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Ausgabe 58-2/1994

WELTMEISTER

Produktion: Jahn Filmproduktion / ZDF, Deutschland 1993 – Regie und Buch: Zoran Solomun – Kamera: Slawomir Idziak – Schnitt: Petar Markovic – Musik: Milimir Draskovic / Akkordeon: Gerhard Scherer – Darsteller: Alexander Meier (Aleksej), Grit Hornig (Sabine), Valerij Ogorodnikow (Aleksejs Vater), Tatjana Kuprijanowa (Aleksejs Mutter), Mathis Schrader (Sabines Vater), Ruth Reinicke (Sabines Mutter) u. a. – Länge: 71 Min. – Farbe – Weltvertrieb / Verleih: noch offen – Altersempfehlung: ab 14 J.

Der 14-jährige Alexej lebt als Sohn eines russischen Offiziers in einer Kaserne in der Nähe von Potsdam. Um sein Akkordeonspiel zu verbessern, will er in einer deutschen Musikschule in der benachbarten Kleinstadt Unterricht nehmen. Bei einer erfolglosen Bewerbung lernt er die 15-jährige Sabine kennen, die das gleiche Instrument schon besser beherrscht. Ein paar Tage später stiehlt sich Alexej mal wieder heimlich aus der Kaserne und besucht Sabine zuhause. Obwohl Alexej etwas deutsch und Sabine ein wenig russisch spricht, können sie sich nur schwer verständigen. Belastet wird die aufkeimende Freundschaft von schwierigen Familienverhältnissen. Sabines arbeitsloser Vater hält sie unerbittlich zum Üben an, während die Mutter eine weit entfernte neue Arbeitsstelle antritt. Die russische Familie erwartet sorgenvoll wie die übrigen Angehörigen der Soldaten die geplante Rückkehr in die Heimat. Als Alexejs Vater an den Baikalsee versetzt wird, läuft der enttäuschte Junge von zuhause weg. Weil Sabine ihm nicht helfen kann, fährt der Ausreißer nach Berlin, wo er sich als Straßenkind durchschlägt. Als er noch einmal in die inzwischen geräumte Kaserne zurückkommt, fasst ihn die Militärpolizei.

In seinem Spielfilmdebüt gewährt Zoran Solomun Einblicke in weitgehend unbekannte Areale mitten in Deutschland. Vom streng abgeschotteten Leben der russischen Soldaten in ihren Kasernen in Ostdeutschland wissen zumindest die meisten Westdeutschen fast nichts. Umso interessanter wirken daher gerade die Alltagsbeobachtungen, etwa vom disziplinierten Frühsport, den die Russen mit nacktem Oberkörper im Freien absolvieren. Die schwierige Kommunikation zwischen Deutschen und Russen verdeutlicht der 1953 in Pula, Istrien, geborene Regisseur, der in den Achtziger Jahren in Belgrad etliche Dokumentarfilme drehte und seit 1990 in Berlin lebt, indem er manche Dialoge in der russischen Familie in der Originalsprache stehen lässt und nur deutsch untertitelt. Zwar dürfte dieses Vorgehen die Akzeptanz des atmosphärisch dichten Beziehungsdramas beim jugendlichen Publikum erschweren, doch wird dieses Manko durch das eindringliche Spiel der beiden jungen Hauptdarsteller zum Teil wettgemacht. Beim diesjährigen Max-Ophüls-Filmfestival in Saarbrücken, wo "Weltmeister" im Wettbewerb lief, erhielt der Film den Preis der Interfilm-Jury, die ausdrücklich die Leistung der beiden Hauptdarsteller lobte. Außerdem würdigte sie "die Eindringlichkeit, mit der der Regisseur der Entfremdung von ihren familiären Wurzeln Ausdruck verleiht".

Etwas gewöhnungsbedürftig sind neben den Untertiteln auch die langen Einstellungen und die gelblich verfärbten Bilder, die jedoch in sinnfälliger Weise die Perspektivlosigkeit und Resignation von Menschen zum Ausdruck bringen, die unter den Folgen tief greifender gesellschaftlicher Umbrüche leiden. Mit spärlichem Lichteinsatz hat der Kameramann Slawomir Idziak, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Krzystof Kieslowski und Krzystof Zanussi bekannt wurde, die Atmosphäre der Tristesse noch verstärkt. Gedreht wurde der vom 'Kleinen Fernsehspiel' des ZDF mitproduzierte Film im Mai und Juni 1993 in Nauen und Berlin-Karlshorst.

Das stimmungsvolle Jugendporträt, dessen Dialoge zuweilen unnötig steif wirken – vor allem bei einigen Nebenfiguren –, bietet insgesamt wenig Raum für freudige Erlebnisse und beglückende Erfahrungen. Trotz der deprimierenden Bestandsaufnahme der Verhältnisse in der früheren DDR setzt der Regisseur am Ende des nur 71 Minuten langen Films doch noch ein kleines Signal der Hoffnung. Als Sabine nach wochenlanger Übungstortur bei der Akkordeon-Weltmeisterschaft in Klingenthal an der Reihe ist, weigert sie sich ohne ein Wort der Erklärung zu spielen. Für das bisher so folgsame Mädchen ist es ein Befreiungsschlag gegen die Drillmethoden des Vaters. Indem Sabine auf die Chance verzichtet, Weltmeister zu werden, nimmt sie ihr Leben in die eigenen Hände.

Reinhard Kleber

 

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