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Ausgabe 90-2/2002

"Ich möchte nicht als Katzen-Regisseur berühmt werden"

Gespräch mit Vincent Bal über seinen Film "Die geheimnisvolle Minusch"

(Interview zum Film DIE GEHEIMNISVOLLE MINUSCH)

KJK: Erste Frage: Haben Sie selbst Katzen?
Vincent Bal: "Nein, die habe ich nicht."

Es ist schwierig, einen Film für Kinder zu drehen, es ist schwieriger, einen Film mit Katzen zu inszenieren und am schwierigsten ist es, einen Film mit Katzen und Kindern zu machen. Würden Sie es noch einmal tun?
"Es ist überhaupt nicht schwierig, einen Film mit Kindern zu drehen, wenn die Kinder ein bestimmtes Alter haben: Wenn sie verstehen können, dass sie in einem Film mitspielen und einen Charakter darstellen sollen, ist es kaum schwieriger als mit professionellen Schauspielern. Katzen jedoch wissen überhaupt nicht, was ein Film ist und so scheren sie sich einen Teufel darum. Ich würde nicht wieder einen Film mit Katzen inszenieren wollen, aber vor allem, weil ich es bereits gemacht habe und ich möchte mich nicht wiederholen. Außerdem möchte ich nicht als Katzen-Regisseur berühmt werden."

Was haben Sie von Katzen gehalten, bevor Sie mit ihnen den Film gedreht haben? Haben Sie nach dem Film Ihre Meinung geändert?
"Wie andere Leute auch dachte ich, Katzen sind sehr klug und sie machen nur das, was sie wollen. Außerdem war ich der Meinung, dass sie eher kühl und distanziert sind. Jetzt weiß ich, sie sind nicht einmal halb so smart, wie die Leute immer denken, denn die meiste Zeit haben sie einfach nicht das gemacht, was wir von ihnen wollten. Das lag aber nicht daran, dass sie es nicht tun wollten, sie haben es einfach nicht verstanden: Sie saßen herum und haben das Filmteam mit verwirrten Blicken beobachtet, so, als wollten sie fragen, was zur Hölle wollen alle diese verrückten Leute eigentlich. Was ich aber nicht für möglich gehalten hätte: Mein Verhältnis zu ihnen hat sich verändert, je länger ich mit ihnen zu tun hatte, umso mehr mochte ich sie. Inzwischen kann ich mir sogar vorstellen, irgendwann einmal selbst eine Katze zu haben."

Wenn die Katzen nicht das gemacht haben, was Sie von ihnen erwartet haben, gab es sicher viele Probleme bei den Dreharbeiten ...
"Na ja, manchmal dauerte es eben recht lange. Andererseits ging es dafür an anderen Tagen auch viel schneller als wir erwartet hatten. Oder die Katzen stellten Dinge an, die viel besser waren. Es gibt da zum Beispiel diese Szene mit den Katzenkindern, die auf einer Bank im Caravan liegen: Sie schauen ihre Katzenmutter an, aber eines der Kleinen klettert den Vorhang hinauf und fällt mit ihm herunter. Wir haben diese Szene dann mit einem lustigen Dialog versehen und es ist sehr witzig geworden. Aber im Drehbuch war das eigentlich nicht vorgesehen."

Der Film "Die geheimnisvolle Minusch" basiert auf einem Kinderbuch: Haben Sie sich von der Vorlage entfernt, was haben Sie verändert?
"Wir haben uns sehr eng an das Buch gehalten, denn es ist ein wirklich gutes Buch. Ein paar Dinge in der Struktur haben wir allerdings verändert, zum Beispiel sind einige Charaktere zu einem vereinigt worden: Bibi ist bei uns die Tochter von Tibbes Vermieterin, im Buch war sie einfach nur ein Mädchen. Außerdem haben wir einige Dinge modernisiert, etwa Tibbes Laptop und sein Auto. Einige Dialoge haben wir direkt aus dem Buch übernommen, aber vieles wurde speziell für den Film geschrieben. Zum einen haben wir vieles aus dem Buch nicht in den Film übernommen, zum anderen haben wir andere Szenen aus dem Buch für den Film viel stärker ausgebaut: In der Vorlage ist das Verschwinden der Katzen lediglich auf einer Buchseite beschrieben, aber im Film ist es eine lange und auch wichtige Sequenz."

Wie schwierig war es für Carice van Houten, ein Katzenfräulein zu spielen?
"Äußerst schwierig, denke ich. Da sie aber nicht so viel darüber nachgedacht hat, ist es ihr hervorragend gelungen. Sie spielte genau das, was für die Geschichte erforderlich war und hat nicht übertrieben versucht, eine 'Katzenfrau' zu sein. Die meiste Zeit verkörperte sie sehr dezent eine nette und niedliche junge Frau, die dann aber ganz plötzlich jemanden kratzen oder eine Maus vertilgen konnte. Genau dieser Kontrast machte diese Rolle so interessant."

Ich habe gelesen, dass Sie sich zur Vorbereitung auf "Die geheimnisvolle Minusch" noch einmal den Billy-Wilder-Film "Das Apartment" angesehen haben. Welche Verbindungen bestehen zwischen diesen Filmen und zwischen Billy Wilder und Ihrer Filmarbeit?
"Ich schätze Billy Wilder, weil seine Filme schnell, gewitzt und witzig sind. Die Verbindung zwischen 'Apartment' und 'Die geheimnisvolle Minusch' besteht für mich in der Beziehung zwischen Tibbe und Minusch und der zwischen Jack Lemmon und Shirley MacLaine. Man merkt ganz genau, dass die beiden sich wirklich sehr mögen, aber sie gehen sehr höflich und distanziert miteinander um. Sie nennen sich gegenseitig Mr. Baxter und Miss Kubelik. Und so habe ich mir ursprünglich bei Tibbe genau den Charakter von Jack Lemmon vorgestellt. Einen jungen Mann, der alleine lebt, ein bisschen scheu, aber sehr sympathisch ist und dessen Welt völlig umgekrempelt wird."

In einem anderen Film von Billy Wilder gibt es eine Szene, in der Audrey Hepburn als "Sabrina" in einer Baumkrone sitzt: Ist es eine Reverenz, wenn "Minusch" auch auf dem Baum sitzt?
"Was Jack Lemmon für Tibbe war, ist Audrey Hepburn für Minusch. Das war genau das erste Bild, das ich mir vorgestellt habe. Dieses Bild von ihr im Baum habe ich auch dem Filmteam gezeigt, als wir nach Möglichkeiten suchten, wie wir die Geschichte von Minusch visualisieren sollten."

Ich war sehr überrascht, in Ihrem Film Katzen zu sehen, die sprechen können: Es sah absolut echt aus und hat mich an Filme wie "Stuart Little" oder "Ein Schweinchen namens Babe" erinnert. Da waren jede Menge Special Effects im Spiel: Wie haben Sie die realen Szenen der Schauspieler mit den digitalen Katzen-Szenen kombiniert?
"Ich habe vorher ein exaktes Storyboard entworfen, so wussten wir ganz genau, wie jede Einstellung aussehen sollte. Manchmal haben wir die Kamera fest positioniert und dann zuerst die Schauspieler aufgenommen und danach die Katze(n). Später wurden die beiden Aufnahmen dann per Computer kombiniert."

Nicht nur die sprechenden Katzen oder die Farbgebung haben mich bei Ihrem Film an Comic-Strips denken lassen. Sehen Sie auch solche Bezüge?
"Comic-Strips haben einen sehr großen Einfluss auf meine Art und Weise, Geschichten zu erzählen. Ich habe schon immer Comic-Strips entworfen, schon als ich ein Kind war. Und so wie man im Comic-Strip eine Geschichte Bild für Bild erzählt, mache ich es jetzt auch in meinen Filmen. Der visuelle Stil unseres Films 'Minoes' sollte eine Welt entwerfen, die nicht komplett real wirkt, in gewisser Weise eine stereotypisierte Welt. Das ist auch der Grund dafür, dass wir nur bestimmte Farben eingesetzt haben, so sind viele Dinge des Films blau schattiert. Das ist etwas, was man nicht so unbedingt bemerkt, aber es hilft dabei, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen."

Wie haben denn die Kinder auf Ihren Film reagiert?
"Kinder sind bei diesem Film unheimlich aufgeregt. Ich beobachte sie gerne, wenn sie bei der Verfolgungsjagd auf dem vordersten Punkt ihres Kinosessels sitzen und darauf hoffen, dass Minusch und Bibi es schaffen, die Katzen rechtzeitig zu retten. Es gab auch einige Vorführungen, bei denen Carice van Houten anwesend war. Und es war großartig zu sehen, wie die Kinder sie hinterher betrachtet haben. Total verblüfft: Sie lebt ja wirklich! Sicher ein bisschen so, als ob man Peter Pan plötzlich real vor sich sieht."

Hollywood-Filme sind Familien-Entertainment, "Minusch" ist für mich mehr ein Kinderfilm. Was meinen Sie – Familien- oder Kinderfilm?
"Ich kann überhaupt nicht zustimmen, denn ich denke, Erwachsene können an dem Film genauso viel Freude haben. Kinder mögen sicher mehr die Geschichte und die Bilder, ihre Eltern haben mehr Spaß an den komischen Katzen-Dialogen und der Liebesgeschichte. Am besten ist es, diesen Film in einem vollbesetzten Kino mit Erwachsenen und Kindern zu sehen, dann kann man beide Formen der Reaktionen hören."

Es gibt eine Szene in Ihrem Film, die ich mehr als alle anderen schätze: Der Reporter Tibbe sitzt vor seinem Laptop und der Bildschirm ist weiß und leer. Dann beginnt er zu schreiben, aber nach ein paar Worten hält er inne und löscht alle Buchstaben. Für alle Leute, die vor einem Computer sitzen und schreiben, ist dies eine ganz bekannte Situation. Und es ist die moderne Variante einer klassischen Szene: Eine Person sitzt vor der Schreibmaschine, das Blatt Papier ist leer, sie beginnt zu schreiben, aber nach ein paar Worten zieht sie das Papier wieder heraus und zerknüllt es ...
"Dankeschön. Wir haben zuerst daran gedacht, dass Tibbe den Laptop in die Ecke schmeißt, aber das konnte er nicht tun, es wäre auch viel zu teuer geworden. Ein bisschen ist es so, als würde man nach einem Streit den Hörer aufs Telefon knallen. Das ist eine Szene, die wir hunderte von Malen in Filmen gesehen haben, aber wie soll man das mit einem Handy machen? Wie kann man die Beenden-Taste wütend drücken? Wir müssen wohl auf neue Filme warten, um es herauszufinden."

Mit Vincent Bal sprach Manfred Hobsch

 

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