Zum Inhalt springen

Ausgabe 75-3/1998

"Es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert"

Gespräch mit Christina Olofson

(Interview zum Film ICH HÄTTE NEIN SAGEN KÖNNEN)

Die schwedische Regisseurin Christina Olofson präsentierte beim diesjährigen Kinderfilmfest Berlin ihren ersten langen Spielfilm "Ich hätte nein sagen können" ("Sanning eller konsekvens", Schweden/Finnland 1997), der von einer Dreizehnjährigen handelt, die sich in einer neuen Schulklasse orientieren muss und zu eigenen Entscheidungen findet. Der Film erhielt von der Kinderjury wegen "seiner herausragenden, realistischen Handlungsproblematik" eine Lobende Erwähnung.

KJK: Im Zentrum Ihres Films steht eine Gruppe von zwölf- bis dreizehnjährigen Mädchen. Heißt das, Sie haben damit auch einen Film gemacht, der sich speziell an Mädchen wendet?
Christina Olofson: "Nein, es ist zunächst einfach ein Film. Natürlich haben Mädchen die Hauptrollen und es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert. Ich mache gern Filme mit Frauen und Mädchen. Das heißt aber nicht automatisch, dass ich meine Filme gegen Männer mache."

In anderen Filmen für diese Altersstufe geht es oft um die erste Liebe. Das ist hier, zumindest vordergründig, nicht der Fall. Hier geht es um Freundschaft überhaupt, um vielschichtige Gruppenbeziehungen. Was hat Sie gereizt, solche komplizierten Strukturen in einem Film für Kinder aufzugreifen?
"Wichtig war, die Freundschaft zwischen Mädchen zu schildern. Gerade hier geht es um Rangordnungen und um Eitelkeiten. Es passieren diese Dinge mit dem Flüstern, 'hinter dem Rücken reden', und es wird geheuchelt. Jungen sind da drastischer. Die hauen sich mal, aber es geschieht alles offener. Mädchen manipulieren und das hat uns interessiert. Eigentlich hatte ich zuerst die Idee, eine Freundschaftsgeschichte zwischen Menschen in meinem Alter zu erzählen. Dann kam Annika Thor als Autorin hinzu. Wir haben darüber gesprochen, was eigentlich los war, als wir zwölf Jahre alt waren. Mit einem Bein noch in der Kindheit, mit dem anderen in der Erwachsenenwelt. Da haben wir festgestellt, wie viel in diesem Übergang passiert und wie man dadurch für sein ganzes weiteres Leben geformt wird. Wir haben uns dann entschlossen, den Film in jenem Alter anzusiedeln, wo bestimmte moralische Fragen, die dich durch das ganze Leben begleiten, ihren Ursprung haben."

Bedeutet das, Ihr Film basiert ausschließlich auf eigenen Gefühlen und Erfahrungen, oder haben Sie auch bei heutigen Kindern recherchiert?
"Als ich jung war, bin ich viel umgezogen. Ich war irgendwie immer zum falschen Zeitpunkt in der falschen Klasse. Ich gehörte selten zur Gemeinschaft und war oft Außenseiterin. Aber wir haben natürlich auch recherchiert. Wir haben zahlreiche Mädchen der entsprechenden Altersgruppe befragt. Wir wollten wissen, was sich im Vergleich zu unserer Zeit verändert hat. Dabei stellte sich heraus, dass viele Dinge anders aussehen, dass aber die Probleme weiterhin aus denselben Wurzeln erwachsen. Allerdings ist heute der Druck, der auf den Kindern lastet, viel stärker. In unserer Zeit durfte man länger Kind sein. Ich habe beobachtet, dass es in Deutschland noch härter ist als in Schweden. Im Prozess nach der Maueröffnung haben sich hier die Gegensätze sehr zugespitzt. Die vorher in völlig unterschiedlichen Welten aufgewachsen sind, sollen sich nun in einer Gesellschaft zusammenfinden."

Der Schluss Ihres Films deutet an, dass hier tatsächlich ein Prozess aufgegriffen wurde, der eigentlich nie abgeschlossen sein kann ...
"Ja, Schlüsse sind immer sehr schwierig in einem Film. Unsere Geschichte hatte während der Arbeit viele mögliche Schlüsse. Letztendlich wollten wir nichts eindeutig festlegen, und dennoch sollte eine Hoffnung anklingen. Es kann sein, Nora und Karin gehen zusammen. Es kann aber auch zunächst nichts weiter passieren, doch man trifft sich in zehn Jahren wieder, hat viele Erfahrungen gemacht und findet jetzt die richtigen Worte füreinander."

Ihr Film läuft seit Oktober 1997 in Schweden im Kino. Wie kam er dort beim Publikum an?
"Wir sind mit dem Echo sehr zufrieden. Insgesamt sind 15 Kopien eingesetzt, und wir hatten bereits 50.000 Zuschauer. In den Städten haben wir mehr Erfolg als auf dem Land. Die Kritik hat den Film sehr gut aufgenommen und inzwischen bekamen wir für das Buch und die Regie auch einen Preis. Im März 2000 wird der Film im Fernsehen ausgestrahlt."

Ist Ihr Film auch durch das Fernsehen finanziert worden?
"Nur zu einem geringen Teil. Das meiste Geld, 53 Prozent der Produktionskosten, bekamen wir vom Schwedischen Filminstitut. Dann sind wir hausieren gegangen. Als wir sagten, wir wollen einen Kinderfilm machen, hieß es oft, oh, damit könne man kein Geld verdienen. Ich habe dann gesagt, wir machen einen actionbetonten inneren Gewaltfilm für Jugendliche. Das hat geholfen. Richtig gelogen habe ich ja auch nicht, denn er handelt ja wirklich von innerer Gewalt. Annika Thor hat das Filmmanuskript dann noch zu einem Buch umgearbeitet. Auch das brachte etwas Geld. Das Buch erscheint demnächst übrigens auch in Deutschland, bei Beltz & Gelberg."

Das Gespräch mit Christina Olofson führte Klaus-Dieter Felsmann

 

Permalink für Verlinkungen zu dieser Seite Dauerhafter, direkter Link zu diesem Beitrag


Ergebnis der Suche nach "felsmann"

 

Keine Mauerspechte, aber Brückenbauer| ONE WAY, A TUAREG JOURNEY| Zur 100. Ausgabe| 3 DAYS OF CINEMA| 7 ODER WARUM ICH AUF DER WELT BIN| Achvlediani, Nino - "Ich möchte, dass die Kinder noch von einer besseren Welt träumen können"| Agthe, Arend - „Beim Kinderfilm ist jeder Konflikt, der erzählt wird, existenziell“| Albers, Margret - "Man muss Kinderfilme mehr als Filme sehen ..."| Albers, Margret - "Wir haben die seltene Chance, Fachleute und Adressaten zusammenzuführen"| ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE| AM HIMMEL DER TAG| DAS ANDERE UFER| AUF LEISEN PFOTEN| DAS AUGE DES ADLERS| Báez, Irina Gallardo - "Hannelore wollte, dass ich die Isabel spiele, und nicht, dass ich die Isabel bin."| BEAUTY AND THE BASTARD| BIN ICH SEXY?| BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG| BLÖDE MÜTZE!| BONHOEFFER – DIE LETZTE STUFE| BRAN NUE DAE| Burckner, Clara - "Für einen Kinderfilm muss außergewöhnlich intensive Verleiharbeit geleistet werden"| Busker, Martin - "Warum dürfen Kinder im Kino nicht weinen?"| CAPTURING DAD| COMRADES IN DREAMS – LEINWANDFIEBER| DANNYS MUTPROBE| EINSCHNITTE| DIE FARBE DER MILCH| DER FLUG DES ALBATROS| FREMDE HAUT| FREMDER FREUND| FROHE ZUKUNFT| DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE / DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE| DIE GESCHICHTE VON RICHARD, MYLORD UND EINEM WUNDERBAREN FEUERVOGEL| GILLES| Grünberg, Cornelia - "Man kann nicht erwarten, dass die Fördergelder möglichst schnell zurückfließen"| Grünberg, Cornelia und Heiko Merten - Rückwärts ist kein Weg – Schwanger mit 14| Haase, Jürgen - "Der Kinderfilm hat ein weltweites Publikum, und von daher gibt es auch einen weltweiten Bedarf"| Hailer, Thomas - "Das Land Eden für den Kinderfilm gibt es nicht"| HALBE PORTIONEN| Helmer, Veit - Ein Geschenk für den Sohn| HILFE, ICH BIN EIN JUNGE!| DER HIMMEL FÄLLT| I KNOW YOU KNOW| IM GULLY| INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS| DAS INTERNAT| IRGENDWO IN BERLIN| IRIS| ISKAS REISE| DER ITALIENER| KAUWBOY| Keil, Klaus - "Wir geben mehr als Geld"| Kendall, Nicholas - "In die Historie bin ich gegangen, weil ich vor solchem Hintergrund die Charaktere besser herausarbeiten konnte"| KINDERFILM IN EUROPA| DER KLEINE VOGELNARR| König, Inge - Kinderfilm GbmH – eine neue Produktionsfirma in Erfurt| Kozik, Christa - "Kinder brauchen leise humanistische und poetische Botschaften"| Kravchuk, Andrei - "Jeder muss sich für sein Leben verantwortlich fühlen und dafür etwas tun"| DIE LETZTE IHRER FAMILIE| LIEBE, LÜGEN UND GEHEIMNISSE| LÖCHERKÄSE AUS BETON| LOLLIPOP MONSTER| LOST HEAVEN| LOVITOR| Lowenthal, Mark - "Ich habe einfach nach einem wahrhaftigen Ende gesucht"| MADE IN GDR| MADELIEF – DAS ZEICHEN AUF DEM TISCH| DAS MÄDCHEN| DAS MÄDCHEN IN DEN TURNSCHUHEN| MAGNIFICO| Malberti, Juan Carlos Cremata - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist"| MANOLITO, DIE BRILLENSCHLANGE| MASOUMEH UND DER SCHNURRBART| MAX PEINLICH| MIA UND DER MINOTAURUS| DER MISTKERL| Müntefering, Gert K. - "Wir haben so etwas wie eine neue Sachlichkeit für Kinder eingeführt"| MUKHSIN UND ICH| Olofson, Christina - "Es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert"| Oplev. Niels Arden - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe"| DAS PFERD AUF DEM BALKON| PINGPONG| PLATZANGST| POLLEKE| POPULÄRMUSIK AUS VITTULA| DIE PUSTEBLUMEN| QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE| Redpath, Maryanne und Florian Weghorn - Alles auf Augenhöhe| RENN, WENN DU KANNST| RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN| Rosenbaum, Uwe - "Es geht darum, Mittel und Ideen zu konzentrieren"| Rosenbaum, Uwe - Mit wenigen Mitteln viel erreicht| DER ROTE ELVIS| DER ROTE KAKADU| RÜCKBLICK - EINBLICK - AUSBLICK| Sahling, Bernd - "Sie hat die Gabe, Brücken zu schlagen ..."| SATELLITE BOY| Schindler, Christina - "Das übergeordnete Thema in meinen Filmen ist immer das Verhältnis von Fiktion und Realität"| Schleinstein, Frank - "Eigentlich bist du verrückt, einen Film zu drehen, der völlig gegen den Strich geht"| Schmidt, Manfred - "Wenn es ein gesellschaftlicher Wunsch ist, dass Kinder sich mit Filmen auseinander setzen, dann müssen wir dafür auch etwas tun"| SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN| DIE SEEKÖNIGIN| SKELLIG| Svarcova, Iva - "Mich interessieren einfache Menschen, die sehr viel bewegen können"| THE BLACK BALLOON| THE MIGHTY CELT| THE WORD| EIN TICK ANDERS| DER TRAUM| TROMMELBAUCH| Ungureit, Dagmar - "Mit offenem Blick den Märchen neu annähern"| DER VERZAUBERTE EINBRECHER| VIVA CUBA| VOM ABSCHIEDNEHMEN UND TRAURIGSEIN| WAS AM ENDE ZÄHLT| WER, WENN NICHT WIR| WIE DURCH DUNKLES GLAS| Wiedemann, Dieter - Studiengang für Kinderfilm und Kinderfernsehen an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg geplant| Wild, Anne - Den Kindern ihr Märchen geben| WO DER ELEFANT SITZT| WORLDS APART| Zylla. Renate - 19 Jahre KinderFilmFest Berlin|


KJK-Ausgabe 75/1998

 

Anzeigen:

Einzelne Ausgaben:

Filmtitel nach Alphabet:

Zusatzmaterialien:

Volltext-Suche:

 

 


Sonderausgaben bestellen!