(Hintergrund zum Film QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE)
Filmdokumentation
Veit Helmer, Deutschland 2014, Farbfilm Verleih, Altersempfehlung: ab 4 J.
Dokumentation der Vorstellungen am 30.6. und 3.7.2014 im Rahmen des 32. Kinderfilmfestes München
Inhalt
Das beschauliche Bollersdorf liegt so exakt in Deutschlands Mitte, dass die Gesellschaft für Konsumentenforschung (GKF) die Ortschaft eines Tages zum Testgebiet für neue Produkte und den Durchschnitt zum Maß aller Dinge ausruft. Die Mädchen und Jungen der Kindergartengruppe können zwar ihren wenig durchschnittlichen Nasenbären Quatsch vor dem Tierfänger verstecken, aber sie können nicht verhindern, dass man ihre nicht konformen Großeltern – ehemalige Pioniere, Erfinder und Künstler – ins Altenheim verfrachtet. Also überlegen sich die pfiffigen Kleinen, womit sie dem Mittelmaß den Garaus machen können …
Reaktionen während der Vorstellungen
An beiden Terminen sind zahlreiche Kinder im avisierten Alter von 4+ anwesend, selbstverständlich ausnahmslos in Begleitung Erwachsener, sowie ältere Kinder. Es liegt nahe, das Publikum in seinen Reaktionen nicht nur in Kinder – Erwachsene zu unterteilen, sondern zusätzlich zwischen Vorschulkindern (ca. 3- bis 5-Jährige) und Kindern ab dem Grundschulalter zu unterscheiden.
Die Jüngsten sind bereits ab dem Vorspann wie gebannt vom Geschehen auf der Kinoleinwand; manche werden regelrecht hineingesogen, so scheint es. Sicher ist dies für viele von ihnen die erste Kinoerfahrung, der große dunkle Saal mit den vielen Menschen, die übergroßen, bewegten Bilder und die Geräuschkulisse beeindrucken. Darüberhinaus fesseln aber die meist slapstickhaften Gags und die musikalischen Einschübe im Wechsel mit spannenden und actionreichen Szenen und ermöglichen so auch den jüngeren / kinoungeschulten Kindern ein Filmerleben, das sie nicht überfordert. Ausnahmen bestätigen die Regel: Ein dreijähriges Mädchen verlässt weinend den Saal und weigert sich trotz guten Zuredens seitens der Mutter, wieder hineinzugehen. „Zu gruselig“, kommentiert die Mutter. „Der Film ist ja auch erst ab vier“, entgegnet der von mir darauf angesprochene Regisseur voller Ernst.
Der größte gemeinsame Publikumsrenner ist, wie nicht anders zu erwarten, der drollige Nasenbär Quatsch. Die Kommentare reichen von „ist der süß!“ (Tochter, ca. 4 Jahre, und Mutter, unisono) über „cool!“ (zwei ungefähr 8-jährige Mädchen), „der kann gut klettern“ (ca. 5-jähriger Junge) bis „ist der echt?“ (diverse Kinder und Erwachsene).
Die pfiffigen Kindergartenkinder der Nasenbärbande kommen ebenfalls gut an, am stärksten bei den ganz Kleinen, eben Gleichaltrigen (Veit Helmer drehte tatsächlich mit Vierjährigen), und den Erwachsenen. „Wir halten zusammen wie Klecks und Tinte“ erheitert gleich eine ganze Gruppe Vorschulkinder, sei es wegen der witzigen Wortwahl oder der verbindenden Aussage. Für die etwas größeren Kinder ist der Identifikationsfaktor scheinbar irrelevant bzw. eben nicht mehr gegeben. Dafür sind die Schulkinder bei den Actionsequenzen (Verfolgungsfahrten, explodierende Geräte) voll dabei. Lautes Auflachen begleitet etwa den explodierenden Küchenmixer oder den wirbelnden Kran.
Das Kran-Erklimmen der Bande wird jedes Mal erneut begeistert aufgenommen, Lachen und Ausrufe („Die klettern da hoch!“, „Da wohnt der Quatsch!“) zeigen, wie sehr hier auch die ganz kleinen Zuschauer bei der Sache sind. Dies ändert sich grundsätzlich bei den Szenen, die von der GKF, den Produkttests und der Verantwortung als „Mitte der Welt“ handeln und damit deutlich theoretisierender und dialoglastiger sind. Da wird es unruhig im Saal, der Blick der Kleinsten schweift von der Leinwand ab, die Konzentration lässt schnell nach. Die etwas älteren Kinder hingegen reagieren noch auf die verballhornten Markennamen (Bluetella, Beerenmacke usw.) und haben ihren Spaß am GKF-Rap im Supermarkt.
Ironische Szenen (die unfreiwillige neue Frisur von Elke alias Margarita Broich gleicht dem Look des Punks Schorsch) und Wortspiele („Zusammen sind wir 08/15“) sind offenbar eher für die Erwachsenen inszeniert, die Kinder lassen kaum Reaktion erkennen. Gleiches gilt für die eingeschobenen Sequenzen, die dem früheren Leben der Senioren gewidmet sind. Hier amüsieren sich (vor allem) die Erwachsenen über die erflunkerten und bezugsreichen Lebensläufe.
Slapstick wiederum funktioniert zuverlässig, ganz besonders bei den Allerkleinsten: Wenn etwa die Köpfe der per Schlafmittel außer Gefecht gesetzten Erwachsenen in die Sahnetorte sinken oder sich Kaffee ungehindert übers Kleid der Nachbarin ergießt, ist Lachen garantiert. Ein kleiner Junge muss allerdings beim Vater nachfragen, was Schlaftabletten sind.
Große Augen machen die Vorschulkinder bei den Tierfängern, die den Nasenbären suchen und mitnehmen sollen – eine der spannenden Szenen, die aber schnell aufgelöst wird: Kind und Tier sind den etwas dümmlichen Erwachsenen eine Nasen(bär)länge voraus. Aufregung verusachen der Lok-Absturz oder auch der Feuerwehrwagen im See, das wird atemlos, teils mit offenem Mund verfolgt. Ein ca. Fünfjähriger äußert besorgt: „Aber die Lokomotive ist kaputt!“ Beeindruckt zeigen sich zwei Mädchen (ca. 8) von den neu entstandenen Gerätschaften und Erfindungen: „Die haben gute Sachen gebaut!“ Das glückliche Ende erlöst die jüngsten Zuschauer aus ihren Sitzen: Einige von ihnen tanzen mit, wenn halb Bollersdorf vereint im Erdbeermilch-Pool feiert.
Reaktionen nach den Vorstellungen
Erwartungsgemäß belegt der Nasenbär Platz Eins bei der Befragung der Kinder, was ihnen am besten gefallen hat. Auch die Erwachsenen hat der Nasenbär beeindruckt, es wird diskutiert, wieviel Computeranimation dahinter steckt.
Die Vorschul- und Schulkinder favorisieren weiterhin die Fahrten mit Lok, Feuerwehrauto etc. und den Kran, wobei den einen vor allem gefällt, dass die Kinder selber fahren, während die anderen mehr auf den „coolen Crashfaktor“ abzielen – dies lässt sich nicht nach Alter unterscheiden. Es folgen auf der Beliebtheitsskala die singende Katze, die Erdbeermilch im Pool, das Schlaflied für die Eltern (Titel: „Wir bleiben auf“).
Die „anarchistischen“ Elemente des Films spalten die erwachsenen Zuschauer. Während die einen in den unfallträchtigen Verfolgungsjagden ein bedenkliches Feiern von Zerstörungswut und im Kran-Klettern ein gefährliches Unterfangen sehen, bleiben die – meines Erachtens – meisten Eltern gelassen. Zitate: „Das können die schon unterscheiden, dass sie das nicht nachmachen.“ „Welches Kind hat schon die Möglichkeit, einen Kran zu erklimmen? Das ist doch unrealistisch.“ „Das ist nichts anderes als Bauklötzchenumwerfen“.
Verwendbarkeit des Films für die Kinderkulturarbeit
"Quatsch" ist ein Film, der nicht nur, aber auch die kleinsten Zuschauer erreicht. Kinder im Alter von 4+ reagieren am stärksten auf den Nasenbären, Slapstickhumor, das „anarchistische“ Kaputtmachen sowie die gleichaltrigen Helden, mit denen sie sich identifizieren können. Ältere Kinder haben zusätzlich ihren Spaß an der Komik, die über reinen Slapstick hinausgeht, und die Actionsequenzen mit den Unfällen. „Mehr davon“ forderten laut Regisseur Veit Helmer die kleinen Zuschauer eines Testscreenings. Das war zwar bei den dokumentierten Vorstellungen nicht zu vernehmen, wohl aber der Spaß der Kleinen an den umkippenden Fahrzeugen. Der bereits erwähnten Kritik einiger Erwachsener hält der Film selbst das stärkste Argument entgegen: Die Fahrzeuge bleiben nicht zerstört und nutzlos, sondern bekommen durch die Kinder und ihre Großeltern neue, andere Bedeutungen und Funktionen. Aus alt mach neu, mach es anders, sei anders – so könnte man die Botschaft des Films formulieren, der vielleicht gar keine Botschaft haben möchte. Ergänzend sei erwähnt, dass es Auflage der koproduzierenden Sender war, im Abspann zu zeigen, dass die Kinder nicht selber am Steuer der diversen Fahrzeuge sitzen. Randbemerkung: Viele Zuschauer haben diese aufklärerischen Inhalte des Abspanns gar nicht mehr mitbekommen, gut 82 Minuten Stillsitzen fordern da wohl beim einen oder anderen ihren Tribut …
Fazit: "Quatsch" ist ein Film auch für die ganz Kleinen, mit allen bewährten Zutaten für Spaß und Spannung, erstaunlichen kleinen Darstellern und einer Geschichte, die über die Altersgrenzen hinweg einfach Spaß macht. Für die Kinder- und Jugendkulturarbeit ist der Film sehr empfehlenswert.
Ulrike Seyffarth
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