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Ausgabe 92-4/2002

MAX, SALLY UND DAS ZAUBERTELEFON

MACH, SEBESTOVA A KOUZELNE SLUCHATKO

Produktion: Ateliéry Bonton Zlín, a.s. / Beijing TV, Film Art Center; Tschechische Republik / China 2001 – Regie: Václav Vorlícek – Buch: Milos Macourek – Kamera: Juraj Sajmovic – Schnitt: Dalibor Lipsky – Musik: Ondrej Soukup – Darsteller: Iva Janzurová, Stella Zázvorková, Jitka Molavcová, Petr Nározjy, Jirí Lábus, Robert Hájek, Kristyna Kvetová u. a. – Länge: 100 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Bontonfilm, a. s., Národni 28, CZ-110 00 Praha 1, Tel. 0042-2-2494 7343, Fax 0042-2-2481 4447 – Alterseignung: ab 8 J.

Die Frage sei erlaubt, warum Václav Vorlícek und sein alter Szenarist Milos Macourek diesen Film nicht bereits früher gedreht haben. Denn das frisch-kecke Görenpaar "Mach und Sebestová", wie die beiden beliebten Geschöpfe von Autor Macourek und Zeichner Adolf Born im Tschechischen heißen, schmücken die tägliche TV-Abendgruß-Serie "Vecernicek" bereits seit einem Vierteljahrhundert. Dass sich der "ungekrönte" tschechische Märchenfilm-König im Alter diesen Kick einer frechen und aktionsreichen Kinderkomödie noch einmal leistete, ist bemerkenswert. Und es ist offenkundig, dass der Schöpfer die Themenpalette seiner früheren Filme einfallsreich zu variieren bzw. zu ergänzen weiß und viele seiner Passionen auferstehen und wiederkehren lässt. Führte sein – nunmehr vorletzter – Film "Der König der Falken" mit seiner realistischen, nahezu gänzlich auf magische Märchenelemente verzichtenden Abenteuer-Geschichte in eine fernere Vergangenheit, so ist im neuen Film "Heute" angesagt und das bei einer fast süffisanten Ausbeutung eines ganzen Instrumentariums an Zauberei und Hexenwerk.

Ins Rollen kommt die Handlung diesmal durch einen dramaturgisch-logischen Salto Mortale: Max und Sally, gezeichnete Figuren in einer Cartoonwelt, sind im Besitz eines Zaubertelefons – einer Art moderner Märchenfee – und verleihen ihrem durchaus berechtigten Wunsche Ausdruck, einmal die "wirkliche Welt" kennen lernen zu dürfen. Da ein Wandertag dorthin "kompletter Blödsinn" sei, wie die Lehrerin vermerkt, nutzen Max und Sally eben jenen Apparat, um diese andere Welt und eine normale Familie kennen zu lernen.

Es trifft den Schüler Jakob Rehacek und dessen Großmama, durch deren Fernsehapparat die beiden Cartoon-Helden zusammen mit Hund Jonathan schlüpfen und sich zu realer Leibhaftigkeit verwandeln. Gemeinsam mit dem neuen Freund Jakob, dessen Eltern sich wie zufällig gerade auf Dienstreise im fernen China befinden, machen sich die Kinder zu ungeahnten Abenteuern auf und richten mit dem magischen Telefonhörer zuweilen total chaotische Zustände an. Ins Spiel kommt nämlich wie in jedem funktionierenden Märchen ein böser, beinahe teuflischer Gegenspieler. Es ist der stadtbekannte Rüpel Ludvik Rykl, Sohn eines gutbetuchten Geschäftsmannes inmitten einer nach Prosperität gierenden böhmischen Kleinstadt-Elite. Ludvik befindet sich im ewigen Clinch mit seinem Schuldirektor, und in diesem archetypischen Streit kommt dem potenziellen Missetäter eine Wunderwaffe wie dieses Wünsche-erfüllende Telefon gerade recht. Er stibitzt es und setzt dem ohnehin schon angerichteten Durcheinander noch eins drauf.

Schon diese skizzenhafte Andeutung der ersten Handlungsstränge offenbart ein Feuerwerk an Aktivitäten und Absurditäten inmitten einer heutigen Alltagswelt. Dabei kann Vorlícek bis zum Überdruss seiner filmischen Lieblingsleidenschaft frönen: der Verwandlung. Jeder, der sich im Besitz des Zaubertelefons befindet, kann sich vom immer höflich und freundlich antwortenden Hörer jeden Wunsch erfüllen lassen. In der Vorlícekschen Filmwelt mit ihrem beherrschenden Medium, dem Fernsehen, ist ein Jeder bestens "im Bilde" über die magischen Kräfte, in deren Besitz sich Max und Sally mit ihrem Zaubergerät befinden. Die Verwandlung als solche ist in der Pseudorealität daher kaum Gegenstand des Erstaunens oder irgendeiner Diskussion, vielmehr versucht sich das Opfer, sofort in der ihm zugewiesenen neuen Rolle zurechtzufinden.

Abgesehen von der kindlichen, von Vorlícek geteilten Freude am oftmals sinnlosen Ulk und an durchaus gut gesetzten Gags mit nicht geringem Sprachwitz, gewähren die Macher auch einen kleinen Einblick in die Welt der Neureichen, der sozialen Gewinner der heutigen tschechischen Gesellschaft. Es erscheint dies als eine heile Welt, gebrochen allerdings durch das klobig-patschige Auftreten eines Papa Rykl oder eines gierig nach Popularität strebenden Schuldirektors. Und bedroht durch solche Bösewichte wie Ludvik und seine Cartoon-Kumpels Horácek und Pazout.

Freilich entgleitet den Filmemachern bei all den burlesken Situationen so manches Mal die Kontrolle über die Handlungsführung, so dass es selbst Erwachsenen schwer fallen dürfte, die verworrenen Fäden und die unterschiedlichen Bausteine der Geschichte zusammenzuhalten. Viele der Figuren, die plötzlich eingeführt werden, erscheinen in ihrer dramaturgischen Funktion zumindest fragwürdig und sind allein für ein paar gute Gags brauchbar. Und ob die durchaus exotischen Szenen in China vielleicht nicht eher der guten Zusammenarbeit mit dem Pekinger Partner oder gar einem Reisebüro denn einer klaren Story dienlich waren, sollte man zumindest fragen dürfen. "Der Trick ist gut, aber wo ist die Geschichte?", monierte denn auch ein tschechischer Kritiker. Doch vermutlich sehen dies Kinder ganz anders. Anarchie in der kindlichen Lebens- und Vorstellungswelt war zumindest schon immer ein Merkmal Vorlícekscher Bilderschöpfungen, und der permanent vollzogene Sprung zwischen Real- und Trickfilm ist mit Sicherheit für die heutigen Kids mit ihrer Erfahrung des Zappens zwischen virtuellen und realen Welten überhaupt kein Problem. Das junge Publikum in Tschechien zumindest lässt sich vom Ulk-Feuerwerk seines Altmeisters gerne mitreißen. Bis zum Sommer diesen Jahres verzeichnete der in der Vorweihnachtszeit des Vorjahres gestartete Film bereits eine Viertelmillion Besucher und stand damit auf Rang Eins aller tschechischen und auf Rang Vier aller in der Tschechischen Republik gezeigten Filme.

Volker Petzold

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 93-4/2003 - Interview - "Ich wollte sie befreien und in das normale Leben führen"

 

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