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Ausgabe 126-2/2011

"Das Land hat mich geprägt

Gespräch mit Oliver Schmitz, Regisseur des Films "Geliebtes Leben"

(Interview zum Film GELIEBTES LEBEN)

Der in Kapstadt als Kind deutscher Einwanderer geborene Oliver Schmitz lebt und arbeitet inzwischen in Berlin und etablierte sich als Fernsehregisseur, inszenierte Komödienserien wie "Türkisch für Anfänger" und "Doctor‘s Diary", führte aber auch Regie bei einer Episode des Omnibusfilms "Paris je t‘aime". Für seine erste Spielfilmregie des Gangsterdramas "Mapantsula" kehrte er 1987 nach Südafrika zurück. Jetzt erzählt er in "Geliebtes Leben" nach Allan Strattons  Buch "Worüber keiner spricht" vom Schicksal eines jungen Mädchens in einer ländlichen Township in Südafrika, das für den Zusammenhalt der Familie kämpft und Verantwortung übernimmt, unbequeme Fragen stellt und das Schweigen über Aids bricht.

KJK: Der Film basiert auf Allan Strattons Romanerfolg „Worüber keiner spricht“. Kannten Sie das Buch schon vorher?
Oliver Schmitz: Produzent Oliver Stoltz hat mir den Roman angeboten und ich konnte nicht aufhören zu lesen. Nach der Entwicklung des Drehbuches mit dem Kanadier Dennis Foon ging alles relativ schnell. Die in der Vorlage 16-jährige Hauptfigur haben wir um drei Jahre verjüngt, weil wir sie mit einer Unschuld erzählen möchten. In Südafrika werden die Kinder schnell erwachsen, wissen schon früh über alles Bescheid. Deshalb war diese Änderung sehr wesentlich und der Romanautor war nach einigem Zögern auf unserer Seite. Einiges mussten wir kürzen, so ist ein bestimmter Teil der Vorgeschichte herausgefallen, doch der Kern des Buches ist geblieben. Wichtig war die Sicht des langsam erwachsen werdenden Mädchens, das weckt Empathie.

Machen "Naivität" und "Einfachheit" die Rezeption und das Verständnis leichter?
Wir erzählen die Geschichte aus der Perspektive des jungen Mädchens, deshalb ist eine gewisse Naivität notwendig, am Anfang weiß sie noch nicht, was los ist. Erst im Verlauf des Films versteht der Zuschauer mit ihr, was passiert.

Richtet sich der Film primär an ein jugendliches Publikum?
Er ist nicht als Jugendfilm konzipiert, könnte bei einem jugendlichen Publikum aber sehr gut funktionieren und sollte ein breites Publikum jedweden Alters ansprechen. Beim Kinderfilmfestival in Giffoni waren die jungen Zuschauer sehr berührt und haben den Film nicht nur gut aufgenommen, sondern auch darüber diskutiert. Die Stärke des Films für Jugendliche liegt darin, sich mit der Hauptfigur identifizieren zu können und aus den Augen einer Gleichaltrigen einen Blick auf eine andere Welt zu werfen.

Wird nicht auch unser vorgefertigtes Afrikabild zurechtgerückt?
Die Geschichte spielt in Afrika, könnte aber auch woanders spielen. Bewusst habe ich die Handlung in einer Nachbarschaft angesiedelt, ohne diese Klischeebilder von Armut und Gewalt. Ich wollte keine Stereotypen reproduzieren, sondern den ganz normalen Alltag vermitteln. Es herrscht nicht unbedingt Wohlstand, aber es geht den Menschen nicht schlecht, sie leben ganz gut ohne größeres Leiden oder finanzielle Schwierigkeiten, bis klar wird, dass es da dieses Aidsproblem gibt.

Auf welche Haltung zu Aids sind Sie bei Ihren Recherchen gestoßen?
Der Umgang mit dem Thema ist schwierig, da prallen auch Weltanschauungen aufeinander. Die Politik der letzten 15 Jahre war sehr konfus und kontraproduktiv, da bezweifelt der Staatschef öffentlich, dass HIV und Aids etwas miteinander zu tun haben und die Gesundheitsministerin empfiehlt Olivenöl als Mittel gegen Aids. Da kann man nur den Kopf schütteln. Es wurden schon Millionen von Dollar in die Aidsaufklärung gesteckt, die meisten Leute in Groß- oder Kleinstädten wissen über das Thema Bescheid, auf dem Land vielleicht etwas weniger. Es herrscht ein gewisses Misstrauen und eine bestimmte Furcht, was die Krankheit angeht, obgleich sie inzwischen kein Todesurteil mehr bedeutet. Wenn die Krankheit einen persönlich betrifft oder die Familie, wird oft noch geschwiegen. Eine offene Diskussion wäre besser. Auch darum geht es im Film. Es leben mindestens 800.000 Aids-Waisen in Südafrika, aber die Kinder können immer noch nicht sagen, woran ihre Eltern gestorben sind, Familien und Nachbarn kümmern sich nicht darum. Andere Länder wie Uganda mit einem guten Aufklärungsprogramm haben das Problem in den Griff bekommen. In Südafrika gibt es Fortschritte auf diesem Gebiet, aber noch ist Aids ein brisantes Thema und das Ausmaß dessen, was noch gemacht werden muss, sehr groß.

Wie haben Sie Realitätsnähe erreicht?
Wichtig war vor allem eine authentische Besetzung. Die junge Khomotso Manyaka  hatte genau die notwendige kindliche Ausstrahlung. Sie musste sich aber in ihrem Umfeld sicher und geborgen fühlen, um diese Rolle zu spielen, schließlich hatte sie noch nie vor einer Filmkamera gestanden. Eine Voraussetzung war deshalb, dass sie die Welt verstehen konnte, kulturell und anhand der Sprache, deshalb fiel auch die Entscheidung, in Pedi – einer relativ kleinen Sprache – zu drehen.

War es nicht ein Risiko in dieser fremden Sprache zu drehen?
Kann sein. Den Film auf Englisch zu drehen, damit er international vielleicht besser funktioniert, hätte dem Ganzen eine andere künstliche Qualität gegeben. Bei dem Versuch, alles auf Englisch zu erklären, verliert man die kleinen Wahrheiten des Lebens, den Blick auf das Leben, von dem man eigentlich erzählen will. Insbesondere bei einer Geschichte, die in einem kleinen Ort in einer ganz anderen Kultur spielt. Die Kinder mussten sich wohl fühlen und ihre Sprache sprechen. Das Drehbuch lag in Englisch und in Pedi vor, mit der Zeit habe ich ein Gespür für die Sprache bekommen und verstehe inzwischen ein wenig. An meiner Seite stand auch immer jemand zur Kontrolle. Als Regisseur gehe ich nach dem Bauchgefühl. Wenn die Emotionen stimmen, kommt das auch in der fremden Sprache richtig rüber.

In Deutschland gibt es eine Synchronfassung …
… in ganz normalem Umgangsdeutsch und für Kinobesitzer, die es wollen, auch eine deutsch untertitelte Fassung. Die deutschen Kinder haben ihre Sache gut gemacht und genau die Tonalität des Films aufgegriffen. Ich war eigentlich immer skeptisch gegenüber Synchronisation, aber gerade bei Jugendlichen halte ich eine übersetzte Form für besser, da werden sie nicht durch Lesen abgelenkt und können sich in die Welt und das Leben der Figuren vertiefen.

Welche Beziehung haben Sie heute zu Südafrika.

Ich habe lange dort gelebt, das Land hat mich geprägt. Wenn ich einen Film in Südafrika drehe, ist das immer etwas sehr Persönliches für mich, eine Art Heimkehr.

Zurück zur Entstehung des Films: Wie verliefen die Dreharbeiten vor Ort?
Jeder Dreh kämpft mit Problemen und Schwierigkeiten. Es regnete sehr viel für die Jahreszeit, was den Drehplan obsolet machte und Flexibilität erforderte. Für die Menschen war es der erste Kinofilm, der überhaupt in ihrer Region gedreht wurde, viele haben begeistert mitgewirkt als Kleindarsteller oder Crewmitglied. Ganz anders als in Großstädten wie Johannesburg, wo Dreharbeiten zum Alltag gehören. Die Leute waren noch nicht abgestumpft oder genervt durch ständige Filmteams, sondern neugierig und sehr freundlich.

Und die Logistik?
Die Location lag ungefähr drei Stunden von Johannesburg entfernt, eine relativ lange Fahrt. Aber wir hatten alles vor Ort und zum Glück keine technischen Probleme, wir wohnten in der Nähe, der Dreh war nie gefährdet. Manchmal verstanden die Leute nicht, wie kostbar die Zeit bei Dreharbeiten ist. Da konnte es vorkommen, dass der Busfahrer morgens nicht auftauchte, weil er noch Kinder in die Schule fahren musste.

Hat die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika Land und Leute vorangebracht?
Die internationalen Begegnungen und der Ausbau der Infrastruktur haben das Land sicherlich vorwärts gebracht. Über eine nachhaltige und längerfristige positive Wirkung für die Menschen wage ich kein Urteil. Nach der ersten Euphorie kam schon die erste Depression, trotz großartiger Leistung. Die Fußballweltmeisterschaft hat Aufmerksamkeit und Interesse für Südafrika geweckt, das kann positiv sein.

Interview: Margret Köhler

 

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