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Ausgabe 114-2/2008

NAISSANCE DES PIEUVRES

WASSERLILIEN

Produktion: Les Productions Balthazar / Canal + / Region Ile-de-France; Frankreich 2007 – Regie und Buch: Céline Sciamma – Kamera: Crystel Fournier – Schnitt: Julien Lacherey – Musik: Jean-Baptiste de Laubier – Darsteller: Pauline Acquart (Marie), Adèle Haenel (Floriane), Louise Blachère (Anne), Warren Jacquin – Länge: 85 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Films Distribution 20, rue St. Augustin, F-75002 Paris, Fax 0033 1 5310 3398, e-mail: info@filmsdistribution.com – Altersempfehlung: ab 14 J.

Die Französischen Filmtage Tübingen/Stuttgart bieten – neben einer gut ausgewählten Sektion mit afrikanischen Filmen – immer wieder die Gelegenheit zur Entdeckung des ein oder anderen spannenden Films für ein junges Publikum. Manches davon ist sogar ziemlich ungewöhnlich wie etwa dieses Regiedebüt der jungen Französin Céline Sciamma:

Marie ist 15 und mitten in der Pubertät, zumindest seelisch, denn ihr Körper wirkt immer noch mehr wie der eines Mädchens als der einer werdenden Frau. Ganz anders ihre langjährige beste Freundin Anne. Aber beiden gemeinsam sind die Probleme mit ersten Sehnsüchten nach Liebe und Zärtlichkeit. Da sieht Marie eines Tages eher zufällig einer Gruppe von Synchronschwimmerinnen beim Training zu ... und verliebt sich in den Star der Truppe, die etwas ältere Floriane, die immer so erfahren und erwachsen tut und den Ruf der "Klassenschlampe" weg hat. Fortan versucht Marie alles, um Floriane nahe zu sein. Sie dient ihr als Alibi bei deren abendlichen Dates und versucht soviel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Doch Floriane bleibt seltsam indifferent, als sei sie sich selber nicht im Klaren. Auch ein Kuss der zwei in der Umkleidekabine stiftet mehr Verwirrung als Klarheit ...

Sciamma erzählt hier intensiv von den Irrungen und Wirrungen der jungen Marie und damit gelingt ihr ein ganz anderer, aber umso stimmungsvollerer Teeniefilm über erste Liebe und Freundschaft. Ihre Marie steht natürlich unter einem doppelten Druck: Schließlich ist ihre erste Liebe ein Mädchen. Die Filmemacherin konzentriert sich dabei ganz auf ihre Protagonistinnen. Die Außenwelt findet im Film so wenig statt wie die Beiden sie in diesem heißen Sommer ausblenden – Erwachsene kommen so gut wie nicht vor, die Straßen der belebten Vorstadt bleiben menschenleer. So illustriert Sciamma auf unaufdringliche Weise die Zwischenwelt, in der sie leben: Nicht mehr Kind und noch nicht Frau, suchen sie – manchmal durchaus verzweifelt – ihren eigenen Weg.

Dabei gelingen Sciamma immer wieder Szenen von beklemmender Intensität: So wenn Marie mit Floriane in die Disko geht und sie dort fast küsst, verträumt in ihrer eigenen Welt auf der Tanzfläche schwebt, bis sie merkt, dass Floriane schon längst einen Mann antanzt. Dabei spielt die junge Pauline Acquart diese Marie mit genau der richtigen Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke, Sehnsucht und Trotz. Und Adèle Haenel hält die Floriane in einem so ungewissen Status, dass auch der Zuschauer hin und her gerissen bleibt und man auch am Ende nicht so ganz schlau geworden ist aus diesem Mädchen, das immer die Erfahrene gibt, schon alles kennt und doch Marie gegenüber zugeben muss, noch Jungfrau zu sein. Aber natürlich beutet sie die Liebe der Jüngeren auch geradezu schamlos aus: Am direktesten in der Szene, wenn sie Marie bittet, sie zu entjungfern, damit sie bei ihrem Angebeteten nicht als unerfahrenes Gör rüberkommt. Eine Bettszene ohne Sex und Erotik, in der sich doch beide in einer Weise entblößen, die an die Schmerzgrenze geht. Nicht nur in dieser Szene beweist die gerade mal 27-jährige Filmemacherin ein enormes Feingefühl für die Nöte und Ängste der Mädchen. Das zeigt sich auch in ihrer Bildsprache. Allein das wunderbare Symbol des Synchronschwimmens: Was oben so spielerisch leicht wirkt, ist unter Wasser harte Arbeit. Oder auch: Oben ist alles einfach, doch unter der Oberfläche brodelt es – besser könnte man die Lebenswelt der Mädchen nicht in ein Bild fassen.

PS: Was wäre eigentlich passiert, wenn hierzulande eine junge Filmemacherin für ihr Debüt mit einem solchen Drehbuch bei den einschlägigen Förderanstalten vorgesprochen hätte? Glückliches Frankreich!

Lutz Gräfe

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 126-2/2011 - Filmbesprechung - TOMBOY

 

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