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Ausgabe 125-1/2011

Vom klanglich attraktiven Titel "Wintervater" zur heller anmutenden "Wintertochter"

Gespräch mit Johannes Schmid (Regie) und Philipp Budweg (Produzent) über ihren neuen Film "Wintertochter", eine deutsch-polnische Gemeinschaftsproduktion, die im Herbst 2011 ins Kino kommen wird

(Interview zum Film WINTERTOCHTER)

KJK: Sie hatten Glück bei den Dreharbeiten im Winter 2009/10. Das Land war tief verschneit, wie Sie es sich erträumt hatten …
Johannes Schmid: Ja, wir dachten, wir haben einen Jahrzehnt-Winter gefunden. Es war vorher nicht so winterlich und mit Drehbeginn kam plötzlich der Schnee. Ein Jahr zuvor mussten wir den Drehbeginn wegen fehlender Finanzierung verschieben, aber es ist auch überhaupt kein Schnee gefallen. So war die Verschiebung eigentlich ein großes Glück.

Erst "Wintervater", jetzt "Wintertochter" – warum diese Titeländerung?
Johannes Schmid: "Wintervater" haben wir immer als Arbeitstitel gesehen. Ich fand ihn zwar klanglich sehr attraktiv, aber es gab von vielerlei Seiten den Wunsch nach Änderung, denn Wintervater sei doch ein bisschen düster. Ich finde es gut, dass es jetzt weiblich ist, die Anmutung ist heller und es ist richtiger, den Film nach der Hauptfigur, dem Mädchen Kattaka, zu nennen.

Fünf Fernsehanstalten waren an der Produktion mit beteiligt. Hat der Einfluss sich nur auf den finanziellen Teil bezogen oder wurde auch redaktionell mitgesprochen?
Johannes Schmid: Wir hatten es zwar mit vielen Redaktionen zu tun, die führenden Personen aber waren Sabine Preuschhoff und Anke Sperl vom RBB. Inhaltlich hatten wir nur mit diesen beiden zu tun. Es gab  eine Rohschnittabnahme, da sind alle hier in München angereist, aber der Film war schon so weit, dass nicht mehr viel geändert wurde.
Philipp Budweg: Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) war schon von Anfang an unser Ansprechpartner, unsere Redaktion …
Johannes Schmid: ... zum Schluss holten wir mit vereinten Kräften die anderen ARD-Anstalten mit ins Finanzierungs-Boot.
Philipp Budweg: Es war ja letztlich so, dass man gesagt hat, die MDM beteiligt sich gern, wenn der MDR dabei ist. Das ist die "ostdeutsche Connection", die sich auch für Osteuropa interessiert, in unserem Fall Polen. Beim BR und NDR klopfte ich ebenfalls wegen finanzieller Beteiligung an. Erst einen Tag vor der entscheidenden MDM-Sitzung war der BR dabei und eine Woche vor Drehbeginn kam die Zusage vom NDR …

Die erste Zusage auf Förderung (250.000 Euro) kam vom BKM/Kuratorium.
Philipp Budweg: BKM/Kuratorium war der Anschub im April 2008. Da hatten wir die erste Fassung des Drehbuchs für "Wintervater" und wir versuchten, die Finanzierung aufzustellen. Der RBB war interessiert, aber die Länderförderung Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB) hatte zum Jahresende 2008 kein Geld mehr, der geplante Drehbeginn im Winter 2009 war nicht mehr zu halten. Wir mussten alle Pläne zurückstellen. Die Zeit nutzten wir für die Umarbeitung des Drehbuchs. Johannes und sein Co-Autor Michael Demuth hatten für "Blöde Mütze!" den Drehbuchpreis 'Kindertiger' erhalten, 25.000 Euro, die an ein Projekt gebunden sind. Die Auszahlung erfolgt erst, wenn ein neues Drehbuch vorliegt, es ist kein geschenktes Geld. Aber dieser Preis beziehungsweise Johannes' Anteil daran brachte neuen Schwung, war extrem hilfreich für "Wintervater".

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Drehbuchautorin Michaela Hinnenthal?
Philipp Budweg: Wir hatten uns 2003 beim Pitching in Erfurt kennen gelernt. Mir hat ihr Projekt gleich gefallen, weil der Beginn der Reise im Film so deutlich war – ein Mädchen erfährt: Mein Vater ist nicht mein Vater. Das Mädchen muss nach Danzig, in eine fremde Welt. Das war es auch für mich, ich war noch nie in Polen, hatte Lust dazu, auch Lust auf Winter.

Warum hat es so lange gedauert, das Projekt zu realisieren?
Philipp Budweg: Michaela hatte erst mal keine Zeit dafür, ein Jahr später klopfte ich bei ihr an und bekundete mein Interesse an dem Stoff. Zuerst wollten wir eine Drehbuchförderung von der FFA. Die Abgabe des Buches hat sich aber etwas verzögert, da Michaela ein Kind bekommen hat. Aber ein politisches Ereignis hat uns sehr geholfen: Polen wurde in die EU aufgenommen. Im Jahr 2006 gab es eine erste Fassung des Drehbuchs, aber da waren wir mit dem Film "Blöde Mütze!" beschäftigt.
Johannes Schmid: Ja, die erste Fassung war knapp fertig, als "Blöde Mütze!" fertig war. Dass ich auch für "Wintervater" die Regie machen würde, war da noch nicht klar …
Philipp Budweg: Ich fragte Johannes, ob er Lust darauf hätte.
Johannes Schmid: Und das hatte ich! Dann sind wir ein, zwei Fassungen mit Michaela Hinnenthal durchgegangen. Als dann das Geld vom Kindertiger kam, haben mein Bruder Thomas Schmid und ich, sozusagen in einer zweiten Phase, nochmals stark an dem Buch gearbeitet. Immer in Zusammenarbeit mit unserer Dramaturgin Nora Lämmermann. Zu guter Letzt ging das Buch wieder an Michaela, die nochmals ein letztes Polishing gemacht hat.

War die Redaktion vom RBB in dieser Phase des Umschreibens, Neuschreibens eingebunden, hat sie Einfluss auf das Drehbuch genommen?
Philipp Budweg: Von der Redaktion kam der Wunsch, dass noch ein männlicher Blick auf die Geschichte fällt. Es bestand ein wenig Uneinigkeit über Michaelas Fassung, in der die Mutter allein erziehend und der vermeintliche Vater vor zwei Jahren gestorben war. Es ging uns um das Konfliktpotenzial – ein toter Vater, da kann man keinen Zorn ablassen …

Wie gefällt der Drehbuchautorin der fertige Film "Wintertochter"?
Johannes Schmid: Sehr gut, sie ist glücklich mit dem Film.
Philipp Budweg: Trotz aller Umarbeitung ist ja der ursprüngliche Geist beibehalten worden.
Johannes Schmid: Es geht ja immer um eine Verbesserung.
Philipp Budweg: Um die Dramatisierung des Kerns. Insofern ist es schon Absicht, dass wir nicht ausschließlich für Kinder und Jugendliche erzählen. Die Szene mit dem alten Bauern in Polen zum Beispiel – das gibt eine Farbe im Film, die uns wichtig war, wo man sich auch über übliche dramaturgische Gesetzmäßigkeiten hinwegsetzt.

Die Drehbuchförderung ging ja noch an die Fassung mit dem toten Vater. Und auch die etwas melodramatische Schlussszene, in der die Mutter auf dem russischen Schiff ihr Baby bekommt, ist neu …
Johannes Schmid: Das war der größte Einschnitt, der gemacht wurde. Ich wollte nicht, dass der biologische Vater an die Stelle des toten sozialen Vaters tritt. Ich fand es viel richtiger, den russischen Vater als Bereicherung und nicht als Ersetzung zu erzählen. Und was die Schlussszene betrifft: Ich finde, irgendwo hat der Zuschauer das Recht, das neue Kind zu sehen. In gewisser Weise wird es hier doch noch Weihnachten, ein neues Kind, irgendwo in der Fremde. Wir haben versucht, die ganze Szene auf dem Schiff sehr schmal und dennoch sehr emphatisch zu erzählen. – Das gefällt mir gut.
Philipp Budweg: Ich finde auch, dass das ein warmes Bild ist, Kattaka mit ihrem kleinen  Bruder, man begleitet sie auf ihrem neuen Weg. Da ist noch alles offen, aber man entlässt am Ende des Films das Mädchen Kattaka und die alte Lene mit dem guten Gefühl, dass beide etwas gestemmt haben.

Im Grunde werden zwei Lebensgeschichten erzählt, die sehr schön verbunden sind. Man kann schon sagen, es ist ein Film für Kinder und Erwachsene in gleicher Weise. "Blöde Mütze!" war ja ein Arthousefilm für Kinder, so der von Ihnen geprägte Begriff, und was ist "Wintertochter"?
Johannes Schmid: Es ist ein Generationenfilm. Ich verweigere mich der Frage nach einer konkreten, engen Zielgruppe. Ich erzähle eine Geschichte über eine Zwölfjährige und eine 75-Jährige. Und ich glaube, dass das Spektrum der Menschen, für die der Film relevant ist, sehr breit ist. Sozusagen von 9 bis 99. Der Film wirft viele Fragen auf und erzählt aber so, dass man sowohl als Kind als auch als Erwachsener mitgehen, dass man sich mit bestimmten Dingen identifizieren kann. Und er bietet so viel! Allein die Locations, der Containerhafen, das ländliche Polen, der Winter mit dem vielen Schnee.

Der Film ist gut besetzt. Wie wurde das Mädchen gefunden?
Johannes Schmid: Der Name Nina Monka stand schon ganz früh im Raum, weil wir sie in "Friedliche Zeiten" gesehen hatten, aber da war sie noch viel zu klein. Jetzt ist sie im passenden Alter. Wir hatten mit unserer Casterin Daniela Tolkien – im vom Budget her beschränkten Rahmen – gecastet, ich selbst habe an die hundert Kinder, die altersmäßig in Frage kamen, persönlich getroffen, um dann am Ende wieder bei der ersten Besetzungsidee zu landen. Wie das so oft ist ...

Und den polnischen Jungen und die alten Leute auf dem Land – wer hat die gefunden?
Johannes Schmid: Ich hatte einen Castingpartner in Polen. Doch die Besetzung des Jungen, der so gut deutsch spricht und auch spielen kann, hat sich als schwierig erwiesen, den haben wir von deutscher Seite dazu geholt. Es war ein großes Glück, er spielte schon den Maulwurf in der „Perlmutterfarbe“, seine Mutter ist Polin. Die anderen polnischen Rollen hab ich gemeinsam mit dem polnischen Kollegen besetzt. Prägend und ein Erlebnis war für mich die Zusammenarbeit mit den hervorragenden polnischen und russischen Schauspielern, dieser Mix aus polnisch, russisch, deutsch. Und natürlich Ursula Werner als Lene, ein echter Glücksfall. Toll finde ich, dass die Besetzung des Films durch alle Altersklassen geht, das Baby ist drei Wochen alt, der polnische Bauer 86, ein Superstar von Wajda, der mittlerweile leider verstorben ist.

Wie kam es zur polnischen Co-Produktion mit Pokromski Studio Warschau?
Philipp Budweg: Wir hatten mal eine Einladung als Gastdozenten für Produktion in die Masterclass der Filmakademie Ludwigsburg. Wir kamen mit unserem Film „Aus der Tiefe des Raums“. Da lernten wir Mikolaj Pokromski kennen, damals noch Hochschulstudent, der fließend Deutsch sprach. Wir blieben in Kontakt … Erst später erfuhren wir, dass sein Vater auch im Business ist, der international renommierte Maskenbildner Waldemar Pokromski, den wir auch für unser Projekt gewonnen haben, er machte die Chefmaske. Übrigens war der RBB auch am Set, hat uns tageweise begleitet, drehte ein Making-of für sein deutsch-polnisches Magazin "Schmidt trifft Kowalski", das sie kurz vor dem Filmstart senden werden. Außerdem ist "Wintertochter" der erste Film, der Projektentwicklungsförderung aus dem neugegründeten deutsch-polnischen Co-Developmentfonds (MBB, MDM, Polnisches Filminstitut) erhalten hat.

Wann ist die Kino-Premiere geplant?
Philipp Budweg: Im Oktober 2011, wenn – hoffentlich – der letzte schöne Herbsttag vorbei ist.

In Saarbrücken wird  er beim Max-Ophüls-Festival laufen, in welchem Kontext?
Johannes Schmid: Wir annoncieren ihn nicht als einen Film für Kinder zwischen 10 und 14, er wird kein Etikett tragen. Das finde ich richtig, weil ich glaube, dass man den Film nicht so stark über die Nachmittagsschiene laufen lassen kann. Es ist offener, ihn einem gesamten Publikum vorzustellen, deshalb freue ich mich sehr über die Einladung in den Wettbewerb in Saarbrücken.

Sie haben "Wintertochter" für die Berlinale / Kinderfilm-Sektion "Generation" eingereicht. Es würde ja alles gut passen, von der Ästhetik her, den Bildern, der Location, und dazu noch ein Originalstoff, nach dem ja immer wieder gefragt wird ...
Johannes Schmid: Das Programm ist ja noch nicht raus. Wenn sie ihn nicht nehmen, werden sie ihre Gründe haben.

Schlussbemerkung: Das Gespräch fand am 16.12.2010 in München statt. Der Film "Wintertochter" wurde nicht fürs Programm der Berlinale/Generation ausgewählt. Schade!

Mit Johannes Schmid und Philipp Budweg sprachen Gudrun Lukasz-Aden und Christel Strobel

 

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