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Ausgabe 133-1/2013

"Fremde Kinder: Der Vorführer"

Interview mit Saheen Dill-Riaz

(Interview zum Film Preisträgerfilm der "Großen Klappe" 2012)

Auszug aus dem Gespräch, das Teilnehmer der Medienakademie des Max-Planck-Gymnasiums Duisburg nach der Preisverleihung am 9. November 2012 mit Saheen Dill-Riaz führten.

Was bedeutet es für Sie, den Preis "Große Klappe" für den besten Kinderdokumentarfilm bei doxs! bekommen zu haben?
Saheen Dill-Riaz: Über die Anerkennung freue ich mich – dass der Film ein Zielpublikum sehr genau treffen konnte. Ich habe auch mit ein paar Schülern und Kindern hier gesprochen, sie mochten den Film sehr und es freut mich, dass nicht nur die Erwachsenen gesagt haben "das ist ein Kinderfilm und die Kinder hier sollten ihn sehen", sondern die Jugendlichen haben einfach selber den Film angeschaut und selber ihm eine gewisse Würdigung erteilt. Das gelingt uns nicht immer. Wenn man im dokumentarischen Bereich arbeitet, sind es überwiegend schwere Themen – Themen, die man sonst nicht im Spielfilm behandeln kann oder will – und diese etwas schwermütigen Filme laufen dann irgendwann mitten in der Nacht. Das ist unser Schicksal, das der Dokumentarfilmer. Da herauszukommen und beim jungen Publikum anzukommen mit einem Filmprojekt, das ist schon eine großartige Anerkennung, finde ich.

Warum haben Sie diesen Jungen und seine Familie ausgewählt, und wie haben Sie ihn gefunden?
Den Jungen habe ich durch einen Zufall gefunden. Ein Fotografenfreund hat von einer Begegnung mit dem Kind erzählt, mir ein Foto gezeigt und ich war total beeindruckt. Das ist das Foto, was in dem Schlafzimmer immer noch hängt, wo er sechs Jahre alt war. Das hat mich sehr angesprochen, ich wollte diesen Jungen kennen lernen und habe auch mit dem Gedanken gespielt, ob das nicht ein Filmstoff wäre. Sechs Monate später habe ich den Jungen kennen gelernt in Bangladesch, seine Familie besucht und habe sofort gewusst, dass es eigentlich sehr gut passen würde. Die Familie war sehr hilfsbereit und interessiert. Die Nachbarn waren auch sehr kooperativ. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass alle Kinobesitzer die Filmteams in den Vorführraum lassen, weil sie immer die Angst haben, dass Raubkopien entstehen könnten. Aber der Kinobesitzer hat uns vertraut und wir haben uns natürlich daran gehalten, dass diese Filmausschnitte nicht aus der Hand geraten.

Wie sind Sie auf die Idee für den Film gekommen?
Die Idee war, dass es ein Porträt für diese Reihe "Fremde Kinder" in 3sat sein soll, für die habe ich schon mal einen Film gemacht. Als ich die Geschichte gehört und das Foto gesehen habe von diesem Jungen, wusste ich sofort, dass es sehr gut für die Reihe passen würde. Und so bin ich auf die Idee gekommen, das Porträt von dem Jungen für die 3sat Reihe "Fremde Kinder" einzureichen. Und sie haben mir geglaubt, dass daraus ein guter Film entstehen kann und wir sind froh, dass wir es geschafft haben.

Was hat Sie bei der Familie am meisten berührt?

Am meisten berührt hat mich die Mutter – und Rakib selbst. Die Mutter ist eine Frau, die sehr stark ist, die es aus eigener Kraft geschafft hat, drei Kinder in die Schule zu schicken. Sie glaubt daran, dass die Kinder Bildung brauchen und sie setzt alle Kräfte frei, um das zu ermöglichen, auch wenn sie nebenbei die beiden Kinder arbeiten lässt. Aber das macht sie nicht gerne. Das macht sie, weil sie keine andere Wahl hat. Sie arbeitet auch selber als Haushaltshilfe, aber das reicht nicht und deswegen versuchen sie noch ein kleines bisschen zusätzlich zu verdienen. Deswegen habe ich großen Respekt vor dieser Frau. Sie hat mich sehr gerührt als Person. Rakib auch, als Junge. Ich habe mich geschämt, dass man als Erwachsener manchmal so doof sein kann, und wir merken es gar nicht. Die Kinder haben auch ein Verantwortungsgefühl und es ist nicht so, dass man behaupten kann, die Kinder wissen nicht, was sie tun, dass sie sich keiner Verantwortung, ihrer Handlung oder ihrer Tat bewusst sind. Sie sind sich dessen durchaus bewusst. Bloß die Erwachsenen nehmen das manchmal gar nicht wahr. Und das hat mich wirklich sehr berührt.

Was fasziniert Sie am Filmemachen und warum machen Sie hauptsächlich Dokumentarfilme?

Warum ich Filme mache ... weil ich nichts anderes kann. Und irgendwann habe ich gemerkt, das ist etwas, was ich machen möchte. Ich wollte nie Dokumentarfilme drehen, ich wollte Spielfilme drehen und ich habe Kamera studiert – das wollte ich auch nicht, ich wollte eigentlich Regie studieren. Es sind so mehrere Zufälle, die dann zusammenkamen. Dokumentarfilme entstanden dadurch, dass ich im ersten Studienjahr Dokumentarfilme gedreht habe, mit den anderen Regisseuren, als Kameramann. Die Schnittfassungen mochte ich nicht, deshalb wollte ich selber was schneiden. So kam es dazu, dass ich bei meinem Diplomfilm selber Regie geführt habe, obwohl es eine Kameraübung war. Der ist gut angekommen, also habe ich mir gedacht, mach mal einfach weiter so. Seit 2002 habe ich sieben Filme gemacht, bei denen ich auch selber Regie geführt und Kamera gemacht habe. Aber nichtsdestotrotz ist mein Wunsch nach Spielfilmen immer noch da und irgendwann schaffe ich vielleicht auch die Kurve.

 

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KJK-Ausgabe 133/2013

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