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Ausgabe 98-2/2004

POLLEKE

Produktion: Egmond Film & Television; Niederlande 2003 – Regie: Ineke Houtman – Buch: Maarten Lebens, Rob Arends, nach den Romanen von Guus Kuijer — Kamera: Sander Snoep Schnitt: Michiel Reichwein – Musik: Vincent van Warmerdam – Darsteller: Liv Stig (Polleke), Mamoun Elyounoussi (Mimoen), Halina Reijn (Pollekes Mutter), Daan Schuurmans (Spiek), Frank Lammers (Wouter), Helmert Woudenberg (Pollekes Großvater), Marja Kok (Pollekes Großmutter) u. a. – Länge: 95 Min. – Farbe, 35mm – Weltvertrieb: Nordisk Film Int. Sales, Kopenhagen, e-mail: contact@nordisk.dk – Altersempfehlung: ab 8 J.

Polleke ist elf Jahre alt und sie weiß, was sie will: nämlich Mimoen. Mimoen, ein marokkanischer Junge, lebt in demselben Neubaugebiet, im Haus genau gegenüber von Polleke. Von klein auf haben die Beiden miteinander gespielt, haben sich Briefe über den Hof geschickt und ihre Sorgen erzählt. Nun soll damit Schluss sein! Mimoens Vater und vor allem der Onkel sind gemäß traditioneller Bräuche gegen diese Freundschaft, zumal für Mimoen bereits ein islamisches Mädchen vorgesehen ist. Die Beiden dürfen sich nicht mehr besuchen, sich auch draußen nicht mehr treffen, die Drahtpost wird abgebaut.

Doch das ist nicht Pollekes einziges Problem. Sie muss mit ansehen, wie sich Wouter, der Klassenlehrer, ausgerechnet in ihre Mutter verliebt und dann prompt bei ihnen einzieht. Vor allem aber muss sie sich eingestehen, dass ihr Vater kein verkannter Dichter, sondern ein drogenabhängiger Obdachloser ist. Wären da nicht die Großeltern auf dem Land, die Polleke jedes Wochenende besucht und mit denen sie über ihre Probleme sprechen kann, wäre sie wahrscheinlich schon durchgedreht. Als dann die Sommerferien beginnen und Mimoen mit seiner Familie nach Marokko fährt, nimmt Polleke die Dinge in die Hand. Mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit, die den Erwachsenen oft fehlt, versucht sie, die Dinge zu ordnen.

Genau genommen erzählt die niederländische Produktion "Polleke" zwei Geschichten, und das auf eine sehr unterhaltsame Weise. Einerseits geht es um das komplizierte Zusammenleben und -wachsen unterschiedlicher Kulturen, wobei hier die Berührungsängste und das Beharren auf eigenen Traditionen eher von der muslimischen Familie ausgehen. Während Mimoens Eltern die Nachbarschaft zu einer Hochzeitsfeier einladen, sind sie jedoch nicht bereit, selbst an Festen der anderen teilzunehmen. Sie sind es, die ihrem Sohn, der in den Niederlanden geboren ist, den Kontakt zu einem niederländischen Mädchen verbieten. Pollekes Mutter dagegen steht der Freundschaft der Kinder sehr offen gegenüber. Kritisch, aber mit einem verständnisvollen und warmherzigen Blick wird dieses Problem beleuchtet, voller Hoffnung in die Kraft der Heranwachsenden, diese Barrieren zu überwinden.

Andererseits beschreibt der Film, ohne zu dramatisieren, dass Kinder unmittelbar – und das auch relativ früh – in die Probleme der Erwachsenen eingebunden sind. Sie können nicht darauf zählen, unbeschwert in einem kuscheligen Nest aufzuwachsen, sondern sie stehen Eltern gegenüber, die viel mit sich selbst zu tun haben und überfordert sind. Das war übrigens ein Trend beim diesjährigen Kinderfilmfest der Berlinale – immer sind es die Kinder, die aktiv werden, den Erwachsenen bei der Konfliktbewältigung helfen und damit wesentlich zu einem vernünftigen Zusammenleben in der Familie beitragen. So kann Polleke sehr deutlich äußern, dass sie die chaotischen Liebesgeschichten der Mutter nerven, sie vermag es, ihren drogenabhängigen Vater zu einer Therapie zu bewegen, und begleitet ihn sogar dabei. Und nicht zuletzt ist sie es, die sich gegen Mimoens strengen Onkel durchsetzt.

"Polleke" ist der zweite Kinofilm von Regisseurin Ineke Houtman. 1999 war sie das erste Mal zu Gast beim Kinderfilmfest der Berlinale. Damals erhielt sie für ihr Kinodebüt "Madelief – das Zeichen auf dem Tisch" eine lobende Erwähnung der internationalen Jury. Dieser Film entstand nach einem Roman von Guus Kuijer. Auch mit "Polleke" hat sich Ineke Houtman wieder einem Stoff des bekannten niederländischen Autors zugewandt. Mit der gleichen Genauigkeit und Intensität wie in ihrem ersten Spielfilm geht sie der Geschichte nach. Nur sind hier wesentlich mehr Handlungsstränge zu verfolgen, fast zuviel, möchte man meinen. Und doch schafft es die Regisseurin, konsequent die einzelnen Geschichten zu Ende zu erzählen. Das alles geschieht mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit und Natürlichkeit, die man bei deutschen Kinderfilmen oft vermisst. Nichts wirkt konstruiert, selbst der auf allen Ebenen positive Schluss wirkt glaubwürdig. Dazu trägt nicht unwesentlich die Besetzung der Polleke mit Liv Stig bei. Sie ist einfach ein starkes Mädchen, sie macht Mut, gibt Kraft und sie überzeugt.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 99-2/2004 - Interview - "Sinn für Humor und ein großes Herz"

 

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