Produktion: ANTAEUS FILM GmbH, Deutschland 1996 – Regie: Rolf Losansky – Buch: Christa Kozik, Rolf Losansky – Kamera: Claus Neumann – Schnitt: Monika Schindler – Darsteller: Friedrich Lindner (Friedrich), Lydia Schönfeld (Mausi), Nina Hoger (Mutter), Rufus Beck (Einbrecher), Günther Lamprecht (Fischer) u. a. – Länge: ca. 90 Min. – Farbe – Verleih (ab Dezember 1996): Wild Utopia (35mm) – Altersempfehlung: ab 6 J.
"Ein bisschen Kindheit habe ich noch in der Tasche", sagt Rolf Losansky von sich selbst. Dieses "bisschen Kindheit", das trägt der Regisseur nun schon lange in die Filme hinein, die er für Kinder macht. Es ist eine Welt der Sinnlichkeit und der Phantasie, der Glaube an die kindliche, naive Kraft, die das Gute bewahrt in einem ziemlich rauen Alltag. Losansky glaubt, über seine Filme solche Eigenschaften auch bei seinen Zuschauern, und seien sie dort auch noch so gut versteckt, bestärken und möglicherweise erwecken zu können. Ein Schulgespenst, ein phantastischer Ritt in die Schule, oder die Flucht in die Litfaßsäule, das sind filmische Metaphern, mit deren Hilfe Losansky in früheren Jahren seine Idee erfolgreich transportiert hat.
Friedrich, der kleine Held im gerade fertig gewordenen, jüngsten Film von Rolf Losansky, steigt zwischen die Zeilen seiner Bücher. Dort findet er Partner für seine Träume und Probleme, dort finden sich Lösungen für seine Fragen. Robin Hood, das bedeutet für ihn Gerechtigkeit, gleichzeitig aber auch Symbol für den Vater, der irgendwann die Familie verlassen hatte und nach dem sich der Junge sehnt. Losansky lässt die Phantasiebilder des Jungen auf der Leinwand erscheinen. Robin und seine Mannen reiten für Friedrich, sie sind auch Helfer in größter Not, als Friedrich, allein zu Haus, von einem Einbrecher überrascht wird.
Der Einbrecher ist natürlich auf der Suche nach Geld – die ist aber in Friedrichs Wohnung vergeblich. Der Junge will den Dieb mit Worten davon überzeugen, doch der will nicht glauben. Er wühlt sich durch die Schränke und kommt schließlich auch in das Kinderzimmer. Hier schickt sich Friedrich an, seinen Bücherschrank notfalls auch mit Körperkraft zu verteidigen. Aha, denkt der Einbrecher, dort ist verborgen, was ich suche. Friedrich wird in den Kleiderschrank verfrachtet, und der Bösewicht durchstöbert die Bücher. Doch plötzlich geschieht Wunderbares. Der Einbrecher sinkt ausgerechnet mit Friedrichs Lieblingsbuch, natürlich Robin Hood, in einen Sessel und beginnt zu lesen. Er verliert sich in der Geschichte. Zwischenzeitlich kann Friedrich durch eine verborgene Tür hinter dem Schrank aus der Wohnung entkommen und nach Hilfe Ausschau halten. Friedrichs Mutter greift ein. Als die beiden in die Wohnung zurückkommen, ist der Einbrecher zwar noch da, doch er sitzt noch immer lesend in Friedrichs Zimmer und will gar nicht von seiner Lektüre ablassen. Die Figuren, die Friedrichs Phantasie beflügelt haben, die haben auch den Bösewicht eingenommen. Er ist in einer anderen Welt. Mutter und Sohn gewinnen Gefallen an dem fremden Mann. Als dieser schließlich durch einen Zufall doch noch ins Gefängnis muss, organisieren sie sogar eine Ausbruchsaktion für ihn. Der Einbrecher hat sich auf Friedrichs Phantasiewelt eingelassen, und wenn er das kann, dann muss er doch gut sein.
Rolf Losansky hat seinen Film nach einer literarischen Vorlage Christa Koziks gedreht. Im Buch ist die Phantasie des Jungen auf den "Kleinen Prinzen" von Saint-Exupery gerichtet. Durch die Neuorientierung auf Robin Hood hat Losansky im Film unmittelbarere Identifikationsmöglichkeiten für die Zuschauer geschaffen, er hat aber auch etwas von der philosophischen Dimension, die in dem Stoff steckt, verloren. Robin Hood ist als Figur Bestandteil der Massenkultur und damit nur noch bedingt geeignet, als gedankliches Alternativmodell zum Alltagsleben zu dienen. Um aber zu unterhalten, was auch ein wichtiger Anspruch Rolf Losanskys ist, war der Figurentausch allerdings nur zu konsequent. Das Zusammenleben Friedrichs mit seiner Mutter, die Freundschaft mit dem Mädchen Mausi, und nicht zuletzt die Überführung und schließlich Befreiung des Einbrechers sind auf Unterhaltung hin inszeniert.
Herausragend sind der neunjährige Friedrich Lindner – er hat selbst bestimmt, dass er im Film auch Friedrich heißen will – und seine Freundin Mausi, gespielt von der gleichaltrigen Lydia Schönfeld. Mausi aktiv und voller Witz und Friedrich mit ausdrucksvollen Augen und äußerst sparsamen, sanften Gesten. Die beiden tragen die Geschichte. Die Welt, die die Zuschauer im Film erleben, hat wenig soziale Konkretheit. Doch wo die Phantasie angesprochen wird, ist das Märchen nicht weit. Und Märchen werden gebraucht. Sei es nur, um auszuruhen.
Klaus-Dieter Felsmann
Zu diesem Film siehe auch:
KJK 71-4/1997 - Interview - "Ich erzähle mit einem Augenblinzeln"
Keine Mauerspechte, aber Brückenbauer ONE WAY, A TUAREG JOURNEY Zur 100. Ausgabe 3 DAYS OF CINEMA 7 ODER WARUM ICH AUF DER WELT BIN Achvlediani, Nino - "Ich möchte, dass die Kinder noch von einer besseren Welt träumen können" Agthe, Arend - „Beim Kinderfilm ist jeder Konflikt, der erzählt wird, existenziell“ Albers, Margret - "Man muss Kinderfilme mehr als Filme sehen ..." Albers, Margret - "Wir haben die seltene Chance, Fachleute und Adressaten zusammenzuführen" ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE AM HIMMEL DER TAG DAS ANDERE UFER AUF LEISEN PFOTEN DAS AUGE DES ADLERS Báez, Irina Gallardo - "Hannelore wollte, dass ich die Isabel spiele, und nicht, dass ich die Isabel bin." BEAUTY AND THE BASTARD BIN ICH SEXY? BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG BLÖDE MÜTZE! BONHOEFFER – DIE LETZTE STUFE BRAN NUE DAE Burckner, Clara - "Für einen Kinderfilm muss außergewöhnlich intensive Verleiharbeit geleistet werden" Busker, Martin - "Warum dürfen Kinder im Kino nicht weinen?" CAPTURING DAD COMRADES IN DREAMS – LEINWANDFIEBER DANNYS MUTPROBE EINSCHNITTE DIE FARBE DER MILCH DER FLUG DES ALBATROS FREMDE HAUT FREMDER FREUND FROHE ZUKUNFT DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE / DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE DIE GESCHICHTE VON RICHARD, MYLORD UND EINEM WUNDERBAREN FEUERVOGEL GILLES Grünberg, Cornelia - "Man kann nicht erwarten, dass die Fördergelder möglichst schnell zurückfließen" Grünberg, Cornelia und Heiko Merten - Rückwärts ist kein Weg – Schwanger mit 14 Haase, Jürgen - "Der Kinderfilm hat ein weltweites Publikum, und von daher gibt es auch einen weltweiten Bedarf" Hailer, Thomas - "Das Land Eden für den Kinderfilm gibt es nicht" HALBE PORTIONEN Helmer, Veit - Ein Geschenk für den Sohn HILFE, ICH BIN EIN JUNGE! DER HIMMEL FÄLLT I KNOW YOU KNOW IM GULLY INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS DAS INTERNAT IRGENDWO IN BERLIN IRIS ISKAS REISE DER ITALIENER KAUWBOY Keil, Klaus - "Wir geben mehr als Geld" Kendall, Nicholas - "In die Historie bin ich gegangen, weil ich vor solchem Hintergrund die Charaktere besser herausarbeiten konnte" KINDERFILM IN EUROPA DER KLEINE VOGELNARR König, Inge - Kinderfilm GbmH – eine neue Produktionsfirma in Erfurt Kozik, Christa - "Kinder brauchen leise humanistische und poetische Botschaften" Kravchuk, Andrei - "Jeder muss sich für sein Leben verantwortlich fühlen und dafür etwas tun" DIE LETZTE IHRER FAMILIE LIEBE, LÜGEN UND GEHEIMNISSE LÖCHERKÄSE AUS BETON LOLLIPOP MONSTER LOST HEAVEN LOVITOR Lowenthal, Mark - "Ich habe einfach nach einem wahrhaftigen Ende gesucht" MADE IN GDR MADELIEF – DAS ZEICHEN AUF DEM TISCH DAS MÄDCHEN DAS MÄDCHEN IN DEN TURNSCHUHEN MAGNIFICO Malberti, Juan Carlos Cremata - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist" MANOLITO, DIE BRILLENSCHLANGE MASOUMEH UND DER SCHNURRBART MAX PEINLICH MIA UND DER MINOTAURUS DER MISTKERL Müntefering, Gert K. - "Wir haben so etwas wie eine neue Sachlichkeit für Kinder eingeführt" MUKHSIN UND ICH Olofson, Christina - "Es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert" Oplev. Niels Arden - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe" DAS PFERD AUF DEM BALKON PINGPONG PLATZANGST POLLEKE POPULÄRMUSIK AUS VITTULA DIE PUSTEBLUMEN QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE Redpath, Maryanne und Florian Weghorn - Alles auf Augenhöhe RENN, WENN DU KANNST RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN Rosenbaum, Uwe - "Es geht darum, Mittel und Ideen zu konzentrieren" Rosenbaum, Uwe - Mit wenigen Mitteln viel erreicht DER ROTE ELVIS DER ROTE KAKADU RÜCKBLICK - EINBLICK - AUSBLICK Sahling, Bernd - "Sie hat die Gabe, Brücken zu schlagen ..." SATELLITE BOY Schindler, Christina - "Das übergeordnete Thema in meinen Filmen ist immer das Verhältnis von Fiktion und Realität" Schleinstein, Frank - "Eigentlich bist du verrückt, einen Film zu drehen, der völlig gegen den Strich geht" Schmidt, Manfred - "Wenn es ein gesellschaftlicher Wunsch ist, dass Kinder sich mit Filmen auseinander setzen, dann müssen wir dafür auch etwas tun" SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN DIE SEEKÖNIGIN SKELLIG Svarcova, Iva - "Mich interessieren einfache Menschen, die sehr viel bewegen können" THE BLACK BALLOON THE MIGHTY CELT THE WORD EIN TICK ANDERS DER TRAUM TROMMELBAUCH Ungureit, Dagmar - "Mit offenem Blick den Märchen neu annähern" DER VERZAUBERTE EINBRECHER VIVA CUBA VOM ABSCHIEDNEHMEN UND TRAURIGSEIN WAS AM ENDE ZÄHLT WER, WENN NICHT WIR WIE DURCH DUNKLES GLAS Wiedemann, Dieter - Studiengang für Kinderfilm und Kinderfernsehen an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg geplant Wild, Anne - Den Kindern ihr Märchen geben WO DER ELEFANT SITZT WORLDS APART Zylla. Renate - 19 Jahre KinderFilmFest Berlin