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Ausgabe 91-3/2002

SEND' MEHR SÃœSSES

SEND MERE SLIK

Produktion: Crone Film Produktion A/S / Migma Film AB; Dänemark / Schweden 2001 – Regie und Buch: Cæcilia Holbek Trier – Kamera: Morten Bruus – Schnitt: Kasper Leick – Musik: Joachim Holbek – Darsteller: Bodil Udsen (Hortensia), Per Oscarsson (Rasmus), Nina Assentoft Rasmussen (Anjelica), Marie Katrin Rasch (Lone) u. a. – Länge: 76 Min. – Farbe – Vertrieb: film+/Projekt der Matthias-Film GmbH – Altersempfehlung: ab 6 J.

Die Schwestern Anjelica (11) und Lone (7) werden von ihrer Mutter zum Bahnhof gebracht, ins reservierte Abteil gesetzt und in die Sommerferien aufs Land geschickt. Zu Großonkel Rasmus und seiner Frau Hortensia, die sie nicht einmal kennen. Dass die Mutter selbst als Kind da so herrliche Ferien verbracht hat, interessiert die Mädchen nicht. New York – das wär's gewesen! Aber daraus kann nur noch etwas werden, wenn Anjelica und Lone sich anständig benehmen. Sie stellen sich also auf diese Reise ein, als gelte es eine Prüfung in einem ungeliebten Fach mit "Gut" zu bestehen, weil eine Belohnung winkt.

Im Zug langweilen sie sich und kommen auf die glorreiche Idee, sich zu schminken und zu verkleiden. So kommen sie an: Zwei kleine grelle Zirkusprinzessinnen, erwartet von zwei alten Leuten, die sich offenbar schon alles im Leben gesagt haben, die weder mit sich noch mit den Mädchen zu reden wissen. Die Autofahrt geht über Land, der gemütliche Hund stinkt und sabbert vor sich hin, die Mädchen ekeln sich. Auf dem Bauernhof stinkt es noch entsetzlicher, die Schweine, die Hühner, der Mist. In der Küche die Fliegen, der kaputte Fernseher, keine Spaghetti, kein Ketchup, keine Süßigkeiten. Alles nur selbst gekocht, fett und grässlich. Und dann noch die Gute-Nacht-Milch mit gelben schwimmenden Fettaugen und ein Lied, von Hortensia mit Grabesstimme gesungen, das Traurigste, was sie je gehört haben. Davon schreiben die Mädchen nach Hause, aber auch, dass sie sich Mühe geben und artig sind – wegen New York. Ja, und Süßigkeiten brauchen sie, wenn schon keine Liebe da ist. Sie wissen, dass sie drei Wochen durchhalten müssen.

Die Fremdheit zwischen den Alten und den Kindern weicht langsam und es beginnt eine vorsichtige Annäherung, allerdings mit Missverständnissen und Rückschlägen. Als die Mädchen mithören, dass Rasmus und Hortensia vom Hof weg in ein Altenheim ziehen sollen, weil der in der Nachbarschaft lebende Cousin Knut den Hof seinem Sohn Ole versprochen hat, finden Lone und Anjelica das erst mal eine gute Idee. Einfach deshalb, weil die Alten dann mit ihresgleichen zusammen sind – das muss doch schön sein, schließen die Kinder von eigenen Bedürfnissen ausgehend. Die Wirklichkeit belehrt sie eines Besseren. Nach einer Ortsbesichtigung begreifen sie sofort, dass das Altersheim kein Ort für Rasmus und Hortensia ist. Die wiederum merken, dass sie zu lange von den Menschen abgewandt gelebt haben. Als Anjelica und Lone eines schönen Sommertags ihren inzwischen geliebten alten Verwandten einen Adoptionsantrag machen, stimmen die beiden gerührt und glücklich zu und geloben, bis ans Ende ihrer Tage Großmutter und Großvater zu sein. Mitten in diese Idylle kommt Knut zu Vermessungsarbeiten am Hof und Grundstück. Doch alles wird wieder gut. Die Alten können schließlich bleiben und die Mädchen werden wiederkommen, denn so tolle Ferien kann man nirgendwo anders erleben!

Ein wunderbarer Kinderfilm von Cæcilia Holbek Trier (Jahrgang 1953), die bisher nur einige Kurzfilme gemacht hat und als Schauspielerin in Nebenrollen in Filmen ihres damaligen Mannes Lars von Trier zu sehen war. Große Liebe zu den kleinen Mädchen, die sich in der Wertewelt der Erwachsenen zurechtfinden müssen, und den betagten Alten, deren Gefühle geronnen scheinen, kennzeichnen dieses überzeugende Spielfilmdebüt. Anjelica und Lone entwickeln sich zusehends und nachvollziehbar, wachsen an den Widrigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind und den Herausforderungen, die an sie gestellt werden. In Angst und Gefahr suchen sie Halt und Schutz beieinander. Sie lernen täglich etwas dazu,, ohne belehrt zu werden. Es ist das Leben selbst, das ihnen zeigt, wo's langgeht.

Zum Beispiel das Altersheim – dramatische Szenen im Vorfeld: Lone rennt weinend im weißen Nachthemd durch die Gewitternacht, will zu ihrer Mama. Blitze erhellen den Weg und sind gleichzeitig Rettung. Nur so kann die Autofahrerin rechtzeitig bremsen und das Kind ins nahe gelegene Altersheim bringen, wo es wartet, bis Rasmus und Anjelica kommen. Beim Verlassen des Gebäudes kommen sie zufällig am Gemeinschaftsraum vorbei, schauen neugierig hinein – und in ihren Augen spiegelt sich Entsetzen. Auch Knuts mustergültiger Hof mit der Schweinefarm wird durch die Unvoreingenommenheit und Neugier der Kinder demontiert. Es genügt Anjelica und Lone zuzusehen, wie sie sich die vorgeschriebene Schutzkleidung fürs Betreten der Maststätte anziehen. Dazu bedarf es keiner malträtierten Schweine.

Und wie die Mädchen die vergangene Schönheit der alt gewordenen Hortensia wieder beleben, die Verschmitztheit und Herzlichkeit von Rasmus ans Tageslicht befördern, zeigt ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Gelungen auch die Schnittfolge, in der den Schwestern die gleichen ländlich-deftigen Essensteller serviert werden wie vorher, an die sie sich nun aber mit sichtlichem Appetit machen – bis auf die klumpig-fette Milch (das wäre dann doch unglaubwürdig!) – und siehe da, jetzt steht die gewohnte Tütenmilch am Tisch ... Ein unspektakulärer und gerade deshalb überzeugender Ausdruck von Annäherung in beiderseitigem Respekt.

Mit diesem Film ist der Regisseurin großes Gefühlskino gelungen, für Kinder und auch für Erwachsene, deren Kindheitsempfindungen sie mit ihrem Film "Send' mehr Süßes" freilegt.

Gudrun Lukasz-Aden

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 91-3/2002 - Kinder-Film-Kritik - Send' mehr Süßes

 

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