Produktion: Studio Hamburg; Deutschland 2002 – Regie: Oliver Dommenget – Buch: Astrid Ströher – Kamera: Georgij Pestov – Schnitt: Monika Schuchard – Musik: Jens Langbein, Robert Schulte Hemming – Darsteller: Sarah Hannemann (Emma), Nick Seidensticker (Mickey), Philipp Blank (Vierauge), Pinkas Baun (Albert Tartov), Nina Petri (Emmas Mutter), Dominique Horwitz (Mickeys Vater Olaf), Tanja Schumann (Lehrerin) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – FBW: wertvoll – Verleih: MFA FilmDistribution (35mm) – Altersempfehlung: ab 8 J.
Die Idee ist wirklich gut. Im Song zum Film hört sie sich so an: "Ich bin du und du bist ich, nur für einen Tag, wäre das nicht genial?". Die immer wiederkehrende Frage an den anderen, wer bist du, könnte so vielleicht eindeutig beantwortet werden. Wir wissen, im realen Leben wird dies immer eine Fiktion bleiben. Doch die Kunst kann damit spielen, sie kann Modelle und Variationen zum Thema schaffen, die für den Rezipienten Vergleichsmöglichkeiten bieten. Die zauberhafte Welt des Films ist für den Umgang mit solchen Fragen besonders prädestiniert. Welche optischen Möglichkeiten gibt es nicht alle, um die Wanderung einer Seele in einen anderen Körper sinnlich zu gestalten? Eine Variante liegt im allgemeinen Harry Potter-Fieber augenscheinlich besonders im Trend. Es ist die Zauberei.
"Magia lunaris mutander – sei ein anderer!", so lautet der entsprechende Schlüsselsatz in Oliver Dommengets Debütfilm. Der Körper der elfjährigen Emma verwandelt sich in den ihres Mitschülers Mickey und umgekehrt findet sich Mickey als Emma wieder. Doch nun müsste das Spiel mit der jeweils anderen Identität beginnen. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich stattdessen auf die Frage, wie die Verwandlung rückgängig gemacht werden kann. Hierbei steht dann eine ganz andere Person im Mittelpunkt, nämlich Emmas Freund "Vierauge". Der hatte beim Spiel am See in der Tasche eines alten Mantels ein Zauberbuch gefunden und angefangen, damit zu experimentieren. So war die Verwandlung von Emma und Mickey möglich geworden. Der eigentliche Besitzer des Buches, der 126-jährige Zauberer Albert Tartov, versucht aber, sein Eigentum zurückzubekommen. Als ihm das gelingt, stehen die Kinder vor einem großen Problem. Sie müssen in 54 Stunden Tartov finden, um den Zauber wieder lösen zu können. Als ihnen das schließlich gelingt, stellt sich heraus, dass der Zauberer nicht die ersehnte Ruhe finden kann, weil er bisher für sich keinen geeigneten Nachfolger gefunden hat. Was läge nun näher, als dass mit "Vierauge" der geeignete Lehrling aufgetaucht war. Damit hat dieser eine interessante Entwicklung genommen, doch mit dem eigentlichen Thema des Films hat das wenig zu tun. Aus der Vertauschung der Körper von Emma und Mickey haben sich ein paar interessante Späße ergeben, Erkenntnisse über den jeweils anderen wurden allenfalls postuliert, aber nie erfahren.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die begabten Kinderdarsteller kaum emotionale Ausstrahlung entwickeln und damit auch nicht zu Identifikationsfiguren für die Zuschauer werden können. Es bleibt einfach unklar, aus welcher Sicht die Geschichte erzählt wird. Die damit verbundene Zerrissenheit wird noch verstärkt durch eine überzeichnete Typisierung der Erwachsenen. Hier werden Klischees aufgebaut, die emotionale Distanz schaffen und damit genau das Gegenteil dessen erreichen, was einen Film nicht nur für Kinder ausmachen sollte. Selbst Stars wie Nina Petri oder Dominique Horwitz können aus dem, was ihnen hier vorgegebenen wurde, auch nur ansatzweise lebendige Filmfiguren machen. Schlimmer noch ist die Lehrerin und erst recht der Schwimmtrainer. Sie sind einfach als Knallchargen gezeichnet, die noch nicht einmal für einen guten Scherz herhalten können. Richtig ärgerlich ist, dass mit Emmas Schwimmkonkurrentin Michelle auch ein Kind in die Reihe der einseitig negativ abgestempelten Figuren gestellt wird. Dieses Mädchen wird so unerträglich ehrgeizig gezeigt, dass man als Zuschauer ihr irgendwie helfen möchte, nur um dieses Elend nicht mehr sehen zu müssen.
Der Film, der mit der Vertauschung der Körper eines Jungen und eines Mädchens beginnt, einen ruhelos umherirrenden Zauberer sowie ein ganzes Panoptikum bedauernswerter Erwachsener zeigt und schließlich einen Zauberlehrling hervorbringt, kann konsequenterweise nicht mit einem Gedanken enden. Es sind so viele Handlungsstränge aufgebaut worden, dass schließlich ein ganzer Lösungsfächer gezeigt werden muss. Tartov findet Ruhe bei seiner als Phantom umhergeisternden Helena, nachdem "Vierauge" seine Nachfolge angetreten hat. Emmas Mutter erkennt, dass ihr Kind seine eigenen Träume braucht. Mickeys Malervater erfährt durch den Sohn, was seiner Kunst fehlt, damit sie kommerziell erfolgreich ist. Die Lehrerin wird wieder 11, um sich in Kinder hineinversetzen zu können und Emma und Mickey schließen Freundschaft. Und das eigentliche Thema des Films? Es wird mitnichten vergessen. Es wird mehr als deutlich benannt im Song über dem Abspann.
"Hilfe, ich bin ein Junge" war im Programm des Kinderfilmfestes der Berlinale 2002 die einzige deutsche Produktion. Doch was hat in diesem Fall nicht funktioniert? In den letzten Jahren wird hierzulande sehr viel für die Kinderdrehbuchförderung getan. Daran sollte es also nicht liegen. Man kann auch voraussetzen, dass es Geld für Kinderfilme gibt. Was ist es dann? Vielleicht liegt es einfach daran, dass auch denen, die Filme machen, wie vielen anderen in unserer Gesellschaft der Bezug zur wirklichen Lebenswelt der Kinder verloren gegangen ist. Das Kind wurde zur abstrakten Größe. Man weiß nicht mehr, wie Kinder sprechen, wie sie fühlen, was ihre Probleme und Sehnsüchte sind. Vielleicht sollte eine Location-Tour der Filmfördereinrichtungen einmal durch Kindertagesstätten und Schulen, auf Spielplätze, in Großfamilien und Kinderheime führen.
Klaus-Dieter Felsmann
Zu diesem Film siehe auch:
KJK 90-2/2002 - Kinder-Film-Kritik - Hilfe, ich bin ein Junge!
HILFE, ICH BIN EIN JUNGE! im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.
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