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Ausgabe 90-2/2002

Kurzfilme Kinderfilmfest Berlin 2002

(Hintergrund zum Film WAR GAME und zum Film TORNEHEKKEN)

Eine Lerche steigt jubilierend in den Himmel auf, an dem sich drohende Wolken zusammenziehen. Rollender Donner mischt sich mit den Stimmen fußballbegeisterter Jungs. Sie spielen ihr letztes Spiel in Suffolk, bevor sie dem Ruf der Werber folgen und für die britische Krone in den Krieg ziehen. Zwar zögert Will, der Jüngste, doch dann stürzt er sich wie sein Bruder und die anderen Fußballkameraden in das vermeintliche Abenteuer. Nur Mutter und Schwester ahnen, was dieser Abschied bedeutet.

Ein verirrtes Vögelchen in den Schützengräben von Flandern erinnert noch an zu Hause. Entbehrungen, Gefahren, Ängste haben längst die anfängliche Unbekümmertheit der jungen Männer erstickt. Da weht in der Weihnachtsnacht deutscher Gesang über das Schlachtfeld. Am Morgen schweigen die Waffen. Ein Fußball rollt zwischen die Linien und plötzlich stehen sich Engländer und Deutsche im friedlichen Match gegenüber. Schrille Telefone der Oberkommandos setzen dem "Fraternisieren" ein Ende. Das grausame Spiel von Attacke und Gegenattacke beginnt. Kein Schiedsrichter kann eingreifen. Zurück bleibt Will. In einem Krater teilt er seinen letzten Schluck Wasser mit einem sterbenden Deutschen. Dann ist nur noch der Himmel über ihm mit einem gleißenden Ball und der warmen Stimme seiner Schwester.

Der Zeichentrickfilm "War Game" wirkte im Kurzfilmprogramm des Berlinale-Kinderfilmfestes wie ein Schock. Üblicherweise werden vom Animationsprogramm für Kinder "Spaß machende" Filme erwartet. Ernsthaftes, Anspruchsvolles wohl auch, doch nicht diese direkte Stellungnahme zu den brennendsten Fragen unserer Tage. Der britische Regisseur und Autor Dave Unwin, vielfach ausgezeichneter Meister seines Fachs, der mit traditionellen Stoffen für das Fernsehen ("Wind in the Willows", "Father Christmas") brillierte, bezieht gemeinsam mit seinem Produzenten Iain Harvey eine anklagende Position gegen den Krieg. Alle Zweifel, ob mit dem Trickfilm solche Thematik für Kinder aufgegriffen werden kann, zerstreut er energisch. Der sensible Einsatz aller künstlerischen Mittel, von der Dramaturgie über die Musik bis zur eindringlichen bildlichen und sprachlichen Gestaltung (Kate Winslet als Stimme von Mutter und Schwester), gibt ihm Recht.

Unwin adaptiert das vor etwa zwölf Jahren in England erschienene Bilderbuch von Michael Foreman, das auf einer wahren Begebenheit aus dem Ersten Weltkrieg beruht. Er übernimmt die gemalten Hintergründe des Buches, vereinfacht Gesichter und Charaktere für die sorgfältige Animation, die klassisch per Hand mit Computercolorierung ausgeführt wird. Das Besondere dieses Films ist seine Realitätsnähe. Dabei vermeidet Unwin jede vordergründige Darstellung von Grausamkeiten. Sein zeichnerischer Stil wechselt bei der Vernichtungsschlacht in schemenhaftes Schwarz-weiß. Die künstlerische Abstraktion erhöht beim wissenden Zuschauer die Symbolkraft der Bilder. Für Kinder ist eine Nachbereitung wünschenswert.

Auch bei dem zweiten thematisch herausragenden Kurzfilm der diesjährigen Berlinale, Anita Killis Kriegsgeschichte "Tornehekken" (Dornenhecke), basierend auf dem Buch "Flon Flon et Musette" der französischen Autorin Elzbieta, scheint es angebracht, Kinder mit dem Filmerlebnis nicht allein zu lassen. Die Identifikation wird jüngeren Zuschauern jedoch erleichtert durch eine poetische Erzählweise. Vermenschlichte Tiere agieren in einer anrührenden Geschichte.

Florian und Malene, zwei Hasenkinder, freunden sich an beim Spielen am Bach und träumen sogar von ihrer Hochzeit. Eines Tages ist Krieg. Der Bach wird zur unüberwindlichen Grenze. Die Kinder dürfen sich nicht mehr sehen, denn sie gehören zu verschiedenen Seiten. Florians Vater geht an die Front. Ängstlich wartet der kleine Hasenjunge mit seiner Mutter auf das Ende der Verwüstung rundum. Als der Vater verwundet nach Hause kommt, erfährt Florian, dass "der Krieg nie stirbt. Er schläft nur manchmal. Man darf ihn nicht wecken." Trotz Ruinen und Stacheldraht wagt sich Florian an den vertrauten Bach und findet den Weg zu seiner Malene.

Die Märchenform des Animationsfilms schafft einen wohltuenden Abstand zu der klaren Aussage und den brisanten Vorgängen, ohne sie zu beschönigen. Dreizehn spannende Minuten lösen Assoziationen zu überwundenen und wieder aktuell gewordenen Ereignissen aus. Den Krieg stellt die norwegische Regisseurin in hoher Verallgemeinerung dar als Schatten eines Flugzeugs, aber auch als Kampf der Hasen mit Feuer und Schwert auf jagenden Pferden. Große Gefühle werden in kleinen Details ausgedrückt.

Anita Killi, bereits 2000 mit dem farbenfrohen Lege-Trick "Der König, der mehr wollte als eine Krone" in Berlin vertreten, verwendet diesmal ungewöhnliche Materialien wie gerissene Pappe, Tapeten, Stoff, Sand und schlichten Zeichentrick. Sie ist in Personalunion Regisseurin, Autorin, Animatorin, Designerin und führt die Kamera. Ihr kleines Kunstwerk "Dornenhecke" wurde mit einer lobenden Erwähnung der Kinderjury bedacht.

Beate Hanspach

 

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