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Ausgabe 62-2/1995

LE PETIT GARÇON

Produktion: Ciby 2000, Frankreich 1994 – Regie: Pierre Granier-Deferre – Buch: Colo Tavernier O'Hagan, nach dem gleichnamigen Buch von Philippe Labro – Kamera: Willy Kurant – Darsteller: Stanislas Forlani-Crevillén (Francois), Jacques Weber (Vater), Brigitte Roüan (Christina), Ludmila Mikael (Madame Roussel) – Länge: 107 Min. – Farbe – Altersempfehlung: ab 10 J.

Die Geschichte spielt im Jahre 1942 in der französischen Provinz: Viele Franzosen sind vor der Okkupation der Deutschen aus den Städten aufs Land geflohen. Darunter auch der zehnjährige François und seine begüterte Familie, die auf ihrem Landsitz die Ereignisse in Ruhe und Distanz abwarten will. Man arrangiert sich mit den Gegebenheiten, in der Hoffnung, dass die Okkupation nur eine kurze Zeitspanne währt, die es zu überbrücken gilt. Es geht ihnen gut, der Krieg scheint weit weg zu sein, man baut sich eine Idylle auf. Dennoch sind die Folgen der Okkupation zu spüren. Der Vater des Jungen hat eine polnisch-jüdische Flüchtlingsfamilie im Keller des Hauses vor Verfolgung durch die Nazis versteckt. Durch Zufall erfährt François von der Existenz dieser Menschen und wird neugierig. Mit der kleinen Tochter Georgi schließt er sogar etwas wie Freundschaft, sie erzählen sich Geschichten, es entsteht ein Vertrauensverhältnis und eine Art erste Liebe.

Aber die deutschen Truppen marschieren auch in das Dorf ein, und ein Wehrmachtsgeneral quartiert sich ausgerechnet in das Haus der Familie ein. Obgleich François seinem Vater geschworen hat, niemandem von dem Versteck der Juden zu erzählen, verplappert er sich, dadurch geraten die Flüchtlinge in Lebensgefahr. Sein Vater sorgt dafür, dass sie über die Grenze in Sicherheit kommen. François, der sich bisher im Schoße der Familie geborgen fühlte, wird mit der harten Realität konfrontiert, lernt erstmals tiefen Schmerz und Verlust kennen, nimmt Abschied von der Kindheit.

In seinem Roman schildert Philippe Labro autobiografisch die Ereignisse während der deutschen Besatzung, setzte den zahlreichen unbekannten Helden ein Denkmal, die sich mutig der Unterdrückung entgegen stellten und trotz der schwierigen Situation Zivilcourage bewiesen. In seiner filmischen Adaption erzählt Granier-Deferre die Geschichte aus dem Blickwinkel eines Kindes, das eigentlich nur mehr Zärtlichkeit und Zuneigung von seiner Umwelt erwartet und plötzlich Verantwortung übernehmen muss, von einem Tag auf den anderen den Einbruch von Gewalt in seinen Alltag erlebt, durch seine Naivität fast den Tod Unschuldiger provoziert. Er zeichnet das Ende einer Kindheit einfühlsam und mit emotionaler Kraft, zeigt die Verstrickungen des Individuums in die "große" Politik und die Notwendigkeit, Positionen zu beziehen. Garnier-Deferre verzichtet auf Pathos oder politisch-moralische Botschaften, er vermittelt ein Stück Lebenswahrheit, französische Geschichte und authentische Gefühle. Dabei verteilt er keine Schuldzuweisungen, lässt aber spüren, dass sich niemand aus der Verantwortung stehlen kann. Sein Film ist nicht nur ein Plädoyer für Humanität und Solidarität, sondern auch eine Ode an die Institution Familie und das fürs Überleben wichtige Zusammengehörigkeitsgefühl. Da der kleine François keine überhöhte Idealfigur, sondern ein "ganz normaler" Junge mit Fehlern und Schwächen ist, wird "Le Petit Garçon" sicherlich auch ein jüngeres Publikum ansprechen.

Margret Köhler

 

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KJK-Ausgabe 62/1995

 

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