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Ausgabe 110-2/2007

BLÖDE MÜTZE!

BLÖDE MÜTZE!

Produktion: schlicht und ergreifend Filmproduktion / Kinderfilm GmbH / BR / RBB; Deutschland 2006 – Regie: Johannes Schmid – Drehbuch: Johannes Schmid, Michael Demuth, Philipp Budweg, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Thomas Schmid – Kamera: Michael Bertl – Schnitt: Thomas Kohler – Musik: Michael Heilrath – Darsteller: Johann Hillmann (Martin), Konrad Baumann (Oliver), Lea Eisleb (Silke), Inka Friedrich (Martins Mutter), Stephan Kampwirth (Martins Vater), Claudia Geisler (Olivers Mutter), Andreas Hoppe (Olivers Vater), Inga Busch (Silkes Mutter) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Kontakt: Kinderfilm GmbH, e-mail: info@kinderfilm-gmbh.de – Altersempfehlung: ab 10 J.

Als Johannes Schmid 2003 beim Festival 'Goldener Spatz' für seinen Kurzspielfilm "Merle" mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde, war man schon mächtig auf die nächsten Arbeiten dieses Multitalents gespannt. Johannes Schmid führt nicht nur Regie bei Film und Theater, er leitet außerdem zusammen mit Philipp Budweg die Produktionsfirma "schlicht und ergreifend" und ist als Produzent tätig. 2003/2004 produzierte er die Tipp-Kick-Komödie "Aus der Tiefe des Raumes", nun endlich konnte er bei "Generation Kplus" in Berlin sein Spielfilm-Debüt "Blöde Mütze!" als Regisseur präsentieren.

"Blöde Mütze!" wendet sich an die Altersgruppe der sogenannten "Lückekinder" und erzählt von den Träumen, Sehnsüchten und Ängsten eines in die Pubertät kommenden Jungen. Martin ist zwölf, etwas zu schmächtig für sein Alter und vor allem viel zu still, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass er als Einzelkind aufwächst. Sein Erkennungszeichen ist eine Baseballkappe, die er nur zum Schlafen ablegt und die den Aufdruck "Champion" trägt. Doch wie ein Champion fühlt sich Martin in keiner Weise. Nun erst recht nicht, wo die Familie in das Provinznest Bellbach umgezogen ist und er niemanden kennt. Der Gedanke an die neuen Mitschüler bereitet ihm ziemliche Bauchschmerzen und dazu muss ihm gleich am ersten Tag dieses Malheur passieren! In einem kleinen Lebensmittelladen beobachtet er einen Jungen beim Zigarettenstehlen und verpfeift ihn. Der andere ist robuster gebaut als Martin und schwört ihm Rache! Zudem hat Martin nun seinen Spitznamen weg: Blöde Mütze.

Am nächsten Tag stellt sich dann noch heraus, dass dieser Junge – er heißt Oliver – auch in seine Klasse geht und mit der selbstbewussten Silke befreundet ist. Die hat es Martin angetan, vom ersten Moment an! Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine Schüchternheit zu überwinden und Silke anzusprechen. Unkompliziert, wie sie ist, lädt sie Martin ins "Riverpool" ein, ein stillgelegtes Flussfreibad, wo sie immer mit Oli spielt. Darüber ist der natürlich sauer und es kommt zu einer handfesten Prügelei. Kurz darauf beobachtet Martin seinen "Erzfeind" im Schulklo beim Rauchen. Oli glaubt sich allein, Tränen fließen ihm übers Gesicht. Er weint. Weint über die Probleme mit seinem alkoholabhängigen Vater. Als Oli wegen des Rauchens von der Schule verwiesen werden soll, springt Martin für ihn in die Bresche und erklärt, dass er der Schuldige sei. Nun ist das Eis gebrochen. Oli und Martin freunden sich an und zusammen mit Silke bilden sie eine tolle Dreierbande. Doch Martin möchte Silke ganz für sich allein haben und kommt so in Konflikt mit seinen Gefühlen und dem schlechten Gewissen Oli gegenüber ...

"Blöde Mütze!" nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Thomas Schmid, dem Bruder des Regisseurs, ist ein stiller, unspektakulärer Film, dessen große Qualität in der psychologischen Genauigkeit besteht, mit der die Autoren diese Geschichte erzählen. Im Mittelpunkt werden ganz konsequent die jungen Protagonisten gestellt, die sich in einer schwierigen Phase der Kindheit – dem ersten Schritt vom Kindsein ins Erwachsenenleben – befinden. Um deren Wirklichkeit geht es, um ihre Probleme mit sich, mit der Schule und der Familie. Während Martin gut situiert und überbehütet von der Mutter, einer Lehrerin, aufwächst, lebt Oli in einer sozial schwachen Familie. Der arbeitslose Vater trinkt, die Mutter schleicht sich weg zu ihrem neuen Freund und Oli muss mit der Situation allein klarkommen. Silke wiederum lebt allein mit ihrer Mutter. Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein, bis sich herausstellt, wie sehr Silke darunter leidet, dass der Vater für sie nie Zeit hat.

Johannes Schmid beschreibt das familiäre und damit gesellschaftliche Umfeld der Kinder wie nebenbei, zeigt aber ganz genau die Konsequenzen auf, die sich daraus für das innere Gleich- beziehungsweise Ungleichgewicht der Drei ergeben. Durch diese realistische und doch sehr einfühlsame Erzählweise holt er sein junges Publikum im "Hier und Heute" ab, bietet ihm die Möglichkeit der Identifikation und hilft ihm, eigene Probleme zu bewältigen. Das ist selten in unserer Kinderfilmlandschaft, die sich zwar in den letzten Jahren äußerst erfolgreich entwickelt und Millionen von Zuschauern in die Kinos gelockt hat, aber meist nur auf die Adaption beliebter Kinderbuchklassiker beziehungsweise Bestseller gerichtet ist.

Dass Johannes Schmid etwas von Kindern versteht, beweist auch die Arbeit mit den jungen Darstellern. Johann Hillmann als Martin, Lea Eisleb als Silke und Konrad Baumann als Oliver sind nicht nur gut für ihre jeweilige Rolle ausgesucht, sie spielen vor der Kamera sehr natürlich und frisch. Bleibt also nur zu wünschen übrig, dass diesen Film sehr viele Kinder sehen, am besten auch deren Eltern, die ja bekanntermaßen unter der Pubertät ihrer Sprösslinge sehr zu leiden haben.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 113-2/2008 - Interview - "Nur selten finde ich einen Film, den ich ins Kino bringen will"
KJK 112-2/2007 - Hintergrund - "Blöde Mütze!“
KJK 110-2/2007 - Interview - "Uns geht es um inhaltliche Fragen, nicht um oberflächlichen Erfolg"

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.BLÖDE MÜTZE! im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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