(Interview zum Film WER, WENN NICHT WIR)
KJK: Ihr Film lief im Wettbewerb des Kinderfilmfestes der Berlinale. Wie haben Sie die Reaktionen des überwiegend deutschen Publikums erlebt?
Valerij Prijomichov: "Ich war ja nicht zum ersten Mal Gast der Berlinale. Im letzten Jahr lief ein Film von mir im Panorama. Zunächst mache ich mir immer Sorgen, ob das deutsche Publikum meine Filme verstehen wird und bin jedes Mal überrascht, wie gut ich hier in Deutschland verstanden werde, ganz anders als in Italien beispielsweise, da spüre ich eine ganz andere Mentalität. Ich fühle eine starke Verwandtschaft zwischen dem deutschen und dem russischen Volk, ich weiß gar nicht, warum wir schon so oft gegeneinander gekämpft haben. Ich bereite gerade ein Filmprojekt vor, in dem ein Russland-Deutscher eine zentrale Rolle spielt."
In der ersten Szene Ihres Films, im Einkaufszentrum in Moskau, sagt der Junge Sme, dass er gerne auf die Kinder, die ein Stockwerk unter ihm am Tisch sitzen und Eis essen, spucken möchte. Was steckt hinter diesem Wunsch?
"Sie sind reich, er ist arm. Sie sind Hauptstädter, er kommt vom Land, aus der Provinz. Er ist schlechter gekleidet, hat weniger Geld, er hat das Gefühl, dass diese Kinder alles abgekriegt haben und für ihn ist nichts übrig geblieben."
Sme und Toljasik fahren mit dem Akkordeon nach Moskau, um Straßenmusik zu machen und Geld zu verdienen. Ist da nur ein Taschengeld zu verdienen oder helfen sie mit dem Verdienst ihren Familien?"
"Da ist viel Geld zu verdienen und beide unterstützen damit ihre Familien. Es gibt auch tatsächlich diese Bettlermafia, die ich zeige, die alle Fußgängertunnels und Passagen kontrolliert und jeden Neuankömmling vertreibt."
Nachdem den Jungs im Film von den Bettlern die Tageseinnahmen in Moskau gestohlen wurden, beschließen sie, in ein Kaufhaus einzubrechen. Toljasik, der schon 14 Jahre alt ist, bekommt eine hohe Jugendstrafe dafür und muss ins Gefängnis. Haben Sie für diese Geschichte wahre Begebenheiten recherchiert?
"Die ganze Geschichte habe ich wirklich aus dem Leben gegriffen. Sogar den Familiennamen 'Smejkov' habe ich in Polizeiakten gefunden über einen ähnlichen Fall. Es läuft immer etwa gleich ab: Die Jungs brechen in einen Kiosk oder ein Kaufhaus ein, essen dort Schokolade und klauen Coca Cola und andere Kleinigkeiten und bekommen zum Teil drakonische Strafen. Der Toljasik im Film ist allerdings ein Wiederholungstäter, er war ja vor dem Einbruch schon in einer Schule für Schwererziehbare, vor der er den Freund warnt. Toljasik hat früher bereits das eine oder andere angestellt, daher erklärt sich auch die verhältnismäßig hohe Strafe für ihn."
Sme, eine der beiden jungen Hauptfiguren des Films, hat ein sehr distanziertes Verhältnis zu seiner alleinerziehenden Mutter. Er siezt sie und benimmt sich sehr selbstbewusst im Kontakt, sehr "erwachsen". Ist das typisch für so eine Familienkonstellation in Russland?
"Wenn ich die Generation der heute 14-Jährigen mit meiner Generation vergleiche, als ich 14 war, dann muss ich feststellen, dass die jungen Männer heute reifer sind, weiter entwickelt als wir damals. Sie verdienen oft schon eigenes Geld, übernehmen Verantwortung für die Familie. Wir waren da viel infantiler. In dieser konkreten Geschichte ist Kolja in gewisser Weise der Mann in der Familie und er übernimmt auch Verantwortung. Er ist distanziert und hat seine egoistischen Interessen, aber er kümmert sich auch um die Familie."
Der Verlobte von Smes Mutter, der Pathologe, machte auf mich einen ziemlich durchgeknallten Eindruck. Steht diese Figur stellvertretend für eine bestimmte Sorte russischer Männer?
"Ja, diese Figur ist eine Art Prototyp des sogenannten 'Neuen Russen'."
Sie haben das Drehbuch für den Film geschrieben, Regie geführt und den Gena, eine Hauptrolle, gespielt. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?
"Ich wollte gar nicht in dem Film spielen. Da wir aber nur wenig Geld und Zeit hatten, war es schwierig, einen Darsteller zu finden, der Termine frei hatte zu unseren Drehzeiten und ich hätte auch die Gage nicht bezahlen können. Wir drehten den Film in nur 48 Tagen und ich habe dann eben auch noch den Gena gespielt, aber ich würde es nicht noch einmal so machen."
Warum war es Ihnen wichtig, gerade diese Geschichte von Sme und Toljasik zu erzählen?
"Die Situation in Russland ist im Moment wirklich schwierig. Die Gesellschaft ist sehr politisiert. Ich wollte mit dem Film darauf hinweisen, dass es nicht nur darum geht, ob jemand Kommunist ist, Konservativer, ob er rot, schwarz, grün oder blau ist, sondern dass Liebe und Freundschaft und andere menschliche Werte in einer Gemeinschaft von überragender Bedeutung sind. Das schönste Kompliment, das ich hier in Berlin bekommen habe, kam von einigen russischen Emigranten der ersten Stunde, sogenannten Revolutionsemigranten. Nachdem sie den Film gesehen hatten, sagten sie, dass sie jetzt verstehen, wieso die Menschen in dieser schwierigen Lage in Russland trotzdem weiterhin zurechtkommen und überleben. Eben weil die Prinzipien von Freundschaft und gegenseitiger Hilfe und Unterstützung noch funktionieren."
Ist der Titel des Films "Wer, wenn nicht wir" als Appell an die Zuschauer gemeint, diese menschlichen Werte wie Liebe und Freundschaft zu kultivieren und in ihrer fundamentalen Bedeutung für eine funktionierende Gemeinschaft anzuerkennen?
"Ja. Es ist als Appell gemeint: Nehmt Euer Schicksal in die eigenen Hände! Keine Regierung, kein anderes Land kann Euch in dieser Situation helfen, Ihr müsst selbst klar kommen und die Probleme meistern. Besinnt Euch auf Eure Qualitäten, auf das, was Euch stark macht."
Mit Valerij Prijomichov sprach Harald Pilar von Pilchau
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