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Ausgabe 100-4/2004

Zur 100. Ausgabe

Im März 1980 erschien Nr. 1 der "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz" – mit einem Logo auf dem Titel, das unverändert geblieben und zum Markenzeichen geworden ist. Jetzt liegt die 100. Ausgabe der KJK vor, der nach wie vor einzigen deutschsprachigen regelmäßig erscheinenden Publikation, die sich dem Thema Kinder- und Jugendfilm widmet. Die Intentionen der Herausgeber drückte Jürgen Barthelmes, Medienwissenschaftler am Deutschen Jugendinstitut und Gründungsmitglied von Kinderkino München e.V., in seinem damaligen Vorwort aus, das wir hier – auch als ein Zeitdokument – ungekürzt wiedergeben.

"Kinder. Jugend. Film. Kinderfilm. Jugendfilm. Und nochmals: Film. Der Titel dieser Korrespondenz lässt sich auf verschiedene Weise lesen. Und so ist das auch gedacht. Es gibt Kinderfilme, es gibt Jugendfilme, es gibt Filme, die Kinder und Jugendliche mit Vorliebe und Interesse sehen, obgleich sie für Kinder und Jugendliche weder gedacht noch gemacht sind. Und es gibt Filme für Kinder und Jugendliche im Kino und im Fernsehen. Mit alledem wird sich diese Korrespondenz befassen: mit Kindern, mit Jugendlichen, mit ihren Filmen im Kino und im Fernsehen, mit deren Produktion, Verleih, Abspiel und Rezeption.

Seit geraumer Zeit – insbesondere aber mit Beginn des bereits beendeten 'Jahr des Kindes' – wird viel geredet von Kinderkultur und Jugendkult, von Kinderfilm und Jugendkino, von Sog und Drog der Fernsehbilder. Auf der anderen Seite wunderte man sich über die plötzliche Geschäftigkeit in Sachen Kinderfilm – was immer das genau und im einzelnen sein mag.

Der plötzliche Reichtum an Filmen von und für Kinder, von und für Jugendliche, blieb indessen aus, obgleich Anregungen und Vorschläge gemacht, obgleich (finanzielle) Lösungen ausgedacht wurden, obgleich es einen 'Tag mit dem Wind' und die 'Schluchtenflitzer' gab. Die Misere des deutschen Kinderfilms bleibt manifest.

Nun mag man einwenden: Warum sich gerade jetzt um den Kinderfilm, um das Jugendkino kümmern, wo es doch manifestere Probleme angesichts der 'Zukunftslosigkeit unserer Kinder und unserer Jugend' in der Bundesrepublik gibt: offene und verdeckte Kinderfeindlichkeit, Kindesmisshandlungen, Drogenprobleme, Arbeitslosigkeit, Kinder- und Jugendkriminalität, Lebensgefahr im Straßenverkehr, Zerstörung der Umwelt und der Zukunftsaussichten von Kindern und Jugendlichen, Schulangst, Kindersuizid ... Einer Misere des Kinder- und Jugendfilms angesichts solcher Probleme entgegen zu wirken, scheint luxuriös zu sein.

Kindern und Jugendlichen müssen endlich Grundrechte zugestanden werden, so das Recht auf eine glückliche Kindheit, auf Schutz vor Vernachlässigung, Grausamkeit, Misshandlung, Ausnützung und Ausbeutung, auf soziale Sicherheiten, auf Liebe, Zuwendung, Fürsorge und Freundschaft. Neben diesen Grundrechten haben Kinder und Jugendliche jedoch auch ein Recht auf kulturelle Angebote wie Literatur, Theater, Musik, Bildende Kunst und Film. Diese kulturellen Angebote sind trotz ihrer verschiedenen Formen und Inhalte gleichermaßen dazu geeignet, Kindern und Jugendlichen ihre Wünsche, ihre Erwartungen, Vorstellungen, Hoffnungen, Enttäuschungen, Traurigkeiten und ihre Träume bestätigen zu lassen. Die Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf solche Angebote, deren Qualität sie selbst beurteilen, bestimmen und fordern sollen.

Aufgabe und Ziel dieser Korrespondenz ist es demnach, dieses Recht einzulösen, den Nutzen von Filmen für Kinder und Jugendliche zu entdecken, Anregungen für deren Qualität und Produktion zu geben, den Austausch von Meinungen und Erfahrungen zu ermöglichen."

Die Entwicklung des Kinder- und Jugendfilms spiegelt sich in den hundert Ausgaben der "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz". Die erste Nummer hatte einen Umfang von 29 Seiten und befasste sich mit folgenden Themen:

Kinder- und Jugendfilme im Angebot der internationalen Filmfestspiele Berlin 1980; Eine Dokumentation über die Produktion des Films "Die Kinder aus Nr. 67"; Mädchenfilme – Stiefkinder der Filmproduktion; Filmkritik "Im Herzen des Hurrican" (Drehbuch und Regie: Hark Bohm, 1980); Zwei Millionen für den Kinder- und Jugendfilm – Ein Bericht über die Produktionsförderung für gute Kinder-, Jugend- und Kurzfilmvorhaben im Rahmen der Wirtschaftsförderung für Westberlin 1980; Dokumentation: Die Kinder- und Jugendfilmförderung in der BRD (Stand 1980); Nachrichten; Arbeitsmaterialien für Spielstellen; Selbstdarstellung des Kinder- und Jugendfilmzentrums in der Bundesrepublik Deutschland; Termine und Veranstaltungen. Die Publikation schließt ab mit einer Standardliteraturliste für Mitarbeiter von Kinderfilmspielstellen.

Damit war bereits die Struktur der Publikation vorgegeben.

Die Gründung der "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz" ist verknüpft mit der Gründung des Kinderkino München e.V. im Oktober 1979. Damals stand fest, dass das ehemalige Sportlerkino im Olympiadorf als Kulturzentrum wiedereröffnet und dass dem Kinderfilm eine besondere Bedeutung zukommen wird. Insgesamt herrschte eine Aufbruchstimmung in der Bundesrepublik. So fand 1975 erstmalig eine Kinderfilmwoche in Frankfurt am Main statt (die sich zum renommierten internationalen Kinderfilmfestival "Lucas" entwickelte), 1977 wurde das Kinder- und Jugendfilmzentrum in der Bundesrepublik Deutschland gegründet, 1978 der Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. und 1979 etablierte sich das Kinderfilmfest im Rahmen der Berlinale. Trotz all dieser Initiativen und Aktivitäten war nicht zu erkennen, dass Kinderfilm als Bestandteil der Kinderkultur seinen angemessenen Platz in Tageszeitungen und Zeitschriften bekommt. Das Kinderfilmschaffen fand nach wie vor in den Printmedien so gut wie keine Beachtung. Vor diesem Hintergrund gründeten wir die "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz" und hatten somit selbst ein Organ, der neuen Kinderfilmkultur eine Stimme zu verleihen.

Der Start der KJK wurde von den Herausgebern privat finanziert. Die erste Auflage betrug 500 Exemplare. Es wurde viel gestreut, persönlich geworben und nach einem Jahr waren 200 Abonnenten gewonnen, was damals als Erfolg verbucht wurde. Nach einem Jahr, ab Nr. 5, begann die Kooperation mit dem Förderverein Deutscher Kinderfilm. Die Beilage des Fördervereins bedeutete eine Erweiterung der KJK und eine garantierte Abnahme für die Mitglieder zu besonderen Konditionen.

Die "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz" war von Anfang an eingebunden in die bundesdeutsche Kinder- und Jugendfilmszene, begleitete, reflektierte, dokumentierte das Kinderfilmschaffen im In- und Ausland. Ein Schwerpunkt bis 1990 galt dem Kinderfilm in den sozialistischen Ländern und im deutschen Nachbarstaat, wofür es eine eigene Rubrik "Der Kinderfilm in der DDR" gab. Welche Bedeutung die KJK dort hatte, zeigt der Beitrag von Klaus-Dieter Felsmann, der heute zu den ständigen KJK-Mitarbeitern gehört.

Als im Jahre 1998 die Stiftung Kuratorium junger deutscher Film neue Schwerpunkte setzte, und zwar auf Kinderfilm- und Talentförderung, kam es zur Zusammenarbeit zwischen "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz" und Kuratorium. Seitdem sind die gelben Seiten Bestandteil der KJK – ein Gewinn für beide Seiten: Die KJK erhält seitdem einen Druckkostenzuschuss und das Kuratorium hat einen kompetenten Verteiler für seinen Pressedienst.

Mit den Jahren hat sich der inhaltliche Umfang und die Abonnentenzahl vervierfacht. Und die KJK ist zu einer respektierten Fachpublikation für Multiplikatoren der Kinderkulturarbeit, Lehrer, Sozialpädagogen, Kinoleiter und Produzenten, Autoren, Regisseure geworden, wofür die ausführlichen Interviews (z. B. mit Uschi Reich, Caroline Link, Franziska Buch, Tommy Wigand) stehen.

Schon zwei Jahre nach der Erstausgabe erschien der erste KJK-Sonderdruck mit dem Titel "Der Kinderfilm in der CSSR", sozusagen als Begleitmaterial zu den gleichnamigen Kinderfilmtagen im Kinderkino Olympiadorf und Münchner Filmmuseum, die 1982 vom Kinderkino München e.V. veranstaltet wurden. Damals stand der Gedanke dahinter, Länder mit einem exemplarischen Kinderfilmschaffen vorzustellen, Regisseure zu würdigen, Einblick in die Produktionsbedingungen zu geben. Nach diesen Länderheften kamen Sonderdrucke zu speziellen Themen, von "Mädchenfilme" über "Kinderfilm in der Sozialpädagogik" bis zum Thema "Tod und Trauer im Kinderfilm", Regieporträts z. B. über Majid Majidi, Vaclav Vorlicek, Søren Kragh-Jacobsen, medienpraktische Sonderdrucke wie "Erlebnis Kinderkino" oder "Inspiration Kinderkino" bis hin zum "Filmkanon für Kinder". Insgesamt sind es bis jetzt 33 Sonderdrucke, die zusätzlich zu den hundert Ausgaben der KJK erschienen sind und von der Redaktion der KJK initiiert und erstellt und immer wieder vom Kinder- und Jugendfilmzentrum mitfinanziert wurden.

Gewachsen ist in den 25 Jahren natürlich auch die Zahl der ständigen Mitarbeiter der "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz", ein qualifizierter Kreis aus Journalisten, Medienpädagogen und Experten. Dass sie zu einem Anerkennungshonorar für die KJK arbeiten, wissen wir zu schätzen. Filmjournalisten schätzen jedoch auch die Möglichkeit, hier längere und daher differenziertere Texte schreiben zu können, das betrifft Filmkritiken und Interviews ebenso wie die Festivalberichte. So sind die Berichte aus erster Hand über internationale Kinder- und Jugendfilmfestivals, egal wo sie stattfinden – von Artek (Krim) bis Zlín (Tschechische Republik) – selbstverständlicher Bestandteil jeder Ausgabe.

Im Laufe der Zeit sind die Rubriken weiterentwickelt worden, reichen von Filmkritik bis Kinderfernsehen. Geblieben ist das Erscheinungsbild der Publikation im klassischen Schwarz/Weiß, in einer klaren Struktur, zurückhaltend gestaltet – viel Text, viel Information. Der Inhalt bestimmt die Form und den Umfang, der sich zwischen 60 und 64 kompakt beschriebener Seiten bewegt. Umso erfreulicher ist es, dass die – zugegebenermaßen manchmal anstrengende Lektüre – einen stabilen Abonnentenkreis hat.

Für die Zukunft wünschen wir uns natürlich trotzdem einen Abonnentenzuwachs, denn wir denken nach hundert Nummern nicht ans Aufhören! Und vielleicht kommen ja auch die Institutionen wieder zurück, die die "Kinder- und Jugendfilm Korrespondenz" in den letzten Jahren im Zuge der kulturellen und medienpädagogischen Sparmaßnahmen kündigten – immerhin haben sie damit 29 Euro im Jahr gespart, aber zu welchem Preis!

In 25 Jahren wechselvoller Geschichte des Kinder- und Jugendfilms, dokumentiert in der KJK von Nr. 1 bis 100, hat sich auf diesem Gebiet viel entwickelt. Der Kinderfilm hat eine gesellschaftliche Aufwertung erfahren. Jüngst hat die Bundeszentrale für politische Bildung Zeichen gesetzt mit dem vieldiskutierten "Filmkanon" – Film als Bestandteil der Kinder- und Jugendkultur soll als Unterrichtsfach jungen Menschen nahe gebracht werden. Und somit besteht Hoffnung, dass Film zur Allgemeinbildung avanciert. Wir werden die Entwicklung weiter beobachten und darüber berichten.

Die Redaktion

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 100-4/2004 - Hintergrund - Keine Mauerspechte, aber Brückenbauer

 

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