(Interview zum Film DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE / DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE)
KJK: Auf dem 22. Kinderfilmfest München wurde der französische Animationsfilm von Jacques-Remy Girerd "La prophetie des grenouilles" = "Die Prophezeiung der Frösche" gezeigt. Zwei Besonderheiten waren damit verknüpft, die sich weder den Festivalmachern noch dem Publikum erschlossen: Der Verleih Universum, der den Film am 4. November 2004 in Deutschland herausbringen wird, titelte: "Das Geheimnis der Frösche". Und das eigens für das Kinderfilmfest München eingesetzte FSK-Gremium verpasste dem Kinderfilm eine Freigabe "ab 12 Jahren". Deshalb gleich zu Anfang unsere Frage an den Filmkünstler: Was halten Sie davon?
Jacques-Remy Girerd: "Ich wundere mich, denn als ich den Film machte, dachte ich an Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Und was den anderen Titel betrifft: Mit Absicht habe ich zwei Wörter in dem Titel verbunden, 'Prophezeiung' – was für mich ein magisches, ein Zauberwort ist – und 'Frösche', für mich als Kind vom Lande etwas Alltägliches. Doch jetzt mit 'Geheimnis der Frösche' klingt es nur banal für mich."
Sie brauchten sechs Jahre für die Herstellung Ihres Films. Warum hat es so lange gedauert?
"Der Film ist komplett und vollständig von Hand gefertigt. Über eine Million Zeichnungen sind dafür angefertigt worden. Dazu muss man wissen, dass jeder Zeichner maximal dreizehn Zeichnungen am Tag machen kann. Man kann sich ausrechnen, wie viele Hände nötig waren. Insgesamt haben über zweihundert Leute an dem Film gearbeitet, sechs Tage in der Woche."
Wird alles verwendet, was gezeichnet wird?
"Ja, alles wird gebraucht, nichts wird weggeworfen. Jede Filmminute kostet etwa 80.000 Euro, da kann man nichts verschwenden. Deshalb wird sehr viel Zeit verwendet für das genaue Schreiben jeder einzelnen Filmsekunde."
Man sieht nicht, wie die Arche Noah zum Schwimmen kommt und die Tiere in das Haus des Großvaters ...
"Man sieht vieles nicht, aber man weiß es. Es hätte die Dramaturgie dieser ganzen Szene zerstückelt, wenn man gesehen hätte, wie er das Haus mit dem aufgepumpten Autoreifen rettet. Am Schluss kommt alles zusammen, es löst sich in Poesie auf."
Das ist Ihr erster abendfüllender Animationsspielfilm.
"Ich habe viele kleine Filme für Kinder im Vorschulalter gemacht, von fünf bis zehn Minuten Länge, Filme, in denen Alltägliches gezeigt wird. Dann machte ich den Film 'Der Junge, der vom Himmel fiel', 52 Minuten lang, der auch in französischen Kinos lief. 'Die Prophezeiung der Frösche' ist mein erster großer Film."
Sie haben im Zeitalter der Computertechnik ganz bewusst die klassische Form des Zeichentricks gewählt, warum?
"Aus künstlerischen Gründen. Computer haben alle dieselben Funktionen und deshalb sehen am Schluss die Bilder alle gleich aus. Die gesamte Grafik und die künstlerische Seite geht dabei verloren. Wenn man eine Computergrafik nimmt, führt das Werkzeug die Hand. Ich wollte, dass die Menschen das Ergebnis bestimmen. Es war uns auch sehr wichtig, Zärtlichkeit darzustellen, kleine Nuancen und Gesten und das kann man letztendlich nur von Hand machen."
Das ist ja der Erfolg des Films, den allein in Frankreich über eine Million Menschen bereits im Kino gesehen haben.
"Es ist ein kommerzielles Produkt und doch arbeiten wir mit viel Gefühl, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass Filme nur zur Unterhaltung gemacht werden. Das heißt nicht, dass mein Film nicht unterhaltend ist, ich möchte ihm aber auch eine menschliche und soziale Dimension geben. Wenn man Filme für Kinder macht – auch wenn man den Begriff sehr weit fasst – hat man eine erzieherische und eine Kultur bringende Verpflichtung."
Ihre Familie im Film ist ja sehr bunt. Die farbige Juliette mit dem großen Herzen, der gemütliche alte Ferdinand, der auch ziemlich lospoltern kann, der kleine Adoptivsohn Tom und Lili, die in Obhut genommen wird, während ihre Eltern nach Afrika reisen, um neue Tiere für ihren Zoo abzuholen – kein gängiges Familienbild ...
"Es gibt einfach eine viel interessantere Basis für die Erzählung, wenn so unterschiedliche Figuren dabei sind. Das Sujet wird viel reicher, als wenn man nur Papa, Mama, zwei Kinder, Auto, Katze und Wohnwagen hätte. Ich knüpfe gern an traditionelle Märchen an. Wenn es Figuren mit besonderem Schicksal gibt, haben sie ein viel größeres Potenzial, weil sie bereits ein Drama erlebt haben."
Sie haben der Schildkröte die allerschwärzeste Rolle zugedacht, warum ausgerechnet diesem weisen langlebigen Geschöpf?
"Das haben wir ganz bewusst gemacht. Am Anfang stand eine Liste all der netten Tiere und Sympathieträger und dann haben wir überlegt, welches dieser Tiere nehmen wir, um das Böse zu verkörpern. Wäre eine Schlange oder das Krokodil in dieser Rolle, gäbe es keine Überraschung. Erst am Schluss stellt sich heraus, dass die böse Schildkröte, als sie ihres Panzers beraubt ist, alles Böse verliert, ungeschützt und verletzlich ist."
Warum haben Sie als einzige Bewohner der Arche Noah die Hühner geopfert?
"Es waren auch die einzigen, die nicht gesprochen, sondern nur Tierlaute von sich gegeben haben und dadurch konnte keine Beziehung zu ihnen entstehen."
Auch ein Moment der Angst spielt eine wichtige Rolle in Ihrem Film.
"Zu der gesamten Gefühlspalette – Trauer, Herzklopfen, Lachen, Weinen, Bewunderung – gehört auch die Angst. Manchmal hat man Angst, den Kindern im Kino so etwas anzubieten. Ich bin aber der Meinung, dass das eminent wichtig ist für das Werden der Kinder. Wie auch die klassischen Märchen sehr wichtig sind. Die Kinder sollen sich im Kino an Angst, Trauer und großer Freude reiben können. Kino ist der richtige Ort, wo Gefühle stattfinden. Ich fordere, dass das im Kino passiert.
Es kann sein, dass kleine Kinder so etwas als negativ erleben, wenn die Emotionen zu stark sind. Das verlangt nach elterlicher Begleitung. In 'Little Nemo' haben kleine Kinder auch Angst gehabt, aber darüber wird nicht gesprochen. Man kann nicht verhindern, dass ein oder zwei Prozent der Kinder Angst haben, denn man weiß nicht, was sie erlebt haben."
Mit ausschlaggebend für den Entscheid der FSK war wohl die Szene, in der Lili glaubt, ihre Eltern leben nicht mehr und sich mit herzzerreißendem Schluchzen an den Rettungsring klammert ...
"Eine Urangst, die wir alle hatten und die alle Kinder haben, ist die, ihre Eltern zu verlieren. Wir leben zwar in einer behüteten Zeit, aber in der Vorgeschichte war es tägliche Realität für Kinder, ihre Eltern verlieren zu können. Und so eine Szene mit der kleinen Lili nimmt den Kindern zwar nicht die Angst, aber es hilft ihnen, Angst zu überwinden, und am Schluss sind die Eltern wieder da. Es geht gut aus wie im Märchen – und das ist der ganze Unterschied zwischen Mythen und Märchen. Ich möchte Filme machen, die den Kindern helfen erwachsen zu werden. In der heutigen Zeit geht es nicht nur darum, die Wirklichkeit abzubilden oder lustige Filme zu zeigen, sondern die Kinder mit den Urgeschichten zu konfrontieren. Das ist auch der Grund, warum ich diese Art von Grafik ausgewählt habe, weiche Zeichnungen, Kreidezeichnungen, samtene Zeichnungen, die das Gefühl vermitteln, als ob die Kinder ein Kinderbuch vor sich haben, das gut ausgeht."
Da können wir nur hoffen, dass die Kinder zwischen sechs und zwölf in Deutschland daran teilhaben dürfen ...
"Alles was ich meine, steht vollkommen im Widerspruch zu dieser Entscheidung und ergibt keinen Sinn. Ich bitte Sie, dass Sie alles daran setzen, dass sich da etwas ändert."
Interview: Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel
Keine Mauerspechte, aber Brückenbauer ONE WAY, A TUAREG JOURNEY Zur 100. Ausgabe 3 DAYS OF CINEMA 7 ODER WARUM ICH AUF DER WELT BIN Achvlediani, Nino - "Ich möchte, dass die Kinder noch von einer besseren Welt träumen können" Agthe, Arend - „Beim Kinderfilm ist jeder Konflikt, der erzählt wird, existenziell“ Albers, Margret - "Man muss Kinderfilme mehr als Filme sehen ..." Albers, Margret - "Wir haben die seltene Chance, Fachleute und Adressaten zusammenzuführen" ALS GROSSVATER RITA HAYWORTH LIEBTE AM HIMMEL DER TAG DAS ANDERE UFER AUF LEISEN PFOTEN DAS AUGE DES ADLERS Báez, Irina Gallardo - "Hannelore wollte, dass ich die Isabel spiele, und nicht, dass ich die Isabel bin." BEAUTY AND THE BASTARD BIN ICH SEXY? BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG BLÖDE MÜTZE! BONHOEFFER – DIE LETZTE STUFE BRAN NUE DAE Burckner, Clara - "Für einen Kinderfilm muss außergewöhnlich intensive Verleiharbeit geleistet werden" Busker, Martin - "Warum dürfen Kinder im Kino nicht weinen?" CAPTURING DAD COMRADES IN DREAMS – LEINWANDFIEBER DANNYS MUTPROBE EINSCHNITTE DIE FARBE DER MILCH DER FLUG DES ALBATROS FREMDE HAUT FREMDER FREUND FROHE ZUKUNFT DIE PROPHEZEIUNG DER FRÖSCHE / DAS GEHEIMNIS DER FRÖSCHE DIE GESCHICHTE VON RICHARD, MYLORD UND EINEM WUNDERBAREN FEUERVOGEL GILLES Grünberg, Cornelia - "Man kann nicht erwarten, dass die Fördergelder möglichst schnell zurückfließen" Grünberg, Cornelia und Heiko Merten - Rückwärts ist kein Weg – Schwanger mit 14 Haase, Jürgen - "Der Kinderfilm hat ein weltweites Publikum, und von daher gibt es auch einen weltweiten Bedarf" Hailer, Thomas - "Das Land Eden für den Kinderfilm gibt es nicht" HALBE PORTIONEN Helmer, Veit - Ein Geschenk für den Sohn HILFE, ICH BIN EIN JUNGE! DER HIMMEL FÄLLT I KNOW YOU KNOW IM GULLY INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS DAS INTERNAT IRGENDWO IN BERLIN IRIS ISKAS REISE DER ITALIENER KAUWBOY Keil, Klaus - "Wir geben mehr als Geld" Kendall, Nicholas - "In die Historie bin ich gegangen, weil ich vor solchem Hintergrund die Charaktere besser herausarbeiten konnte" KINDERFILM IN EUROPA DER KLEINE VOGELNARR König, Inge - Kinderfilm GbmH – eine neue Produktionsfirma in Erfurt Kozik, Christa - "Kinder brauchen leise humanistische und poetische Botschaften" Kravchuk, Andrei - "Jeder muss sich für sein Leben verantwortlich fühlen und dafür etwas tun" DIE LETZTE IHRER FAMILIE LIEBE, LÜGEN UND GEHEIMNISSE LÖCHERKÄSE AUS BETON LOLLIPOP MONSTER LOST HEAVEN LOVITOR Lowenthal, Mark - "Ich habe einfach nach einem wahrhaftigen Ende gesucht" MADE IN GDR MADELIEF – DAS ZEICHEN AUF DEM TISCH DAS MÄDCHEN DAS MÄDCHEN IN DEN TURNSCHUHEN MAGNIFICO Malberti, Juan Carlos Cremata - "Ich kann keine Lösung eines Problems anbieten, das nicht zu lösen ist" MANOLITO, DIE BRILLENSCHLANGE MASOUMEH UND DER SCHNURRBART MAX PEINLICH MIA UND DER MINOTAURUS DER MISTKERL Müntefering, Gert K. - "Wir haben so etwas wie eine neue Sachlichkeit für Kinder eingeführt" MUKHSIN UND ICH Olofson, Christina - "Es geht um Probleme in einer Mädchengruppe, aber es wird insgesamt ein Lebensgefühl vermittelt, das Jungen genauso interessiert" Oplev. Niels Arden - "Es ist der persönlichste Film, den ich bisher geschrieben und gedreht habe" DAS PFERD AUF DEM BALKON PINGPONG PLATZANGST POLLEKE POPULÄRMUSIK AUS VITTULA DIE PUSTEBLUMEN QUATSCH UND DIE NASENBÄRBANDE Redpath, Maryanne und Florian Weghorn - Alles auf Augenhöhe RENN, WENN DU KANNST RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN Rosenbaum, Uwe - "Es geht darum, Mittel und Ideen zu konzentrieren" Rosenbaum, Uwe - Mit wenigen Mitteln viel erreicht DER ROTE ELVIS DER ROTE KAKADU RÜCKBLICK - EINBLICK - AUSBLICK Sahling, Bernd - "Sie hat die Gabe, Brücken zu schlagen ..." SATELLITE BOY Schindler, Christina - "Das übergeordnete Thema in meinen Filmen ist immer das Verhältnis von Fiktion und Realität" Schleinstein, Frank - "Eigentlich bist du verrückt, einen Film zu drehen, der völlig gegen den Strich geht" Schmidt, Manfred - "Wenn es ein gesellschaftlicher Wunsch ist, dass Kinder sich mit Filmen auseinander setzen, dann müssen wir dafür auch etwas tun" SCHULD SIND IMMER DIE ANDEREN DIE SEEKÖNIGIN SKELLIG Svarcova, Iva - "Mich interessieren einfache Menschen, die sehr viel bewegen können" THE BLACK BALLOON THE MIGHTY CELT THE WORD EIN TICK ANDERS DER TRAUM TROMMELBAUCH Ungureit, Dagmar - "Mit offenem Blick den Märchen neu annähern" DER VERZAUBERTE EINBRECHER VIVA CUBA VOM ABSCHIEDNEHMEN UND TRAURIGSEIN WAS AM ENDE ZÄHLT WER, WENN NICHT WIR WIE DURCH DUNKLES GLAS Wiedemann, Dieter - Studiengang für Kinderfilm und Kinderfernsehen an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg geplant Wild, Anne - Den Kindern ihr Märchen geben WO DER ELEFANT SITZT WORLDS APART Zylla. Renate - 19 Jahre KinderFilmFest Berlin