Produktion: Canal + / Centre National de la Cinématographie / Nikkatsu / Princes Films; Frankreich / Japan 2001 – Regie und Buch: Tony Gatlif – Kamera: Claude Garnier – Schnitt: Monique Dartonne – Musik: Mandino Reinhardt, Tchavolo Schmitt, Abdellatif Chaarani, Tony Gatlif – Darsteller: Oscar Copp (Max), Lou Rech (Swing), Tchavolo Schmitt (Miraldo), Mandino Reinhardt (Mandino), Abdellatif Chaarani (Khalid), Fabienne Mai (Max' Großmutter), Ben Zimet (Dr. Liberman) – Länge: 90 Min. – Farbe – Verleih: Arsenal (35mm; OmU) – Altersempfehlung: ab 12 J.
Bereits vier Filme hat der in Algerien geborene und in Frankreich lebende Filmemacher Tony Gatlif der Kultur der Sinti und Roma gewidmet. Nach dem missglückten, in Spanien spielenden Rachedrama "Vengo" erzählt er diesmal von einer ungewöhnlichen ersten Liebe im Elsass.
Der zehnjährige Max verbringt den Sommer bei seiner Oma. Sein großes Faible für den Jazz manouche – eine Gitarrenvariante des Swing, die vor allem Django Reinhardt weltberühmt machte – führt ihn eines Tages auf der Suche nach einer Gitarre in eine Vorstadtsiedlung, wo vornehmlich Sinti und Roma leben. Hier trifft er nicht nur die gleichaltrige, freche Swing, sondern auch den Gitarrenvirtuosen Miraldo. Als es ihm gelingt, diesen zu überreden, ihm Unterricht zu erteilen, taucht Max nach und nach in diese für ihn fremde und neue Welt ein. Er und Swing werden Freunde, erkunden gemeinsam die Umgebung und Max erfährt vieles über Leben und Kultur dieser Menschen, die sprichwörtlich am Rande der Gesellschaft leben.
Gatlifs Film ist zunächst mal eine Hommage an eine lange Zeit unterschätzte Variante des Jazz, der sich zuletzt auch Woody Allen mit seinem Film "Sweet And Lowdown" widmete. Gatlifs Werk ist aber vor allem die anrührende Geschichte einer vorsichtig keimenden ersten Liebe. Dafür sorgen vor allem die beiden Kids, die diese zarte Geschichte mit aller Überzeugungskraft spielen. Zwar steht dem Filmemacher manchmal sein unbedingter Wille im Weg, die (Leidens)Geschichte der Sinti und Roma nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. So erzählt in einem recht langen, eher dokumentarischen Take eine alte Frau von der Verfolgung und Ermordung ihrer ganzen Familie durch die deutschen Faschisten im besetzten Frankreich. Wie erschütternd diese Erzählung auch ist, merkt man ihr doch an, dass der Filmemacher diese Vergangenheit um jeden Preis in seinen Film einfließen lassen wollte, auch wenn das dann etwas aufgesetzt wirkt. Das kann dem Film aber letztlich genauso wenig anhaben wie so manch kitschiger Einschub, wenn etwa die Seele des verstorbenen Miraldo über den Wald bei der Siedlung fliegt, in dem Swing und Max immer spielten.
Dafür ist die Liebesgeschichte zu unbekümmert-schön und die Musik zu lebendig, auch wenn manche Musiksequenz etwas sehr arrangiert wirkt. Das stört aber weniger, denn das Arrangement ist so kunstvoll – wenn etwa 20 Leute sich nach und nach in einem Wohnwagen versammeln, um gemeinsam zu jazzen – dass es einfach Spaß macht, zuzuschauen und zu hören. Zumal er mit Tchavolo Schmitt einen veritablen Erben der Kunst des großen Django Reinhardt aufbietet. Die Musik bestimmt über weite Strecken auch die Inszenierung: ein wenig unbekümmert, improvisiert und frei, so wie auch der Name der Titelheldin Programm ist. Denn es ist ihre fast arrogant-freche Unbekümmertheit und Offenheit, die zuerst Max und dann den Zuschauer in ihren Bann zieht. Das Ergebnis ist ein Film, der im Sinne des Wortes swingt, Spaß macht und etwas zu erzählen hat, ohne allzu sehr mit dem pädagogischen Zeigefinger zu arbeiten.
Lutz Gräfe
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