Zum Inhalt springen

Ausgabe 135-3/2013

DAS PFERD AUF DEM BALKON

Bild: DAS PFERD AUF DEM BALKON
© Neue Visionen Filmverleih

Produktion: MINI Film; Österreich 2013 – Regie: Hüseyin Tabak – Buch: Milan Dor, nach Motiven des gleichnamigen Romans von Milo Dor  – Kamera: Peter von Haller – Schnitt: Fabian Rüdisser – Musik: Judith Varga – Darsteller: Enzo Gaier (Mika), Natasa Paunovic (Dana), Andreas Kiendl (Sascha), Nora Tschirner (Mikas Mutter Lara), Bibiana Zeller (Hedi), Murathan Muslu (Bert), Alexander F. Fennon (Toni) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Verleih: Deutschland: Neue Visionen Filmverleih / Österreich: Filmladen Wien – Altersempfehlung: ab 8 J.

Im Frühjahr 2012 wurde dieser Film, der sich zu jener Zeit noch in Produktion befand, beim Deutschen Kinder-Medien-Festival GOLDENER SPATZ in der Veranstaltung "Blick in die Werkstatt" vorgestellt. Damals waren die Fachbesucher von dem Projekt und den wenigen Ausschnitten, die zu sehen waren, sehr angetan und gespannt auf das Endprodukt. Das war nun beim Festival in Gera und Erfurt 2013 im Wettbewerb zu sehen – und erhielt von der Fach- sowie der MDR-Rundfunkratjury den Preis für das beste Drehbuch. Die 4.000 Euro konnte der österreichische Filmproduzent, Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler Milan Dor entgegennehmen, der für diesen Film den 1971 erschienenen gleichnamigen Kinderroman seines Vaters, des Schriftstellers Milo Dor, adaptiert hatte.

Worum geht es? Im Mittelpunkt steht der zehnjährige Mika, ein Junge, der anders ist als die Kinder in seiner Schule: Er muss immer pünktlich um 14.17 Uhr Mittag essen, liebt ansonsten Mathematik, sagt immer die Wahrheit und erkennt Sachen, die andere meist übersehen. Mit Menschen aber kann er nur wenig anfangen, sie machen ihn schnell nervös und bringen ihn zum Ausrasten. Mika, der von seiner Mutter gern "Querkopf" oder "Nervenkratzer" genannt wird, hat das Asperger-Syndrom. Sein Leben wird komplett auf den Kopf gestellt, als er eines Abends auf dem Hof der Wohnsiedlung ein Wiehern hört. Mika kann es nicht fassen, aber da steht tatsächlich ein Pferd auf dem Balkon seines Nachbarn Sascha. Schon bald freundet er sich mit Sascha an und als er dann das erste Mal auf dem Hengst sitzen darf, ist Mika wie verwandelt. Von nun an verbringt er jede freie Minute mit dem Pferd. Das aber braucht ein neues Zuhause, denn Sascha steckt in großen Schwierigkeiten und will das Pferd zum Schlachthof bringen. Zum Glück hat Mika die gleichaltrige Dana an seiner Seite, ein mutiges und tatkräftiges Mädchen, das davon träumt, eine indische Prinzessin zu sein. Mit ihr zusammen startet Mika eine abenteuerliche Rettungsaktion und nimmt es dabei sogar mit zwei Gangstern auf, die das Rennpferd gern für sich hätten.

"Das Pferd auf dem Balkon" ist die erste Kinderfilm-Regie des Deutsch-Kurden Hüseyin Tabak (geboren 1981 in Bad Salzuflen), der an der Filmakademie Wien studiert hat und durch seinen Dokumentarfilm "Kick Off" bekannt geworden ist. Wie er selbst sagt, war er anfangs äußerst skeptisch: "Ich hatte zu viele deutsche Kinderfilme in letzter Zeit gesehen, die in ihren Geschichten den Kindern keine Wärme mehr entgegenbrachten. Es erschien mir vieles plakativ, man spürte an den Dialogen, dass sie von Erwachsenen für Kinder geschrieben wurden und vor allem gab es in den Geschichten keine Tiefe, keine Messages." Das Drehbuch von Milan Dor allerdings belehrte ihn eines Besseren, er sagte zu und inszenierte in der Tat einen Film mit einer wichtigen und vor allem überzeugenden "Message". Mit eindrucksvoller Genauigkeit vermag Tabak die manchmal schwer nachvollziehbaren Reaktionen eines Asperger-Kindes zu visualisieren, ohne zu verharmlosen. Zugleich begegnet er dem Jungen mit Wärme und Respekt und zeigt dessen besondere Fähigkeiten auf, so dass er – ohne pädagogischen Zeigefinger – anregt, das Anderssein nicht nur zu tolerieren, sondern auch die Bereicherung durch Menschen, die anders sind, zu erfahren. Mit dem jetzt elfjährigen Enzo Gaier aus Wien hat Hüseyin Tabak dabei einen wunderbaren Hauptdarsteller gefunden. Ihn zeichnete die Kinderjury zu Recht mit dem "Goldenen Spatzen" für den besten Darsteller aus, weil "er die Aufgabe, einen Asperger-Autisten zu spielen, mit Bravour meisterte und so gefühlsecht spielte, dass wir alle mitgefühlt und mitgefiebert haben". Glücklicherweise kommt diese ausgezeichnete Produktion in unsere Kinos – eine Bereicherung für die Kinderfilmlandschaft in Deutschland.

Barbara Felsmann

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 136-3/2013 - Kinder-Film-Kritik - Das Pferd auf dem Balkon

 

Permalink für Verlinkungen zu dieser Seite Dauerhafter, direkter Link zu diesem Beitrag


Ergebnis der Suche nach "felsmann"

 

Keine Mauerspechte, aber Brückenbauer| ONE WAY, A TUAREG JOURNEY| Zur 100. Ausgabe| 3 DAYS OF CINEMA| 7 ODER WARUM ICH AUF DER WELT BIN| Achvlediani, Nino - "Ich möchte, dass die Kinder noch von einer besseren Welt träumen können"| Agthe, Arend - „Beim Kinderfilm ist jeder Konflikt, der erzählt wird, existenziell“| Albers, Margret - "Man muss Kinderfilme mehr als Filme sehen ..."| Albers, Margret - "Wir haben die seltene Chance, Fachleute und Adressaten zusammenzuführen"| ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE| AM HIMMEL DER TAG| DAS ANDERE UFER| AUF LEISEN PFOTEN| DAS AUGE DES ADLERS| Báez, Irina Gallardo - "Hannelore wollte, dass ich die Isabel spiele, und nicht, dass ich die Isabel bin."| BEAUTY AND THE BASTARD| BIN ICH SEXY?| BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG| BLÖDE MÜTZE!| BONHOEFFER – DIE LETZTE STUFE| BRAN NUE DAE| Burckner, Clara - "Für einen Kinderfilm muss außergewöhnlich intensive Verleiharbeit geleistet werden"| Busker, Martin - "Warum dürfen Kinder im Kino nicht weinen?"| CAPTURING DAD| COMRADES IN DREAMS – LEINWANDFIEBER| DANNYS MUTPROBE| EINSCHNITTE| DIE FARBE DER MILCH| DER FLUG DES ALBATROS| FREMDE HAUT| FREMDER FREUND| FROHE ZUKUNFT| DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE / DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE| DIE GESCHICHTE VON RICHARD, MYLORD UND EINEM WUNDERBAREN FEUERVOGEL| GILLES| Grünberg, Cornelia - "Man kann nicht erwarten, dass die Fördergelder möglichst schnell zurückfließen"| Grünberg, Cornelia und Heiko Merten - Rückwärts ist kein Weg – Schwanger mit 14| Haase, Jürgen - "Der Kinderfilm hat ein weltweites Publikum, und von daher gibt es auch einen weltweiten Bedarf"| Hailer, Thomas - "Das Land Eden für den Kinderfilm gibt es nicht"| HALBE PORTIONEN| Helmer, Veit - Ein Geschenk für den Sohn| HILFE, ICH BIN EIN JUNGE!| DER HIMMEL FÄLLT| I KNOW YOU KNOW| IM GULLY| INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS| DAS INTERNAT| IRGENDWO IN BERLIN| IRIS| ISKAS REISE| DER ITALIENER| KAUWBOY| Keil, Klaus - "Wir geben mehr als Geld"| Kendall, Nicholas - "In die Historie bin ich gegangen, weil ich vor solchem Hintergrund die Charaktere besser herausarbeiten konnte"| KINDERFILM IN EUROPA| DER KLEINE VOGELNARR| König, Inge - Kinderfilm GbmH – eine neue Produktionsfirma in Erfurt| Kozik, Christa - "Kinder brauchen leise humanistische und poetische Botschaften"| Kravchuk, Andrei - "Jeder muss sich für sein Leben verantwortlich fühlen und dafür etwas tun"| DIE LETZTE IHRER FAMILIE| LIEBE, LÜGEN UND GEHEIMNISSE| LÖCHERKÄSE AUS BETON| LOLLIPOP MONSTER| LOST HEAVEN| LOVITOR| Lowenthal, Mark - "Ich habe einfach nach einem wahrhaftigen Ende gesucht"| MADE IN GDR| MADELIEF – DAS ZEICHEN AUF DEM TISCH| DAS MÄDCHEN| DAS MÄDCHEN IN DEN TURNSCHUHEN| MAGNIFICO| Malberti, Juan Carlos Cremata - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist"| MANOLITO, DIE BRILLENSCHLANGE| MASOUMEH UND DER SCHNURRBART| MAX PEINLICH| MIA UND DER MINOTAURUS| DER MISTKERL| Müntefering, Gert K. - "Wir haben so etwas wie eine neue Sachlichkeit für Kinder eingeführt"| MUKHSIN UND ICH| Olofson, Christina - "Es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert"| Oplev. Niels Arden - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe"| DAS PFERD AUF DEM BALKON| PINGPONG| PLATZANGST| POLLEKE| POPULÄRMUSIK AUS VITTULA| DIE PUSTEBLUMEN| QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE| Redpath, Maryanne und Florian Weghorn - Alles auf Augenhöhe| RENN, WENN DU KANNST| RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN| Rosenbaum, Uwe - "Es geht darum, Mittel und Ideen zu konzentrieren"| Rosenbaum, Uwe - Mit wenigen Mitteln viel erreicht| DER ROTE ELVIS| DER ROTE KAKADU| RÜCKBLICK - EINBLICK - AUSBLICK| Sahling, Bernd - "Sie hat die Gabe, Brücken zu schlagen ..."| SATELLITE BOY| Schindler, Christina - "Das übergeordnete Thema in meinen Filmen ist immer das Verhältnis von Fiktion und Realität"| Schleinstein, Frank - "Eigentlich bist du verrückt, einen Film zu drehen, der völlig gegen den Strich geht"| Schmidt, Manfred - "Wenn es ein gesellschaftlicher Wunsch ist, dass Kinder sich mit Filmen auseinander setzen, dann müssen wir dafür auch etwas tun"| SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN| DIE SEEKÖNIGIN| SKELLIG| Svarcova, Iva - "Mich interessieren einfache Menschen, die sehr viel bewegen können"| THE BLACK BALLOON| THE MIGHTY CELT| THE WORD| EIN TICK ANDERS| DER TRAUM| TROMMELBAUCH| Ungureit, Dagmar - "Mit offenem Blick den Märchen neu annähern"| DER VERZAUBERTE EINBRECHER| VIVA CUBA| VOM ABSCHIEDNEHMEN UND TRAURIGSEIN| WAS AM ENDE ZÄHLT| WER, WENN NICHT WIR| WIE DURCH DUNKLES GLAS| Wiedemann, Dieter - Studiengang für Kinderfilm und Kinderfernsehen an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg geplant| Wild, Anne - Den Kindern ihr Märchen geben| WO DER ELEFANT SITZT| WORLDS APART| Zylla. Renate - 19 Jahre KinderFilmFest Berlin|


KJK-Ausgabe 135/2013

PDF-Download Originalausgabe (PDF)

 

Anzeigen:

Einzelne Ausgaben:

Filmtitel nach Alphabet:

Zusatzmaterialien:

Volltext-Suche:

 

 


Sonderausgaben bestellen!