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Ausgabe 62-2/1995

TASCHENDIEB

DE TASJESDIEF

( zum Film DER TASCHENDIEB)

Produktion: Shooting Star Film / Tros Television, Niederlande 1995 – Regie und Buch: Maria Peters – Kamera: Hein Groot – Schnitt: Ot Louw – Musik: Ad van Dijk – Darsteller: Olivier Tuinier (Alex), Aus Greidanus (Lucas), Micha Hulshof (Evert), Ingeborg Jyt Den Boogaard (Großmutter) u. a. – Länge: 97 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Shooting Star Film Company BV, Prinsengracht 546, NL-1017 KK Amsterdam, Tel. 0031 20 6247272 – Altersempfehlung: ab 8 J.

Der zehnjährige Alex hat eigentlich ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern, doch haben sie wenig Zeit und auch wenig Verständnis für sein Interesse an alten Knochen und Skeletten. Nur seine Großmutter, die er liebevoll "Roos" nennt, versteht ihn. Er besucht sie oft in ihrem abgelegenen Haus am Stadtrand. Eines Tages, als er zu ihr fährt, passieren merkwürdige Dinge. Zwei mit Motorradhelmen bekleidete und nicht gerade freundlich aussehende Jungen kommen aus ihrem Haus. Und der Verdacht, dass hier etwas nicht stimmen kann, bestätigt sich, als Alex seine Großmutter inmitten eines großen Durcheinanders an die Heizung gefesselt vorfindet. Roos wurde beklaut, doch sie will keine Polizei. Sie befürchtet, dass man sie in ein Altersheim stecken könne, weil sie nicht mehr in der Lage ist, auf sich aufzupassen. Alex Mutter hatte schon öfter angedeutet, dass Großmutter besser in einem Altersheim aufgehoben sei, und deshalb verspricht Alex, keinem Menschen von diesem Vorfall zu erzählen. Dieses Versprechen hat schlimme Folgen.

Die beiden Einbrecher, die Brüder Evert und Lucas, verfolgen nun Alex. Aus Angst, er könne sie erkannt haben und der Polizei melden – einer von beiden war ehemals in Alex Schulklasse – drohen sie ihm mit Schlägen und vor allem damit, weiterhin seine Großmutter zu belästigen. Als die beiden hartgesottenen Brüder merken, wie sehr sie Alex unter Druck setzen können, gehen sie noch weiter. Kein Tag vergeht, an dem sie ihm nicht auflauern, sie wollen Geld von ihm, zerstören seine Klarinette und zwingen ihn schließlich, die Handtaschen älterer Damen zu stehlen. Alex vertraut sich weder seiner Großmutter noch seinen Eltern an. Er flüchtet sich in eine Krankheit, doch er kann den beiden gewalttätigen Jungen nicht entkommen. Als er keinen Ausweg mehr sieht, erzählt er der ahnungslosen Roos von den Drohungen, Erpressungen und Diebstählen. Danach schafft er es aus eigener Kraft, sich gegen die Brüder zu wehren: Er lockt sie in das dunkle Schulgebäude, von dort aus ruft er die Polizei.

Das Ende des Films war gut gedacht. Alex sorgt selbst dafür, dass Evert und Lucas von der Polizei gefasst werden und gewinnt dadurch neues Selbstvertrauen. Doch wäre dazu der gigantische Showdown, in dem alle möglichen Mittel einer Verfolgungsjagd eingebaut werden, nicht nötig gewesen. So kommt der Film genau an dieser Stelle aus seinem Rhythmus und verliert an Überzeugung. Bis dahin behandelt er realitätsnah ein aktuelles Thema. Gewalttätige Tendenzen bei Kindern und Jugendlichen, Erpressungen und Gewaltandrohungen unter Gleichaltrigen sind heutzutage keine Einzelfälle mehr. Ohne sich an der Gewalt zu weiden, zeigt "Taschendieb" die verschiedenen Facetten, die dazu beitragen, dass Kinder sich untereinander das Leben zur Hölle machen. Maria Peters betreibt keine Schwarz-Weiß-Malerei. Vielleicht wirkt es ein wenig lehrbuchhaft, dass die beiden halbstarken Brüder ohne Vater aufwachsen mussten und dass sie es mit ihrem Stiefvater, der sie und ihre Mutter prügelt, nicht leicht haben. Doch trägt dieses Wissen dazu bei, sie zu verstehen, sogar ein wenig Mitgefühl mit ihnen zu entwickeln. Der Film lässt so dem Zuschauer nicht nur den einseitigen Blick auf das Opfer, das er ebenso differenziert darstellt: Zwar ist Alex den weit überlegenen Jungen hilflos ausgeliefert, aber seine Schwäche hat im Grunde in einer Stärke seine Ursache, nämlich in der Loyalität und Treue zu seiner Großmutter. Er möchte sein Versprechen halten, sie vor dem Altersheim bewahren. Dass sie lange Zeit nicht bemerkt, was mit ihrem Enkel los ist, obwohl sie doch seine wichtigste Vertraute ist, zeugt von mangelnder Sensibilität Erwachsener gegenüber Kindern. Auch die Eltern kommen bei dieser Geschichte nicht gut weg. Beschäftigt mit den eigenen Dingen, haben sie die vielen Anzeichen dafür, dass ihr Sohn in Schwierigkeiten ist, nicht wahrgenommen.

"Taschen-Dieb" ist ein dem Thema entsprechend flott inszenierter Film, dem es an Spannung nicht mangelt, mit einem überzeugenden Hauptdarsteller (Olivier Tuinier, der auch schon in dem Film "Das Taschenmesser" die Hauptrolle spielte), einer glaubwürdigen Geschichte und einem leider etwas missglückten Ende.

Doris Schalles-Öttl

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 69-2/1997 - Filmbesprechung - DER TASCHENDIEB
KJK 65-2/1996 - Interview - "Für mich ist wichtig, dass Kinder mit Respekt betrachtet werden"
KJK 64-2/1995 - Hintergrund - "Taschendieb"
KJK 64-2/1995 - Kinder-Film-Kritik - Taschendieb
KJK 63-2/1995 - Kinder-Film-Kritik - Taschendieb

 

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