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Ausgabe 46-2/1991

DER KAMPF DER TERTIA

Produktion: Terra-Film AG, Berlin, Deutschland 1928 – Regie: Max Mack – Drehbuch: Axel Eggebrecht, Max Mack, nach dem Roman von Wilhelm Speyer – Kamera: Emil Schünemann (Tricks Lagorio und Malachowski) – Darsteller: Karl Hoffmann, Fritz Draeger, August Wilhelm Keese, Gustl Stark-Gstattenbaur, Ilse Stobrawa, Max Schreck u. a. – Laufzeit: 93 Min. (24 B/sec; 2538 m) – s/w

Max Macks Stummfilm "Der Kampf der Tertia" von 1928 galt in Deutschland lange Zeit als verschollen. In den meisten einschlägigen filmhistorischen Nachschlagewerken wird der Film nicht genannt. Lediglich Siegfried Kracauer bescheinigte in seiner Studie 'Von Caligari zu Hitler' unter Berufung auf zeitgenössische angelsächsische Besprechungen in einer kleinen Notiz, dass der Schülerfilm "ein sensibles Verständnis für vorpubertäre Gefühle aufweist". Schließlich fand sich in den Schatzkellern der Cinémathèque Suisse in Lausanne eine beschädigte Kopie, die auf Initiative des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt/Main eigens für das 16. Internationale Kinderfilmfestival rekonstruiert wurde. Die restaurierte Fassung wurde dort im Herbst 1990 in einer Sondervorführung gezeigt.

Die Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Wilhelm Speyer handelt von den Abenteuern einer Schulklasse in der kleinen norddeutschen Küstenstadt Boestrum. Die Tertia, die von ihren sportbegeisterten Lehrern jeden Morgen zum Fahnenappell kommandiert wird, ist ein Sonderfall. Das einzige Mädchen der Klasse, die resolute Daniela, führt das große Wort unter den Jungs. Selbstverständlich macht sie bei allen Unternehmungen, ob Kriegsspiel oder Häuptlingswahl, an vorderster Front mit. Als sich die Jungs ihren Kommandoton nicht mehr gefallen lassen wollen, zieht sich die ruppige Amazone in eine stacheldrahtbewehrte Sandburg zurück und bedroht alle Eindringlinge mit Pfeil und Bogen.

Unterdessen beschließt der Stadtrat auf Betreiben des Verordneten Benno Biersack (eine Paraderolle für Max Schreck), der Katzenplage in der Stadt mit rabiaten Mitteln zu begegnen. Künftig werden für jede abgelieferte Katze 20 Pfennig bezahlt. Die empörten Tertianer beschließen, einen Gegenfeldzug zu organisieren. Eines Nachts schleichen sie in die Stadt und malen auf alle Wände die Aufforderung "Seid gut zu den Tieren!" Zwar wird ein Schüler von einem tollpatschigen Wachtmeister festgenommen, seine gewieften Kameraden können ihn aber schon bald wieder befreien. Am nächsten Tag kapern die Tertianer mit ihrem Segelboot das Motorschiff Biersacks und nehmen ihren Widersacher gefangen. Plötzlich mischt sich jedoch eine rivalisierende Gymnasiastenklasse in den Kampf um die Katzen, so dass es zu einer wilden Schülerschlacht kommt. Erst Daniela, die ihre selbst gewählte Isolation aufgegeben hat, kann mit ihren zwei Riesenhunden die Keilerei für die Tertianer entscheiden. Diese setzen mit einer Protestaktion vor dem Rathaus schließlich die Rücknahme des Beschlusses durch. Ihr Sieg wird in der Lokalzeitung verkündet.

Geradezu modern mutet in diesem mehr als ein halbes Jahrhundert alten Schülerfilm, dessen Drehbuch Max Mack zusammen mit Axel Eggebrecht schrieb, der geschickte Gebrauch propagandistischer Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung an. Nicht erst 1968 oder 1991, sondern schon in den vom politischen Extremismus geprägten 20er-Jahren gingen Schüler auf die Straße, schrieben Graffitis oder verwendeten Bekanntmachungen und Spendenaufrufe, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

Auf viele heutige Zuschauer dürfte das hektische Gestikulieren der Laien und das pathetische Spiel der professionellen Darsteller reichlich exaltiert wirken. Gleichwohl ist dieser frühe Tierschützer-Film auch heute noch sehenswert, nicht zuletzt wegen seines entschiedenen Engagements für das Existenzrecht der Tiere. Manche Schwächen der Erzählweise, die in den Augen eines dem Stummfilm entwöhnten Publikums zuweilen umständlich erscheint, werden durch einige Regieblitze reichlich aufgewogen. Allein schon der äußerst witzige kurze Zeichentrickfilm über eine schwarze Katze, der zu Beginn der Stadtratssitzung als Film im Film vorgeführt wird, ist es wert, sich dieses Kinderfilmschmankerl anzusehen.

Die Kinoqualität des Stoffes erkannte 1952 auch Erik Ode, als er den fesselnden Roman mit Brigitte Rau noch einmal verfilmte. Ein Vergleich dieser beiden Literatur-Verfilmungen dürfte für einen amüsanten Kinoabend sorgen.

Reinhard Kleber

 

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