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Ausgabe 91-3/2002

"Als ob das Glück an dieser Idee klebte"

Gespräch mit Hans Fabian Wullenweber, Regisseur des dänisch-schwedisch-norwegischen Spielfilms "Kletter-Ida" (Lobende Erwähnung auf dem Kinderfilmfest der Berlinale 2002)

(Interview zum Film KLETTER-IDA)

KJK: Der spektakulärste Bankraub seit "Rififi" findet im dänischen Kinderfilm statt. Gab es da keine Bedenken pädagogischer Art?
Hans Fabian Wullenweber: "Nein, überhaupt nicht. Der Film macht ja deutlich, dass es nicht okay ist, eine Bank auszurauben, und die Kinder stehlen das Geld nicht für sich, sondern um das Leben von Idas Vater zu retten. Das entspricht absolut der Logik von Kindern. Die Zuschauer wissen das und auch, dass man das im wirklichen Leben nicht machen kann."

Aber obwohl die Kinder wie Profis vorgehen, wirken sie in ihrem Handeln doch glaubwürdig.
"Weil ja alles, was wir im Film zeigen, in unserer Wirklichkeit vorkommt. Es gibt 12-Jährige, die sich mit ihrem Computer ins Pentagon hacken können – sie machen free climbing, können phantastisch go-cart fahren und mit steadycams umgehen. Insofern sind ihre Aktionen auch glaubhaft. Deshalb wollten wir auch die action-Szenen nicht simulieren, sondern dokumentarisch haben, was manchmal ziemlich gefährlich war."

Die ließen allerdings auch die Herzen eines jeden action-Freundes hochschlagen – ich denke nur an die Verfolgungs-Szene, in der sich Stefan in seinem go-cart unter einem Lastwagen versteckt und plötzlich herausfährt ...
"Wir hatten dafür den nordischen Meister im Go-cart-Rennen. Das Problem war, dass wir keinen Lastwagen gefunden haben, der hoch genug war. Wir haben also den höchsten genommen und auf ein Podest gestellt. Aber alle Stunts fanden in Wirklichkeit statt und unsere Ida ist selbst geklettert. Klar haben wir uns von 'Gladiator' und anderen amerikanischen action-Filmen inspirieren lassen – die dänischen sind ja meist ziemlich fad – und haben geguckt, worin ihr Geheimnis besteht, was es da an Tricks und Einfällen alles so gibt. Die Amerikaner produzieren in diesem Genre ja wirklich eine Menge Ideen von großer Vorstellungskraft, Energie und Rasanz. Das Geheimnis ist, mit eben dieser Energie Schritt zu halten, neue Perspektiven zu zeigen und sich zu überlegen, was Spaß machen könnte."

Mir hat zum Beispiel das Betriebsfest in der Bank großen Spaß gemacht.
"Große Betriebe machen auf ihren Partys ja immer komische Sachen, auch so ein Spiel wie 'Fang die Bankräuber' – aber das hat natürlich auch mit dem Charakter des Bankdirektors zu tun. Der ist ein großer Geschäftsmann, aber irgendwie auch ein Kind – vielleicht sind so die Führungstypen der Zukunft."

Für das Drehbuch gibt es keine literarische Vorlage. Haben Sie selbst mal davon geträumt, eine Bank auszurauben?
(lacht) "Eigentlich nicht. Die Idee für den Film überkam mich, als ich mit dem Fahrrad nach Hause fuhr. Ich dachte plötzlich, was wäre, wenn Kinder eine Bank ausrauben würden. Und da durchfuhr es mich, als hätte ich eine Erleuchtung. Ich bekam richtig Herzklopfen und musste vom Rad steigen – ich habe so etwas noch nie erlebt. Zugleich war ich irritiert, weil besonders originell war das ja gar nicht. Aber es ließ mich nicht los. Zu Hause habe ich meine Idee dann mit wenigen Sätzen skizziert und bin damit zur Produktionsfirma gegangen. Die Leute dort bekamen auch leuchtende Augen und sagten mir auf der Stelle Geld zu. Warum sie diese Geschichte so toll fanden, wussten sie auch nicht genau, und ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein! Was geht hier vor? Ich meine, normalerweise ist es ja ziemlich schwer, einen Film auf die Beine zu stellen, und hier war von Anfang bis Ende alles ganz einfach: das Geld zu bekommen, das Buch zu schreiben, diese begabten Kinder zu finden, den Film zu drehen ..."

... und gleich mit Ihrem ersten Spielfilm begeisterte Zustimmung zu ernten, erst beim dänischen Publikum und jetzt in Berlin.
"Ja, wenn ich so zurückdenke, scheint mir, als ob das Glück an dieser Idee klebte. Inzwischen ist die selbstständige und gefühlsstarke Ida in Dänemark schon so was wie ein Vorbild für heranwachsende Mädchen geworden. Es war ja so, dass wir bei Idas Vater zunächst nicht an einen ehemaligen Bergsteiger dachten, sondern an einen Journalisten, der an Krebs erkrankt ist. Deshalb haben wir eng mit einer Einrichtung zusammengearbeitet, die sich in Dänemark intensiv um Kinder kümmert, deren Mütter oder Väter an Krebs erkrankt sind. Wir wollten gern wissen, wie ein Kind reagiert, wenn es erfährt, dass ein Elternteil todkrank ist. Und auch, ob unser Script vielleicht zu leicht ist bei einem so schwerwiegenden Thema. Aber sie sagten nein, wir lieben es, denn du erzählst Kindern, dass man aus einer hoffnungslosen Situation herausfinden kann, wenn man was macht und sich nicht in sich selbst vergräbt. Denn wenn man nicht mehr darüber sprechen will, nichts mehr machen, dann fängt man an, sich selbst zu verletzen. Aber Ida macht was, sie kann weinen, lachen, darüber reden und Entscheidungen treffen."

Ihr Film ist ja nicht nur sehr spannend, er hat auch Tiefe, Humor, differenzierte Charaktere, alles, was den sensiblen dänischen Kinderfilm auszeichnet. Welche Beziehung haben Sie selbst zu Kindern, zur Kindheit?
"Ich habe sehr klare, bis in Details sehr genaue Erinnerungen an meine eigene Kindheit, denn in meinen ersten fünf Lebensjahren konnte ich nicht sprechen, nur Laute bilden, und mich auch nicht bewegen – als ob ich in meinem Körper gefangen wäre. Es war eine Art Autismus, aber eine medizinische Ursache haben die Ärzte nicht feststellen können. Niemand hat herausgefunden, was da verkehrt lief. Meine anderthalb Jahre ältere Schwester lernte mich zu verstehen und übersetzte meinen Eltern, was ich so wollte. Und eines Tages entschloss ich mich plötzlich zu sprechen und mich zu bewegen. Innerhalb von ein paar Monaten habe ich alles nachgeholt und zum Üben der Stimme allabendlich meiner Familie eine Gute Nacht-Geschichte vorgelesen. Also, das ist der Grund, warum ich mich so genau erinnere, was es hieß ein Kind zu sein. Und in einer Reihe meiner Kurz-Filme habe ich diese Welt wiedererstehen lassen. Die meisten davon drehten sich um ein Kind, waren aber an Erwachsene gerichtet, denen ich auf diese Weise sagen wollte, dass man mit Kindern sorgfältig umgehen und, wenn sie aufwachsen und lernen, wie die Welt funktioniert, auf ihre Kraft bauen muss. Meine ersten Filme sind übrigens auch ganz ohne Dialog ausgekommen und ich liebe die Filme von Tarkowski. Seine Bilder, die Art, wie sich die Schauspieler bewegen, ihre Körpersprache erinnern mich an jene frühen Jahre, in denen ich nicht sprach."

Wird Ihr nächster Film wieder ein Kinderfilm sein?
"Nein, bei meinem nächsten Projekt geht es um Mit-Dreißiger, die mit 18 davon träumten, Rock-Stars zu werden und es nie wurden. Jetzt stehen sie vor der Entscheidung, ob sie an ihren Träumen festhalten oder aufhören sollen. Wenn man jung ist, kann man ja mit fast nichts, von irgendwelchen Jobs, ohne Festanstellung und soziale Absicherung leben, später ist das schon schwieriger. Es dreht sich also um die Frage, wie ein Künstler in unserer Welt überleben kann – Genies wie Thomas Vinterberg (Begründer des Dogma-Films und Regisseur, 'Das Fest', 'It's all about love') gibt es ja in jeder Generation nur einmal."

Das Interview mit Hans Fabian Wullenweber führte Uta Beth

 

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