(Interview zum Film DER ITALIENER)
KJK: Das Publikum im Berliner Zoo Palast war sehr beeindruckt von Ihrem Film. Wie ist er in Russland angekommen?
Andrei Kravchuk: "Bei uns ist der Film noch gar nicht öffentlich vor Publikum gelaufen. Es gab bisher erst zwei geschlossene Vorführungen. Da das Kulturministerium die Produktion finanziert hat, hatte es natürlich das Recht, den Film zuerst zu sehen. Das war eine nichtöffentliche Vorführung, und dann organisierten wir noch eine Pressevorführung. Zusammen mit Kindern und Erwachsenen konnte ich den Film zum ersten Mal hier in Berlin sehen, es war eine interessante Erfahrung für mich."
Sie haben vorher einige Dokumentationen und Kurzfilme gedreht. Beschäftigten Sie sich in einer Ihrer Arbeiten bereits mit dem Thema Heimkinder?
"Eigentlich nicht. Während des Studiums in Petersburg hatte ich einen Dokumentarfilm über ein Kinderheim begonnen, doch den habe ich damals nicht zu Ende gebracht. Aber das Thema hat mich schon sehr bewegt."
Was hat Sie bewogen, nun dieses Thema noch einmal aufzugreifen?
"Es hat vor vier Jahren angefangen. Da sind mir auf der Straße Kinder aufgefallen, die Autos gewaschen und so kleine Jobs gemacht haben, da kam mir die Idee, man könnte vielleicht eine Geschichte nach dem Vorbild von Charles Dickens' 'David Copperfield' entwickeln. Ich traute es mir allein nicht zu und wandte mich an meinen Freund Andrei Romanov. Wir hatten zusammen studiert, ich Regie, er Drehbuch. Jedenfalls setzten wir uns zusammen und er hat mir dann gesagt, dass er von einem kleinen Jungen in einem Heim gehört hätte, der so stark nach seiner Mutter suchen wollte, dass er sich allein das Lesen beigebracht hat. So entstand die Grundidee."
Haben Sie beide am Drehbuch geschrieben?
"Mein Freund Andrei Romanov hat es geschrieben und ich habe redigiert und die Richtung vorgegeben. Uns war wichtig, dass dieser Film nicht zu sentimental wird. Wir wollten das alles möglichst dokumentarisch darstellen, und tatsächlich haben wir bei unseren Recherchen fast alles so erlebt. Bis auf den Schluss natürlich, den haben wir dazu gedichtet.
Ich suchte bereits während der Arbeit am Drehbuch nach einem Kinderheim, in dem wir den Film drehen können. Es waren alles Originalschauplätze, nichts wurde gebaut, es gab keine Dekoration. Ich bin sehr lange umhergereist und habe viele Heime besucht. Dort saß ich dann still in der Ecke und beobachtete, wie die Kinder in diesen Heimen leben. Dabei habe ich viele kleine Details vom Alltag der Kinder aufgeschnappt, und diese bauten wir dann mehr oder weniger in unsere Geschichte ein. Hinzu kam, dass Andrei Romanov vor ein paar Jahren Kinder auf der Straße interviewt hat, die in einem Heim wohnten. Sie haben ihm sehr ehrlich erzählt, wie es bei ihnen zugeht und dass die Erwachsenen sehr willenlos sind und nur saufen und sie irgendwie zusehen müssen, wie sie zurechtkommen, wie sie Geld verdienen und alles organisieren. Diese Schilderungen sind natürlich auch in den Film eingeflossen."
Im Fernsehen hat man bei uns immer wieder mal über die katastrophalen Zustände in russischen Kinderheimen berichtet. Mir hat sehr gut gefallen, dass das Heim in Ihrem Film nicht überzeichnet war, sondern das Leben dort sehr genau und mit vielen Zwischentönen beschrieben wurde.
"Uns war es wichtig, ein durchschnittliches Heim zu zeigen. Es gibt welche, die besser gestellt sind, und andere, die ganz schlecht sind. Das Problem ist vor allem, dass sowohl die Kinder wie auch die Erzieher und Heimleiter denken, jemand muss kommen und die Probleme für sie lösen. Sie warten, dass irgendetwas passiert, aber es passiert nichts. Wir wollten zeigen, dass man selbst die Initiative ergreifen muss. Jeder muss sich für sein Leben verantwortlich fühlen und dafür etwas tun. Ein anderes Anliegen war es, den Umgang mit Adoption zu thematisieren. In Russland kommen – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten – bis zu 90 Prozent der Kinder, die adoptiert werden, ins Ausland. Die russischen Kinder sind vor allem deshalb beliebt, weil sie europäisch aussehen. Außerdem haben bei uns die biologischen Eltern kein Anrecht auf ihre Kinder, wenn sie diese zur Adoption freigegeben haben. Sie dürfen ihre Kinder noch nicht einmal sehen. Was wir erzählen, ist also eine ganz typische Geschichte."
Wie haben Sie die Kinder gefunden, speziell den Hauptdarsteller Kolya Spiridonov?
"Fast alle Kinder und Jugendlichen suchten wir aus verschiedenen Heimen zusammen. Es war eine grundsätzliche Entscheidung, diese Rollen mit Heimkindern zu besetzen, denn sie sollten authentisch sein. Den Hauptdarsteller zu finden war gar nicht so einfach. Ein Sechsjähriger hätte diese Rolle nicht spielen können, wir brauchten also auf jeden Fall einen achtjährigen Jungen, der aber jünger aussieht. Letztendlich machte mich jemand aus dem Team auf Kolya aufmerksam. Es gab eine Menge Probeaufnahmen mit ihm, wir waren uns aber nicht sicher, ob er diese Aufgabe bewältigen kann. Zwischendurch probten wir mit anderen Jungen. Bis wir uns für Kolya dann entschieden, hat es ein halbes Jahr gedauert. Unter den anderen Kindern waren einige, die besser spielen konnten, aber keiner hatte so eine Ausstrahlung wie Kolya."
Wie haben Sie mit Kolya gearbeitet?
"Das war natürlich alles andere als einfach. Kolya ist ja kein Heimkind, er wächst ziemlich behütet in seiner Familie auf. Ich konnte also nicht auf seine Erfahrungen zurückgreifen, sondern musste immer wieder für ihn Situationen schaffen, wo er ganz natürlich seine Gefühle zeigen konnte. Diese Situationen hatten nicht unbedingt etwas mit der Situation in der jeweiligen Szene zu tun. Ich musste mir immer abends, sozusagen als Hausarbeit, Situationen für den nächsten Tag einfallen lassen, wie ich den Jungen in die Lage versetze, seinen Part zu spielen. Es gab dafür kein Rezept, ich musste mir das alles individuell erarbeiten."
Als etwas ganz Besonderes empfand ich die Musik in Ihrem Film ...
"Alexander Kneiffel ist ein interessanter Komponist und bei uns sehr bekannt. Als wir mit ihm über das Projekt sprachen, hat er gleich ein Konzept dafür gefunden. Für ihn gab es zwei Themen: ein christliches Thema, angelehnt an die Rückkehr des verlorenen Sohnes, und das zweite war so etwas wie die Erwartung von Weihnachten. Er hat sich dann für das letztere entschieden, um die Stimmung des Jungen so gut wie möglich wiedergeben zu können."
War es schwer, diesen Film finanziert zu bekommen?
"Es war eigentlich relativ einfach. Als wir mit dieser Idee zum Ministerium kamen, waren sie sofort dafür zu haben. Das Thema interessierte sie sehr und so habe ich erst meinen vorherigen Film abgedreht und konnte danach sofort mit diesem Projekt beginnen. Das ist sehr glatt gelaufen."
Das Interview mit Andrei Kravchuk führte Barbara Felsmann
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