Produktion: Kinderdokumentarfilminitiative im Landesverband Kinder- und Jugenddokumentarfilm Berlin; Deutschland 2005 – Regie und Buch: Susanne Wodraschke – Kamera: Martin Langner – Schnitt: Kristine Langner – Länge: 45 Min. – Altersempfehlung: ab 12 J.
"In der 8. Klasse war ich mal zum Schüleraustausch in Duisburg. Die wollten da gar nicht glauben, dass wir hier auch eigene Häuser haben", so räsoniert der inzwischen 18-jährige Felix aus Frankfurt an der Oder in dem bemerkenswerten Dokumentarfilm von Susanne Wodraschke über Kinder und Jugendliche dieser Stadt am östlichen Rand Deutschlands.
Frankfurt an der Oder ist in den letzten Jahren innerhalb des deutschen Films geradezu zum Synonym für sozialen Zerfall, Ausländerfeindlichkeit, Tristesse und problematische EU- Osterweiterung geworden. Andreas Dresens "Halbe Treppe" ist in dieser Stadt angesiedelt, bei Hans-Christian Schmid platzen hier in "Lichter" die Wohlstandsträume seiner Protagonisten, unweit der Stadt werden in Benjamin Heisenbergs "Milchwald" als Belastung empfundene Kinder im polnischen Nichts ausgesetzt, Aelrun Goette fand hier ihren Stoff für die gleichermaßen authentische wie bedrückende Dokumentation "Die Kinder sind tot" und zuletzt gerät in Mirko Boschts "Kombat Sechzehn" ein aus dem Westen zugezogener Jugendlicher an diesem Ort fast zwangsläufig in die rechte Szene. Wer hierzulande etwas über die negativen Folgen einer ausschließlich am Markt orientierten globalen Weltwirtschaft erzählen möchte, der findet dafür in Frankfurt an der Oder augenscheinlich die ideale Kulisse. Der damit verbundene zweifelhafte Ruhm für die Stadt hat aber auch die Folge, dass sie inzwischen fast nur noch als bedauernswerter Problemfall wahrgenommen wird. Schlimmer noch, sie ist so etwas wie der "Schwarze Peter" geworden, den keiner haben und angesichts dessen man gern vergessen möchte, dass die hier angestauten Probleme lediglich die Spitze eines Eisbergs sind, der uns alle gefährdet.
Auch Susanne Wodraschke greift in ihrem Film die Konflikte auf, doch sie zeigt auch, wie junge Leute sich konstruktiv damit auseinandersetzen, wie sie zwar unter den Umständen leiden, doch dabei sich ihre Träume bewahren wollen. Damit rückt die Stadt wieder viel näher an das übrige Deutschland heran und es wird klar, hier herrscht inzwischen eine bedauernswerte Normalität, mit der wir uns alle auseinandersetzen müssen. Steffen schließt seine Überlegungen zu der Reise nach Duisburg mit den Worten ab, dass es in Ost und West gegenseitig vielfach noch falsche Vorstellungen gäbe und dass wir uns alle bemühen müssten, Vorurteile abzubauen. Genau dazu ist der Film angetan.
Im Sommer 2004 reiste die Regisseurin in die Stadt an der polnischen Grenze, um in Foto-Workshops dortige Kinder und Jugendliche anzuregen, sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen und über die dabei gemachten Erfahrungen zu sprechen. Bei der Arbeit mit 40 Teilnehmern zwischen 12 und 18 Jahren entstanden mehr als 1000 Fotos, die die subjektiven Beobachtungen dokumentieren. Anschließend wurden mit den Kindern und Jugendlichen ausführliche Interviews über ihre Fotos geführt und gefilmt. Dieses Material bildet die Grundlage des Films. Ausgewählte Fotos der Kinder und Jugendlichen strukturieren die Geschichte und dienen dabei als eine Art optische Kapitelüberschriften, die jeweils die Themenkomplexe alltägliches Leben, Schule, Freundschaft, Zukunftsvision und Erfahrung mit der Grenze zu Polen einleiten. Zusätzlich untermauern sie die Erzählperspektive der für den Film aus dem Kreis der 40 ausgewählten neun Protagonisten.
Die Kinder und Jugendlichen werden mit ihren Meinungen ernst genommen. Ihre Antworten sind sehr differenziert, sie spiegeln naturgemäß noch unfertige Weltbilder und wirken sehr authentisch. Gelegentlich fließen Floskeln aus der Nachrichtensprache und auch aus den familiären Stammtischen ein. Besonders in solchen Momenten erreicht der Film eine nachdenklich machende Ebene, die weit über die einer jugendlichen Zielgruppe hinausgeht. Gerade bei so heiklen Themen wie das Verhältnis zum benachbarten Polen oder dem Umgang mit rechtsextremen Gedankengut liefern die offenen Äußerungen der Kinder und Jugendlichen zahlreiche Ansatzpunkte, die auf die Vielschichtigkeit der Themen aufmerksam machen und die zeigen, dass zwar oftmals gut gemeint aber allzu einfache Antworten der Problematik nicht beikommen können.
Ruhige Kamerabilder, begleitet von einer dezenten Akkordeonmusik, geben dem Zuschauer viel Freiraum zu eigenen Assoziationen. Bevor die Protagonisten mit ihrer Meinung zu Wort kommen, bleibt Zeit, um über die visuellen Anregungen einen subjektiven Bezug zum jeweils angesprochenen Themenkreis zu finden. Zu Beginn des Films spielen Kinder in einem demolierten, überflüssig gewordenen Schulgebäude, Fassaden mit leeren Wohnungen erzählen etwas über die Bevölkerungsabwanderung, bevor ein polnisches Mädchen über ihre Arbeit auf dem Markt in Frankfurts Nachbarstadt Slubice berichtet, sind charakteristische Impressionen der Budenansammlung des schlichten Konsums zu sehen und an der bröckelnden Fassade des poststalinistischen Gebäudes des ehemaligen Frankfurter Kinos steht fast wie eine makabre Metapher: "Theater der Jugend".
Eine Metapher gebraucht unbewusst auch der zwölfjährige Christian als er über sein Betonhochhaus spricht. Irgendeiner würde hier immer Löcher in die Wände bohren, das Haus sei wie ein "Löcherkäse aus Beton" und irgendwann werde das Ganze wahrscheinlich zusammenfallen. Der Film zeigt kluge, nachdenkliche und gleichzeitig lebensfrohe junge Menschen. Sie haben eine Zukunftschance verdient. Doch ob sie die, obwohl alle davon träumen, in Frankfurt an der Oder finden, daran zweifeln sie. Irgendwie erscheint ihnen ihr ganzes Umfeld wie ein "Löcherkäse", in den man ein Loch nach dem anderen bohrt.
Der Film von Susanne Wodraschke lief im April auf dem regionalen Festival "new berlin film award". Es ist ihm weitere Festivalpräsenz zu wünschen. Gerade dort, wo man nach anspruchsvollen Dokumentarfilmen für Kinder sucht und wo man manchmal nicht mehr als Magazinbeiträge mit Ratgebercharakter findet. Darüber hinaus gehört er aber unbedingt in den Angebotskanon solcher Verleiher, die sich auf "Bildungsmedien" spezialisiert haben. Selten finden sich in aktuellen Filmen so dichte Anregungen zur produktiven Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität wie in dieser Arbeit.
Klaus-Dieter Felsmann
Keine Mauerspechte, aber Brückenbauer ONE WAY, A TUAREG JOURNEY Zur 100. Ausgabe 3 DAYS OF CINEMA 7 ODER WARUM ICH AUF DER WELT BIN Achvlediani, Nino - "Ich möchte, dass die Kinder noch von einer besseren Welt träumen können" Agthe, Arend - „Beim Kinderfilm ist jeder Konflikt, der erzählt wird, existenziell“ Albers, Margret - "Man muss Kinderfilme mehr als Filme sehen ..." Albers, Margret - "Wir haben die seltene Chance, Fachleute und Adressaten zusammenzuführen" ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE AM HIMMEL DER TAG DAS ANDERE UFER AUF LEISEN PFOTEN DAS AUGE DES ADLERS Báez, Irina Gallardo - "Hannelore wollte, dass ich die Isabel spiele, und nicht, dass ich die Isabel bin." BEAUTY AND THE BASTARD BIN ICH SEXY? BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG BLÖDE MÜTZE! BONHOEFFER – DIE LETZTE STUFE BRAN NUE DAE Burckner, Clara - "Für einen Kinderfilm muss außergewöhnlich intensive Verleiharbeit geleistet werden" Busker, Martin - "Warum dürfen Kinder im Kino nicht weinen?" CAPTURING DAD COMRADES IN DREAMS – LEINWANDFIEBER DANNYS MUTPROBE EINSCHNITTE DIE FARBE DER MILCH DER FLUG DES ALBATROS FREMDE HAUT FREMDER FREUND FROHE ZUKUNFT DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE / DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE DIE GESCHICHTE VON RICHARD, MYLORD UND EINEM WUNDERBAREN FEUERVOGEL GILLES Grünberg, Cornelia - "Man kann nicht erwarten, dass die Fördergelder möglichst schnell zurückfließen" Grünberg, Cornelia und Heiko Merten - Rückwärts ist kein Weg – Schwanger mit 14 Haase, Jürgen - "Der Kinderfilm hat ein weltweites Publikum, und von daher gibt es auch einen weltweiten Bedarf" Hailer, Thomas - "Das Land Eden für den Kinderfilm gibt es nicht" HALBE PORTIONEN Helmer, Veit - Ein Geschenk für den Sohn HILFE, ICH BIN EIN JUNGE! DER HIMMEL FÄLLT I KNOW YOU KNOW IM GULLY INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS DAS INTERNAT IRGENDWO IN BERLIN IRIS ISKAS REISE DER ITALIENER KAUWBOY Keil, Klaus - "Wir geben mehr als Geld" Kendall, Nicholas - "In die Historie bin ich gegangen, weil ich vor solchem Hintergrund die Charaktere besser herausarbeiten konnte" KINDERFILM IN EUROPA DER KLEINE VOGELNARR König, Inge - Kinderfilm GbmH – eine neue Produktionsfirma in Erfurt Kozik, Christa - "Kinder brauchen leise humanistische und poetische Botschaften" Kravchuk, Andrei - "Jeder muss sich für sein Leben verantwortlich fühlen und dafür etwas tun" DIE LETZTE IHRER FAMILIE LIEBE, LÜGEN UND GEHEIMNISSE LÖCHERKÄSE AUS BETON LOLLIPOP MONSTER LOST HEAVEN LOVITOR Lowenthal, Mark - "Ich habe einfach nach einem wahrhaftigen Ende gesucht" MADE IN GDR MADELIEF – DAS ZEICHEN AUF DEM TISCH DAS MÄDCHEN DAS MÄDCHEN IN DEN TURNSCHUHEN MAGNIFICO Malberti, Juan Carlos Cremata - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist" MANOLITO, DIE BRILLENSCHLANGE MASOUMEH UND DER SCHNURRBART MAX PEINLICH MIA UND DER MINOTAURUS DER MISTKERL Müntefering, Gert K. - "Wir haben so etwas wie eine neue Sachlichkeit für Kinder eingeführt" MUKHSIN UND ICH Olofson, Christina - "Es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert" Oplev. Niels Arden - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe" DAS PFERD AUF DEM BALKON PINGPONG PLATZANGST POLLEKE POPULÄRMUSIK AUS VITTULA DIE PUSTEBLUMEN QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE Redpath, Maryanne und Florian Weghorn - Alles auf Augenhöhe RENN, WENN DU KANNST RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN Rosenbaum, Uwe - "Es geht darum, Mittel und Ideen zu konzentrieren" Rosenbaum, Uwe - Mit wenigen Mitteln viel erreicht DER ROTE ELVIS DER ROTE KAKADU RÜCKBLICK - EINBLICK - AUSBLICK Sahling, Bernd - "Sie hat die Gabe, Brücken zu schlagen ..." SATELLITE BOY Schindler, Christina - "Das übergeordnete Thema in meinen Filmen ist immer das Verhältnis von Fiktion und Realität" Schleinstein, Frank - "Eigentlich bist du verrückt, einen Film zu drehen, der völlig gegen den Strich geht" Schmidt, Manfred - "Wenn es ein gesellschaftlicher Wunsch ist, dass Kinder sich mit Filmen auseinander setzen, dann müssen wir dafür auch etwas tun" SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN DIE SEEKÖNIGIN SKELLIG Svarcova, Iva - "Mich interessieren einfache Menschen, die sehr viel bewegen können" THE BLACK BALLOON THE MIGHTY CELT THE WORD EIN TICK ANDERS DER TRAUM TROMMELBAUCH Ungureit, Dagmar - "Mit offenem Blick den Märchen neu annähern" DER VERZAUBERTE EINBRECHER VIVA CUBA VOM ABSCHIEDNEHMEN UND TRAURIGSEIN WAS AM ENDE ZÄHLT WER, WENN NICHT WIR WIE DURCH DUNKLES GLAS Wiedemann, Dieter - Studiengang für Kinderfilm und Kinderfernsehen an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg geplant Wild, Anne - Den Kindern ihr Märchen geben WO DER ELEFANT SITZT WORLDS APART Zylla. Renate - 19 Jahre KinderFilmFest Berlin