des Kinderfilms hierzulande ja schon länger bekannt, gewann er doch 1989 in Frankfurt einen LUCAS für seinen Film "Sebastian und der Spatz". Die Stephen King-Adaption "Hearts in Atlantis" beweist erneut seine Stärke, für jedes Gefühl und jede Situation das richtige Bild, die passende Montage und den exakten Bildfluss zu finden. Wozu auch der vor einem Jahr verstorbene Kameramann Piotr Sobocinski seinen Teil beitrug. Das Ergebnis ist ein atmosphärisch extrem dichter Film, der einen so schnell nicht wieder loslässt und auf intensive Weise die Stimmung in den USA der frühen 60er/späten 50er evoziert. Noch regiert die Paranoia des Kalten Krieges, und als sich herausstellt, dass Brautigan tatsächlich verfolgt wird, überrascht das überhaupt nicht, wirkt weder aufgesetzt noch unwahrscheinlich, sondern fügt sich harmonisch ins Geschehen ein. Das liegt natürlich auch an der Vorlage, denn Stephen King war schon immer dann besonders gut, wenn sein Horror nicht aus irgendwelchen Monstern jenseits der Wirklichkeit entspringt, sondern sich allmählich im ganz realen Alltag manifestiert. Es sind aber vor allem die intensiven und glaubwürdigen Darsteller, die diesen Film zu einem Erlebnis machen.

"Hearts in Atlantis" ist ein Film, der ohne Brüche die Übergänge von coming of age zu Mystery und zurück schafft, ja beides auf geniale Weise miteinander verbindet und ganz nebenbei eine schöne Liebesgeschichte unter Kindern erzählt. Eine weniger nostalgische als anrührende Story vom Ende der Kindheit, die nicht von ungefähr gelegentlich an "Stand By Me" erinnert, auch in den kurzen, aber durchaus heftigen Gewaltszenen.

Lutz Gräfe

 

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