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Ausgabe 80-4/1999

"Es gibt immer die Frage nach dem Warum!"

Gespräch mit der Regisseurin Maria Teresa Camoglio zu ihrem Film "Liebe, Lügen und Geheimnisse"

(Interview zum Film LIEBE, LÜGEN UND GEHEIMNISSE)

Beim Deutschen Kinder-Film&Fernseh-Festival "Goldener Spatz" in Gera 1999 wurde die ZDF-Auftragsproduktion von der Fachjury mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Eine Besonderheit an "Liebe, Lügen und Geheimnisse" war, dass für zwei unterschiedliche Einsatzzwecke von vorneherein sowohl eine 73-minütige Langfassung als auch ein Dreiteiler für die Sendereihe "Achterbahn" konzipiert war.

KJK: Gab es für "Liebe, Lügen und Geheimnisse" eine literarische Vorlage?
Maria Teresa Camoglio: "Ja, es gab einen Roman von Brigitte Blobel. Die ZDF-Redakteurin Susanne van Lessen hat fast parallel Kontakt zur Autorin und zu mir aufgenommen. So haben wir drei uns getroffen und unsere Vorstellungen über das Buch ausgetauscht. Das war wirklich angenehm. Das Problem war jedoch, dass es ein langer Film werden sollte, der zugleich in drei Teile getrennt werden konnte. Das war auch dramaturgisch gesehen ziemlich kompliziert. Inzwischen ist der Film auch schon für die Sendereihe 'Achterbahn' in drei Folgen zu 23 Minuten getrennt worden. Meiner Meinung nach funktioniert er auch in den Folgen."

Wie kam der Kontakt zur Redaktion zustande?
"Frau van Lessen hatte meine beiden ersten Filme 'Con Amore Fabia' und 'Bandagistenglück' gesehen, die beide als Hauptdarstellerinnen 17-Jährige haben. Wegen der Besetzung und der Art der Inszenierung fand sie wohl, dass ich für das Buch die Richtige sein könnte. Für mich ist es der erste Kinderfilm."

Wie hoch war das Budget? Und wie lange haben Sie gedreht?
"Etwa 950.000 DM. Eine Förderung haben wir leider nicht erhalten. Wir hatten 24 Drehtage in Berlin."

Der Titel erinnert ja an den Mike-Leigh-Film "Lügen und Geheimnisse" ("Secrets and Lies"). Gibt es da einen Zusammenhang?
"Das ist ein Zufall. Mein Film hat den gleichen Titel wie der Roman von Brigitte Blobel."

Wie wurde beim Drehen die Tatsache, dass es einen Dreiteiler geben sollte, berücksichtigt?
"Mit Frau Blobel habe ich schon vorher besprochen, wo die drei Teile im Plot jeweils enden sollten. Das Drehbuch war allerdings länger als 73 Minuten, die Abschnitte für die drei Folgen waren mit je 26 bis 27 Minuten auch länger gestoppt worden. Beim Drehen musste ich also schon auf Schnittmöglichkeiten achten."

War es für Sie schwierig, quasi zwei Filme zugleich zu drehen, eine Langfassung und einen Dreiteiler?
"Ja, es war aber auch eine Herausforderung. Dieses Gefühl für die Länge eines Films zu entwickeln, ist nicht ganz einfach. Jede Person ermittelt eine andere Stoppzeit für die Szenen. Es hat jedoch insgesamt gut geklappt."

Wie haben Sie die Hauptdarstellerin gefunden?
"Das war ganz schön schwierig. Ich sah mich an mehreren Schulen um und habe auch Klassenfotos angeschaut. Dann schaltete ich eine Anzeige in einer Zeitung. Daraufhin meldeten sich 150 Mädchen. In die engere Auswahl kamen sechs Mädchen, mit denen machte ich eine 'harte Probe'. Dafür wählte ich einige Szenen aus dem Buch aus, die die Mädchen vor einer Videokamera spielten. Außerdem wollte ich sehen, wie der jeweilige Gesichtsausdruck aussieht, wenn nichts gesprochen wird. Ich wollte auch wissen, ob das Mädchen Temperament hat. Für mich war es zudem wichtig zu erfahren: Will sie das machen oder ist sie von der Mutter zum Casting geschickt worden. Bei Antonia Sharpe war schnell klar, sie ist begabt. Sie hatte auch schon in einem Musical mitgespielt. Mit ihr zu arbeiten war sehr angenehm. Ich habe mit ihr immer wie mit einer Erwachsenen gesprochen.

Sie erzählen ja viel nur auf der visuellen Ebene und lassen einige wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Warum wohnt Patrick in einer WG? Was ist mit seinen Eltern passiert? Wie hat Ninas leibliche Mutter in den 13 Jahren gelebt?
"Wenn ich das alles erzählt hätte, wäre das zu viel gewesen. Wenn ich beginne zu erzählen, warum die Mutter schwer nervenkrank war und was mit Patricks Eltern ist, hätte ich den Erwachsenen zu viel Gewicht gegeben. Der entscheidende Punkt ist, dass Monika das Kind 13 Jahre lang nicht gesehen hat. Es gibt immer die Frage nach dem Warum. Sie ändert aber nichts an der Tatsache, egal ob du wolltest oder nicht oder krank warst. Während Monika weg war, war eben die andere Mutter da."

Und wie war das bei dem Jungen?
"Der Junge war im Roman als Figur härter und extremer angelegt. Meine Entscheidung war: Das ist seine erste Liebe. Daher sehe ich ihn nur durch die Augen des Mädchens. Man muss sich außerdem entscheiden, wo man den Schwerpunkt setzen will. Was sind die wichtigen Punkte?"

An manchen Stellen wird im Dialog etwas viel erklärt, wahrscheinlich um sicher zu stellen, dass die jungen Zuschauer das Ganze verstehen. Sie haben in diesem Zusammenhang von einem Kompromiss gesprochen. Wie sieht dieser Kompromiss aus?
"Wenn ein Film von mir fertig ist, lebt er mit seinen Schwächen und seinen Stärken. Ich selbst liebe es, wenn weniger gesprochen wird und stattdessen die Gesichter mehr sprechen. Ich glaube aber, dass der Film richtig ist so wie er jetzt aussieht.

Die Inszenierung strebt ja erkennbar nach Kinoqualität. War ein Kinoeinsatz angedacht?
"Ja. Wir haben deswegen auch auf Super 16 gedreht. Das Ziel war, dass es eine 35-mm-Kopie geben sollte. Bisher hat das aber wegen fehlender Finanzmittel nicht geklappt."

Mit Maria Teresa Camoglio sprach Reinhard Kleber

 

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